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Kapitel 3 - Herzenswünsche

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Nachdem die beiden Georgs am frühen Morgen mit dem Fuhrwerk zum Markt nach Salza aufgebrochen waren, gesellte sich Griseldis zu ihrer Schwägerin. Die Säuglinge waren versorgt und schliefen in der Wiege nebenan. Lena, die Tochter des Tuchmachers Michael, hatte kurz nach Sonnenaufgang die Stelle im Hause der Fuhrleute angetreten. Sie war gerade dabei, das Geschirr vom Frühstück abzuwaschen und wieder in den Eichenschrank einzuräumen. Griseldis beobachtete die junge Magd und dachte darüber nach, dass Lena auch ihre Tochter hätte sein können, wenn sie gleich in der Hochzeitsnacht ein Kind empfangen hätte.

Seufzend unterbrach sie diese Gedanken, denn sie wusste, wo sie hinführen würden. Sie trank den Becher Dünnbier aus und wandte sich schon zum Gehen, als Agnes sie bat, doch nach ihren Einkäufen noch einmal vorbeizukommen.

»Lena und ich bereiten das Mittagessen zu und dann kannst du mir die Neuigkeiten erzählen, die du auf dem Markt erfährst. In der kommenden Zeit werde ich die Magd zum Einkaufen schicken müssen, denn Konrad weint ständig. Er ist ein kleiner Nimmersatt und verlangt ununterbrochen nach der Brust.«

Wie der Vater – so der Sohn vollendete sie den Satz in Gedanken. Die zwei Frauen blickten sich gegenseitig in die Gesichter und wussten auch ohne Worte, dass sie beide gerade genau dasselbe gedacht hatten. Griseldis prustete los und war noch am Lachen, als sie das Haus ihres Bruders verlies.

Auf dem Krautmarkt angekommen, ging sie zunächst an den Bäckerstand. Anna, Agnes älteste Schwester, war gerade dabei, einen Gassenjungen zu beschimpfen. Der war aber schon zwischen den anderen Marktständen verschwunden und lies sich das gestohlene Brötchen schmecken. Mit wutrotem und verzerrtem Gesicht schimpfte Anna weiter vor sich hin.

»Diese Hungerleider sollen vor der Kirche um Almosen betteln und nicht hart arbeitende Bürger um ihren wohl verdienten Lohn bringen. Das ist schon der zweite Diebstahl auf dem heutigen Markt. Die feinen Herren von der Burg hatten sich aber nur lustig gemacht, anstatt rigoros durchzugreifen und die Diebe gefangen zu setzen.«

Als die Fuhrmannsfrau zustimmend nickte, hatte sich Anna so weit wieder beruhigt, dass sie auf Griseldis Fragen nach Neuigkeiten antworten konnte.

»Also der Gürtler war in der letzten Woche aus Eschwege zurückgekommen. Er hat erzählt, dass der Dorfpfarrer aus Eschwege in Marburg vor einem Kirchengericht bestätigt hatte, dass seine kleine Tochter Adelheid im vergangenen Jahr am Grab der Elisabeth von Thüringen eine Wunderheilung erfahren habe. Sie hatte nach einer schweren Krankheit nicht mehr gehen können, und wurde von ihrer Mutter und acht Nachbarsfrauen mit einem Handkarren nach Marburg gefahren. Am Grab unserer Landgräfin konnte sie plötzlich wieder gekrümmt an Krücken laufen und nach der Heimkehr wurde sie wieder völlig gesund. Das alles hatte sich schon letztes Osterfest zugetragen. Seit dem Neujahrstag diesen Jahres wurde verkündet, dass jeder, der ein Wunder am Grab der Elisabeth von Thüringen erfahren habe, zum ausführlichen Verhör vorsprechen solle. Es würde mich gar nicht wundern, wenn die verblichene Landgräfin, die so viel Gutes getan hat, heiliggesprochen werden würde.«

