Читать книгу Die 40 bekanntesten archäologischen und historischen Stätten in Albanien - Wolfram Letzner - Страница 13
Moderne
ОглавлениеWill man das heutige Albanien verstehen, so muss man genau hinschauen, wie es sich historisch entwickelte. Im 19. Jh. setzten auch in Albanien – durchaus vergleichbar mit anderen Regionen des Balkans − nationalorientierte Strömungen ein. Dabei ging es zunächst darum, die albanische Sprache und Kultur zu stärken. Von dort aus war der Schritt zur Forderung nach einem Nationalstaat nicht mehr weit. Aber der Weg dahin sollte von außen her geöffnet werden.
Zu Beginn des 20. Jhs. glich der ganze Balkan einem Pulverfass, das jeden Moment zu explodieren drohte. Im Jahr 1908 war ein serbisch-bulgarisches Bündnis entstanden, das sich zwar formell gegen Österreich-Ungarn, aber eigentlich gegen das Osmanische Reich – immer noch im Besitz großer Teile des Balkans – richtete. Diesem Bündnis schlossen sich Griechenland und Montenegro an.
Im Oktober 1912 erklärte das Bündnis dem Osmanischen Reich den Krieg, der mit großer Brutalität geführt wurde. Die Osmanen verloren nach der Niederlage fast den ganzen Balkan. Der Friede von London beendete schließlich den Ersten Balkankrieg. Aber der Konflikt war noch nicht beigelegt; aus ehemaligen Bundesgenossen wurden Feinde. Der nun folgende Zweite Balkankrieg endete 1913 mit dem Frieden von Bukarest.
Die Großmächte, die im Hintergrund die Strippen gezogen hatten, konnten nicht ignorieren, dass bereits 1912 ein albanischer Staat ausgerufen worden war. Jedoch glaubten die Vertreter der Großmächte nicht an den Erfolg dieses Staates und beschlossen die Errichtung des Fürstentums Albanien unter der Herrschaft Wilhelms, Fürst zu Wied (1876−1945). Dessen Herrschaft sollte aber schon 1914 nach einem halben Jahr enden; innerer Widerstand und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren die Ursachen. Das Fürstentum Albanien bestand allerdings bis 1925 formal weiter.
In diesem Jahr wurde Ahmet Zogu, aus dem albanischen Adel stammend, zum Präsidenten der noch jungen Republik gewählt. Doch bereits drei Jahre später schaffte Zogu die Republik wieder ab und rief sich zum König aus. Zur Durchsetzung seiner Politik suchte er Hilfe beim Königreich Jugoslawien. Ausdruck dieser Politik war die Schenkung des Klosters Sveti Naum am Ohrid-See (Abb. 5). In seiner Außenpolitik orientierte er sich später Richtung Italien, sodass das Land zunehmend unter dessen Einfluss geriet. Dies spiegelt sich nicht nur in den archäologischen Forschungen, sondern auch in Architektur und Infrastrukturmaßnahmen wider. Der zunehmende Druck des faschistischen Italiens auf das Land zwang Zogu 1939 dazu, ins griechische Exil zu gehen; Italien besetzte nun das Land.
Die Pläne des faschistischen Italiens reichten aber weiter, denn Albanien sollte nur das Sprungbrett zur Eroberung Griechenlands sein. Im Jahr 1940 befahl Benito Mussolini den Angriff, doch der Duce hatte sich gründlich verschätzt. Griechischen und britischen Truppen gelang es, die Italiener massiv unter Druck zu setzen, sodass Italien, durch einen Militärpakt mit dem Deutschen Reich verbunden, um Unterstützung bat. Dieser Bitte wurde entsprochen, weil sich die militärische Führung dadurch die Sicherung wichtiger Rohstoffquellen auf dem Balkan versprach.
Als Besatzungsmacht traten die deutschen Truppen in Albanien aber erst von 1943 bis 1944 auf, nachdem die Italiener kaum noch handlungsfähig waren. Neben den Truppen der Alliierten waren es vor allem Partisanen, die Widerstand leisteten und unter diesen taten sich besonders die Kommunisten hervor. Deshalb war es nicht überraschend, dass diese im Jahr 1946 die Volksrepublik Albanien unter der Führung Enver Hoxhas ausriefen.
Abb. 5 Sveti Naum. Das Kloster aus dem 9. Jh. wurde im Jahr 1925 vom damaligen König Zogu I. an das Königreich Jugoslawien abgetreten.
Mochte die Sowjetunion hier anfangs einen Sieg der Revolution und ihren Einfluss gefestigt sehen, so wurden dessen Führer schnell enttäuscht. Albanien ging einen Sonderweg und trennte sich schnell vom großen Bruder. Auch China versuchte, in Albanien Fuß zu fassen, scheiterte aber ebenso an den politischen Vorstellungen des Regimes. Auf chinesischen Einfluss lässt sich wohl die Atheismus-Kampagne der 1960er-Jahre zurückführen, die großen kulturellen Schaden anrichtete.
Die Politik Hoxhas isolierte das Land, sodass es politisch und wirtschaftlich ins Abseits geriet. Ein Politikwandel war erst nach dem Tode des kommunistischen Diktators im Jahre 1985 möglich. Der Übergang zur Demokratie war mühsam und gefährlich, weil nicht nur die Politiker unerfahren waren, sondern auch die normalen Menschen.
Was in „gefestigten Gesellschaften“ vielleicht nur als Randnotiz gesehen worden wäre, sollte in Albanien zur Unruhen führen. Bereits Anfang der 1990er-Jahre wurden Investments zweifelhafter Natur angeboten, bei denen Rendite bis zu 120 Prozent versprochen wurden. Fast jeder, der auch nur etwas Geld übrig hatte, investierte darin, bis das System 1995 / 6 zusammenbrach. Es brachen bürgerkriegsähnliche Unruhen aus, die erst durch den Einsatz internationaler Friedenstruppen beendet werden konnten und so Rahmenbedingungen für eine richtige Demokratisierung geschaffen wurden.
Heute stellt sich das Land – inzwischen auch Mitglied der Nato – als gefestigt und sicher dar.
Literatur
O. J. Schmitt, Die Albaner. Eine Geschichte zwischen Orient und Okzident (2012); M. Zahrnt, Die Römer im Land Alexanders des Großen (2010); M. Sanader, Dalmatia (2009) S. 23−29; E. Hösch, Geschichte des Balkans (2007); R. Ndarurinze, Albanien entdecken. Auf den Spuren Skanderbegs 2(2008); H. Rickert, Einleitung in die Geschichte der Albaner (2006).