Griseldis konnte ihr nur zustimmen. Auch ihr Mann Georg hatte bei seinen Reisen durch Thüringen und das weitere Umland von dem einen oder anderen Wunder gehört. Wenn ihr doch nur selbst eines widerfahren würde. Sie würde alles dafür geben, endlich ein Kind in den Armen zu halten. Sie beantwortete Anna noch die Fragen über ihren neu geborenen Neffen Konrad. Von den Ereignissen des letzten Tages erzählte sie Anna aber nicht. Innerlich freute sie sich sogar, dass sie ein Geheimnis einmal früher erfahren hatte, als die immer alles wissende Bäckerstochter. Sie fragte sich in Gedanken auch, wie Agnes ihrer Schwester die Anwesenheit der kleinen Antonia erklären würde, denn Agnes hatte ihr am Morgen beim Frühstück von den Wünschen des Komturs berichtet. Nachdem sie einen frischen Laib Brot und zwei Fleischpasteten bezahlt hatte, verabschiedete sie sich von Anna und machte sich auf den Weg zu der alten Josepha.

In der Vorstadt St. Georgii angekommen, fragte sie ein Mädchen nach dem Weg. Sie war überrascht, als sie sich vor einer kleinen, mit Stroh gedeckten Hütte mit einem ordentlichen Kräutergarten davor wiederfand. Sie hatte eigentlich mit einer düsteren Kate mit Schlangen, Fledermäusen und anderem ekligen Getier gerechnet.

Die Alte öffnete ihr freundlich die Tür und bat sie in die warme Wohnstube. Josepha nahm Griseldis den Umhang ab und fragte nach dem Grund des Besuches.

»Mein Mann und ich sind jetzt schon sieben Jahre verheiratet und ich bin noch nicht einmal schwanger geworden. Da du meiner Schwägerin Agnes während ihrer Schwangerschaft beigestanden hast, hatte ich gehofft, dass du vielleicht auch für mich ein Kräutlein wüsstest, dass ich endlich ein Kind empfangen kann.«

Mit Tränen in den Augen schaute sie flehend zu der Alten. Beschämt beantwortete sie deren Fragen, obwohl sie nicht wusste, was ihr Monatsfluss damit zu tun habe.

Josepha wollte so intime Auskünfte von der jungen Frau, dass Griseldis sich bald fragte, ob es nicht doch ein Fehler war, hierhergekommen zu sein. Entrüstet sprang sie auf, als die Alte nach Details ihres Liebesaktes fragte. Hochrot und wütend war sie bereits dabei, die Hütte zu verlassen, aber Josepha ermahnte sie, sich wieder hinzusetzen.

»Ich weiß, dass die Kirche vorschreibt, wie ein Mann und eine Frau ihr Eheleben gestalten sollen. Manchmal gibt es jedoch Hindernisse im Schoß eines Weibes, die es unmöglich machen, dass es ein Kind empfängt oder austrägt. Es ist wichtig, dass du nicht nur stur auf dem Rücken liegst, wenn dein Gatte den Beischlaf vollziehen will, sondern, dass ihr auch andere Dinge versucht.«

Wortreich erklärte die Alte der immer ruhiger und roter werdenden Griseldis, wie ein Mann sich einer Frau im Bett noch nähern könne.

»Aber so machen es doch nur Tiere und Huren«, antwortete die Fuhrmannsfrau entrüstet.

Josepha lächelte und dachte, wie naiv die junge Frau doch sei. Unbeeindruckt von dem Zwischenruf fuhr sie fort.

»Wichtig ist außerdem, dass du nicht gleich nach dem Beischlaf zur Waschschüssel rennst und dir den Samen deines Gatten wieder wegwischst. Ich gebe Dir noch ein paar Kräuter mit, die du vor allem in den zwei bis drei Wochen nach deinem Monatsfluss trinken sollst. In dieser Zeit solltest du deinen Mann ermutigen, sich dir häufiger zu nähern. Sag ihm auch, dass er sich Zeit nehmen muss, dich vorzubereiten, denn ein lustvoll erregter Schoß nimmt den Samen des Mannes eher auf. Wenn Du alles so machst, wie ich es gesagt habe, wirst du gewiss bald schwanger werden.«

Bevor Griseldis sich verabschiedete, fragte sie die Alte nach ihrem Lohn.

»Gibt mir, was du entbehren kannst, sobald du gesegneten Leibes bist.«

Dankend verließ die junge Frau die Hütte der Kräuterfrau und dachte über deren Ratschläge nach. Wieder einmal mehr bedauerte Griseldis, dass sie die Mutter so früh verloren hatte. Mit ihr hätte sie solche Dinge besprechen können. Sie hätte sie bestimmt auch auf die Pflichten des Weibes in der Hochzeitsnacht vorbereiten können.

In der Nacht vor sieben Jahren hatten die Griseldis und Georg sich nach den Feierlichkeiten in die Schlafkammer zurückgezogen. Der Pfarrer hatte die Schlafstatt gesegnet und war zu den anderen Hochzeitsgästen zurückgekehrt.

Griseldis hatte sich schon seit ihrer Verlobung mit Georg überlegt, wie die Hochzeitsnacht wohl verlaufen würde. Sie hatte sich aber nicht getraut, andere verheiratete Freundinnen dazu zu befragen. So war sie völlig unvorbereitet, als der bereits nackte Georg erwartete, dass sie sich auszog und sich mit zu ihm in das Bett legte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und ihr Hochzeitskleid abgelegt. Danach hatte Sie den Schleier, den sie als verheiratete Frau nun tragen musste, gelüftet und ihr langes rotblondes Haar entflochten. Die Locken umspielten ihre Hüften. Schützend legte sie einige Haarsträhnen über die Brüste und drehte sich wieder zu ihrem Angetrauten um.

Dieser lag auf dem Bett und lächelte seiner jungen Braut aufmunternd zu. Sie legte sich schüchtern neben ihren Mann. Georg fing an, sie zu küssen und die Brüste zu streicheln. Nachdem beide noch etwas Wein getrunken hatten, war Griseldis leicht betrunken und kicherte ständig. Davon angetrieben legte sich Georg auf sie.

Was nun kam, traf sie vollkommen unvorbereitet. Georg drückte ihre Schenkel auseinander und machte sich an ihrem Schoß zu schaffen. Als Griseldis die Beine wieder zusammenschließen wollte, verlor Georg vor Erregung die Beherrschung und drang mit einem Stoß in sie ein.

Sie war zu entsetzt, um zu schreien und fing an zu weinen. Ihr Gatte war ganz verwirrt und versuchte, seine Frau zu trösten. Ihm wurde klar, dass niemand sie über die Pflichten als Ehefrau aufgeklärt hatte. Er streichelte ihr liebevoll über die Haare und murmelte, dass es nur beim ersten Mal so sei und die nächsten Male nicht mehr schmerzen würden.

In der Beziehung hatte er wohl Recht. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr der Geschlechtsakt Freude bereiten könnte, und schon gar nicht auf diese sündhafte Weise, wie ihr die Kräuterfrau vorgeschlagen hatte.

Sie beschloss, sich ihrer Schwägerin anzuvertrauen. Vielleicht hatte sie einen Ratschlag, wie sie sich verhalten solle.

Bei Agnes angelangt, wurde erst einmal kräftig zu Mittag gegessen. Lena und ihre Schwägerin hatten eine Hühnersuppe zubereitet. Die köstlichen Fleischpasteten aßen die beiden Frauen zum Nachtisch.

Agnes hatte die Säuglinge schon vor dem Essen gestillt, und die junge Magd kümmerte sich jetzt um sie. Griseldis erzählte zunächst von den Neuigkeiten, die sie auf dem Markt erfahren hatte. Danach brachte sie vorsichtig die Sprache auf den Besuch bei der alten Josepha. Verwunderte beobachtete sie, dass ihre Schwägerin nicht im Geringsten über die intimen Details schockiert war. Ganz im Gegenteil. Sie lächelte wissend und sorgte damit dafür, dass Griseldis völlig die Fassung verlor und weinte.

Agnes nahm sie in die Arme und versuchte, sie zu beruhigen.

»Die alte Josepha hat sicher Recht. Versuch doch, ihre Ratschläge zu beherzigen. Ich habe das auch getan und sie dir den süßen kleinen Schatz in seiner Wiege an. Es ist traurig, dass du und mein Mann eure Eltern so früh verloren habt. Aber du hast in mir eine Schwester hinzubekommen und ich will dir gern helfen. Wenn du einen Ratschlag brauchst, dann komm zu mir. Was den Beischlaf betrifft, so darf ich dir bestätigen, dass er Spaß machen kann. Vielleicht versuchst du wirklich einmal, deinen Mann nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Lasst euch viel Zeit und versuche, für alles offen zu sein. Du wirst dich wundern. Nach dem, was du mir eben erzählt hast, muss der Geschlechtsakt für dich ja eine Qual sein.«

Griseldis nickte und trocknete die Tränen mit dem Ärmel ihres Kleides.

»Spaß hatte ich bisher nie dabei, es tat meistens einfach nur weh, sodass ich froh war, wenn Georg mich in Ruhe gelassen hat.«

Griseldis war sichtlich erleichtert über das Gespräch mit ihrer Schwägerin. Sie verabschiedete sich und ging nach nebenan in ihr Haus. Dort hatte sie noch den eigenen Haushalt zu führen.

Kopfschüttelnd blieb Agnes zurück. Wieder einmal war sie froh darüber, mit Georg einen zärtlichen und liebevollen Mann geheiratet zu haben, der es verstand, ihr die schönsten Wonnen im Ehebett zu bereiten. Sie waren seit der Hochzeit unzertrennlich gewesen. Vielleicht war die Hochzeitsnacht aber auch so anders verlaufen, weil ihre älteren Schwestern sie darauf vorbereitet hatten. Sie wusste daher um die Begehren der Männer und war in der Nacht nach der Hochzeit nicht überrascht, als ihr Gatte seine Rechte verlangte. Er nahm sich aber viel Zeit für sie und küsste sie an Stellen, an denen sie sich außer zum Waschen nicht einmal selbst berührte. Er war immer darauf bedacht, ihr genauso viel Freude zu bereiten, wie sie ihm. Insgeheim freute sie sich auch schon auf den Tag, an dem sie von der Kirche wieder eingesegnet ihrem Mann zu Diensten sein konnte.

Bis dahin würden aber noch einige Wochen vergehen.

So in Gedanken versunken bemerkte sie gar nicht, dass Lena wieder in die Wohnkammer zurückgekehrt war. Sie fragte ihre Dienstherrin, wobei sie noch helfen könne. Agnes war mit der Arbeit der Magd sehr zufrieden. Gemeinsam buken sie ein Brot für das Abendmahl und tranken danach einen Becher Wasser aus dem Brunnen hinter dem Stall.

Mit dem Tuchmacher hatten sie vereinbart, dass Lena in den ersten Wochen des Dienstes in ihrem Elternhaus schlafen werde. Georg und Agnes hatten beschlossen, im Sommer ein zweites Stockwerk anzubauen. Hier würden sie die Kammern für die Kinder und die Magd einrichten, sodass Lena dann, wie es eigentlich üblich war, im Haus des Dienstherrn wohnen könnte. Sie würde außerdem zweimal im Jahr neue Kleider bekommen und einen Lohn, den sie für die Aussteuer sparen wollte. Nachdem die Bedingungen für alle zur Zufriedenheit ausgehandelt waren, trat Lena die Stelle an und war ganz begierig darauf, den Herrschaften zu gefallen. Sie war froh, eine Anstellung bei so netten, jungen Leuten erhalten zu haben.

Ihre Freundin Mechthild hatte auf der Burg eine Stellung als Küchenhilfe angetreten. Seitdem hatte sie Mechthild nur ein oder zweimal in Begleitung einer dicken Köchin auf dem Krautmarkt gesehen. Gemeinsam hatten sie Einkäufe erledigt und ihre Freundin hatte nicht sehr glücklich ausgesehen.

Lena hatte schon öfters gehört, was über die Burgmannen und deren Gelüste gemunkelt wurde. Sie machten auch vor ehrbaren Mägden nicht halt. Im letzten Sommer hatte eine Dienstmagd den Tod in der Unstrut gesucht. Sie war in einen der Berittenen verliebt und hatte sich ihm hingegeben, ohne mit ihm verheiratet zu sein. Als sie gemerkt hatte, dass sie ein Kind erwartete, hatte der Schuft sich geweigert, bei ihrem Vater um deren Hand anzuhalten. Weil sie ihren Eltern schon genug Schande bereitete, hatte sie den Freitod im Wasser gesucht.

Lena konnte sich noch gut an die einst so lebenslustige, hübsche junge Frau erinnern. Ihr Vater, einer der hiesigen Böttcher, war daraufhin in die Burg gegangen, um beim Burghauptmann vorzusprechen. Er wurde zunächst nicht vorgelassen und blieb allein zurück in seiner Trauer. Später wurde er vom Burgvogt und dem Ritter verspottet, was den Mann noch tiefer in seinem Gram versinken ließ.

Der Tod der jungen Frau hatte wochenlang für Gesprächsstoff auf den Märkten gesorgt.

Lena hoffte, dass ihrer Freundin Mechthild ein solches Schicksal erspart bliebe. Noch einmal mehr freute sie sich über die Anstellung in diesem Haus. Der Fuhrmann Georg galt als anständiger Mann und seine Frau war auch als freundlich bekannt. Sie würde sich alle Mühe geben, den Dienstherren zu gefallen und ihren Eltern keine Schande zu bereiten.

Als die Glocke von St. Marien zur Abendmesse läutete, verabschiedete sie sich von Agnes und lief eilig nach Hause.

Agnes setzte sich an das Herdfeuer und besserte einige Kleidungsstücke aus. Ihr Mann und ihr Schwager waren am Morgen kurz nach Sonnenaufgang in Richtung Salza aufgebrochen. Unterwegs hatten sie beim Tuchmacher und beim Kistenmacher Waren geladen. Sie sollten eigentlich in den Abendstunden die Nachbarstadt erreichen. Wenn alles wie geplant verlief, müssten die beiden am morgigen Abend wieder zurück sein.

Sie freute sich schon darauf, ihren Mann unversehrt in die Arme schließen zu können. Obwohl in der letzten Zeit keine Strauchdiebe ihr Unwesen getrieben hatten, so hatte sie jedes Mal, wenn ihr Gatte eine Fuhre in eine der Nachbarstädte brachte, Angst um ihn. Er wäre nicht der erste Fuhrmann, der unterwegs um die Ladung erleichtert würde. So mancher hatte sein Leben verloren, um sein Hab und Gut und das der Geschäftspartner zu schützen. Gelegentlich hatten sich die Männer schon einem Wagenzug angeschlossen. Das machte das Reisen sicherer, weil dort meistens bewaffnete Reisige den Wagenzug schützten.

Nebenan begann Konrad wieder zu weinen. Seit der letzten Mahlzeit waren kaum zwei Stunden vergangen. Müde legte Agnes das Nähzeug zur Seite und ging in die Schlafkammer. Der Säugling weinte nun herzzerreißend. Auch Antonia war schon wach geworden, blickte aber still aus ihren blauen Augen und nuckelte an den Fäustchen. Die Fuhrmannsfrau stillte ihren Sohn, streichelte ihm über sein Köpfchen und betrachtete ihre kleine Tochter liebevoll. Was für ein liebes Mädchen dachte sie erneut.

Als sie auch Antonia gefüttert hatte und die beiden Kinder in sauberen Windeln wieder in der Wiege schliefen, beschloss sie, ebenfalls schlafen zu gehen. Der Tag war lang gewesen und die Nacht würde wahrscheinlich umso kürzer werden. Sie wollte ihren Mann am morgigen Abend mit einem frischen Brathuhn verwöhnen. Dafür musste sie früh aufstehen. Sie plante, Lena auf den Markt zu schicken, um dort ein Huhn zu kaufen.

Die beiden Fuhrleute hatten gerade Rast gemacht und die Pferde getränkt. Es war später geworden, als sie geplant hatten. Die Sonne wanderte schon langsam Richtung Westen. Sie würden wohl nicht vor der Abendmesse zu Hause sein. Der dünne Georg konnte es kaum erwarten, Agnes von den Neuigkeiten zu erzählen.

Bevor die Fuhrmänner von Salza aus aufgebrochen waren, hatte er darauf bestanden, den hiesigen Ofensetzer aufzusuchen. Der Töpfer auf dem Markt hatte ihm die Adresse gegeben. Der dicke Georg hatte nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Seitdem sein Schwager Vater geworden war, hatte er jeden Tag neue Ideen. Er wollte demnächst damit beginnen, sein Haus um eine Etage zu erweitern und war der Meinung, dafür unbedingt einen dieser neuartigen Kachelöfen zu brauchen. Wenn es stimmte, was der Ofenbauer sagte, so könnte er damit das gesamte Haus heizen und brauchte nicht, wie bisher, im Winter im beheizbaren Gewölbekeller zu wohnen. Das war ein interessanter Gedanke. Vielleicht sollte er mit Griseldis darüber sprechen, sich auch so einen Ofen anzuschaffen.

Der dünne Georg lächelte mit verträumtem Blick in sich hinein. Er freute sich schon darauf, Agnes Gesicht zu sehen, wenn er ihr von seinen Plänen erzählte. Es drängte ihn so sehr nach Hause wie noch nie. In gut drei Stunden würden sie die Stadttore von Mühlhausen passieren. Um die Fahrt nicht weiter zu verzögern, spannte er die Pferde eilig wieder an und sprang auf den Kutschbock.

»Agnes hat bestimmt etwas Gutes zum Abendessen bereitet, wollt ihr nicht zu uns kommen und gemeinsam mit uns essen?«

Der dicke Georg, der jetzt neben seinem Schwager saß, nickte bedächtig. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Vielleicht grillt sie wieder so ein leckeres Brathühnchen, wie so oft, wenn wir von einer unserer Fahrten zurückkommen. Das macht sie besonders gut.«

Das stimmt, dachte der dünne Georg. Er freute sich auch auf das Abendessen, auf Agnes und auf die Kinder. Es war schon seltsam, wie sehr sich sein Leben in den letzten Tagen verändert hatte. Er war noch nie so glücklich und zugleich von Angst erfüllt gewesen. Bisher hatte er sich nur um sich selbst und seine Frau gesorgt. Jetzt gab es da zwei kleine Wesen, die es großzuziehen galt. Ihnen gehörte nun der größte Teil seiner Aufmerksamkeit.

Agnes war gerade dabei, dass Huhn, das Lena auf dem Markt gekauft hatte, zu würzen, als Griseldis nach kurzem Klopfen in die Wohnkammer trat.

»Hab ich mir doch gedacht, dass du ein leckeres Brathuhn zubereitest. Ich habe auch eine Henne auf besorgt und mich gefragt, ob wir nicht zusammen kochen sollten. Wir könnten dann gemeinsam zu Abend essen und noch ein bisschen zusammensitzen. Und vorher habe ich ausreichend Zeit, die Kinder zu herzen.«

»Das ist eine sehr gute Idee. Ich habe Lena gerade in den Keller geschickt, um ein Säckchen Hafermehl für den Pfannkuchenteig zu holen. Dann muss sie eben noch einmal gehen. Gib mir das Federvieh, ich würze es rasch und danach können beide Hühner auf den Spieß. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis dein Neffe hungrig schreit. Letzte Nacht hat er mich vier Mal geweckt.«

Griseldis musterte ihre Schwägerin. Sie sah wirklich müde aus.

»Wie kann ich dir denn helfen? Du siehst aus, als hättest du wochenlang nicht geschlafen.«

»So fühle ich mich auch. Die kleine Antonia ist ganz brav. Aber Konrad raubt mir die letzte Kraft.«

Die beiden Hühner waren nun gewürzt und Agnes steckte sie auf den Spieß. Diesen befestigte sie auf einem dafür vorgesehenen Gestänge über ihrem Herdfeuer.

Lena, die in der Zwischenzeit zum zweiten Mal aus dem Keller zurückgekehrt war, machte sich daran, das Hafermehl mit Wasser und Eiern zu mischen. Danach bereitete sie daraus einen Teig und formte kleine Fladen, die sie in einer Pfanne mit Öl briet. Zwischendurch drehte sie den Spieß über dem Herdfeuer und übergoss die Hühnchen mit Bier, das auf die Ofenglut tropfte und dort zischend verdampfte. Ein wundervoller Geruch durchzog die Kammer.

Ihre Dienstherrin und deren Schwägerin waren in die Schlafkammer gegangen, um die Neugeborenen zu versorgen. Lena hatte nun ganz allein die Aufgabe, sich um das Abendmahl zu kümmern. Sie bestrich die Hühnchen mit Öl. Sie wollte alles richtig machen. In ihrem Elternhaus hatte sie schon oft das Abendessen zubereitet – mit ihrer Mutter, aber auch allein. Sie würde die Dienstherrin nicht enttäuschen.

Die beiden Frauen hatten die Säuglinge versorgt und kamen jede mit einem Kind auf dem Arm zurück in die Wohnkammer. Mit einem Blick hatte sich Agnes überzeugt, dass Lena alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt hatte. Sie lobte das Mädchen und erlaubte ihm, schon vor dem Abendläuten wieder nach Hause zu gehen. Lena strahlte über das ganze Gesicht und machte sich eilig daran, die Hühnchen erneut zu übergießen.

Griseldis hatte sich auf den Schemel gesetzt. Sie hielt Antonia mit beiden Armen, ihr kleines Köpfchen lag in ihren Händen. Mit den Daumen streichelte sie die winzigen Ohren. Sie hatte am gestrigen Tag schon den Entschluss gefasst, alles dafür zu tun, dass sie bald schwanger würde, auch wenn das bedeutete, dass sie sich hierfür zu einer Hure machte.

Agnes hatte sich mit Konrad auf dem Arm neben sie gesetzt. Sie hoffte, dass ihre Schwägerin in nächster Zeit Mutter würde. Obwohl im Moment der Haussegen wieder begradigt war, so glaubte sie, dass die Kinder auf Dauer zwischen ihnen stehen könnten.

Die beiden Fuhrmänner hatten gerade das Erfurter Tor passiert. Sie waren sich einig, dem Tuchmacher und dem Kistner noch heute ihre Gewinne am Verkauf der Waren zu überbringen. Danach wollten sie nach Hause fahren.

Sie bogen an der Blasienkirche rechts ab, fuhren in die Linsengasse und hielten vor der Heimstatt des Kistners, der eben durch die Haustür nach draußen trat.

»Hallo Meister Gerald, wir kommen gerade aus Salza zurück. Du wirst zufrieden sein.«

Der dicke Georg sprang vom Kutschbock, klopfte dem Kistner auf die Schulter und folgte ihm in die Werkstatt.

Der dünne Georg blieb so lange bei den Pferden. Seine Gedanken schweiften abermals ab. Er würde am morgigen Tag mit Meister Mombert sprechen, dem besten Zimmermann am Ort. Die groben Pläne für den Hausumbau hatte er schon aufgezeichnet. Griseldis hatte ihm angeboten, während der Bauarbeiten bei ihnen zu wohnen. Es würde wohl für eine Weile recht beengt werden. Die Skizzen für den Kachelofen hatte er in der Innentasche seines Umhanges. Der Ofenbauer hatte ihm Ratschläge gegeben, die er mit dem Zimmermeister besprechen würde.

Der dicke Georg trat aus der Werkstatt und kam grinsend auf ihn zu.

»Meister Gerald war großzügig und hat uns einen Schilling mehr bezahlt als abgesprochen. Er meinte auch, dass er sehr zufrieden sei und in Zukunft häufiger mit Fuhraufträgen zu uns kommen würde.«

Die beiden Männer kletterten wieder auf den Kutschbock und fuhren in Richtung Wahlgasse. Von hier aus bogen sie nach rechts ein, um schließlich in die Marktgasse zu gelangen.

Der Tuchmacher war gerade dabei, seinen ältesten Sohn zu tadeln. Michi blickte betreten auf die Füße und ließ die Schelte über sich ergehen. Wer weiß, was er diesmal wieder angestellt hatte, dachte der dünne Georg.

Beim letzten Streich hatte er der Nachbarswitwe Hundehaufen vor die Tür gelegt. Sein Pech war, dass er dabei beobachtet worden war. Die Tracht Prügel, die er deswegen von seinem Vater bezogen hatte, hatte dafür gesorgt, dass er tagelang nicht sitzen konnte. Die Witwe Lina war eine der besten Kundinnen des Tuchmachermeisters. Der Junge hatte sich bei ihr in aller Form entschuldigen und zwei Tage für sie arbeiten müssen.

Sie hatte ihren kleinen Knecht die beiden Tage von einem Dienst zum nächsten gescheucht. Am Abend des zweiten Tages jedoch hatte sie dem reuigen Burschen lächelnd gedankt und ihm einen halben Pfennig und eine große duftende Fleischpastete zugesteckt. Damit hatte sie sein Herz gewonnen und Michi übernahm immer wieder kleinere Aufträge für sie.

»Gott zum Gruß, Meister Michel.« Abermals verschwand der dicke Georg mit ihrem Kunden in dessen Haus.

Michi hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich aus dem Staub gemacht. Kurze Zeit später traten die beiden Männer aus Meister Michels Heim.

»Wie macht sich denn meine Lena?«, wollte der Tuchmachermeister wissen.

»Ich kann es dir nicht sagen. Als sie ihre Stelle antrat, sind wir nach Salza aufgebrochen. Aber ich bin mir sicher, dass sie Agnes gute Dienste geleistet hat.«

Im gleichen Moment kam Lena die Marktgasse heruntergelaufen. Sie begrüßte die Fuhrleute höflich und verschwand in ihrem Elternhaus.

Die beiden Georgs verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg nach Hause.

»Heute Abend gibt’s einiges zu feiern. Meister Michel hat angeboten, uns für alle seine Aufträge mit dem Transport zu beauftragen. Dafür zahlt er sehr gut. Auch er hat noch einen Schilling zusätzlich gegeben, als eigentlich vereinbart war. Das war ein gutes Geschäft. Sollten die Dinge weiter so laufen, werde ich wohl ebenso einen dieser neuartigen Öfen kaufen. Meine Frau soll keinen Winter mehr im Keller wohnen müssen. Ich wäre froh, wenn wir nie wieder Angst haben müssten, mit dem offenen Herdfeuer das Haus anzuzünden.«

Entschlossen lenkte der dicke Georg das Fuhrwerk in Richtung Holzgasse.

Dort angekommen spannten sie die Pferde aus und gaben beiden eine zusätzliche Portion Hafer. Griseldis hatte ihren Mann und ihren Bruder mit je einem Becher Dünnbier im Stall begrüßt und ihnen mitgeteilt, dass sie gemeinsam im Hause des dünnen Georg zu Abend essen würden.

Die beiden Fuhrmänner klopften sich den Staub von den Kleidern und wuschen sich die Hände und Gesichter am Brunnen hinter dem Stall.

Gemeinsam traten sie in die Wohnkammer. Der dünne Fuhrmann begrüßte seine Frau mit einem langen Kuss und betrachtete sie stirnrunzelnd. Sie sah müde aus. Aber trotzdem konnte man ihr die Freude über seine Rückkehr deutlich ansehen.

Agnes hatte den Tisch gedeckt und Griseldis nahm die Haferkuchen aus der Pfanne. Der dünne Georg löste die Hühner vom Spieß und zerteilte sie vorsichtig. Sie dufteten köstlich. Sein Schwager, der nach nebenan gelaufen war, kam mit einem großen Krug Wein zurück.

»Der ist für besondere Gelegenheiten. Wir haben zu feiern und da darf ein guter Tropfen nicht fehlen.«

Er setzte sich zu den anderen an den Tisch und goss den Rotwein in die Becher. Gemeinsam stießen sie auf die Zukunft an.

Sie unterhielten sich bis in die Nacht hinein und schmiedeten Pläne zum Ausbau des Hauses. Sie ließen sich die leckeren Brathühner und die Haferpfannkuchen schmecken und genossen den Abend.

Zwischendurch waren die Frauen in die Schlafkammer gegangen, um die Kinder zu versorgen. Nachdem Agnes die beiden gestillt hatte, kehrten die sie mit den Neugeborenen in die Wohnkammer zurück.

»Hier ist jemand, der seinen Vater begrüßen möchte.«

Georg nahm seinen Sohn auf den Arm. Griseldis setzte sich mit der kleinen Antonia neben ihren Mann. Er streichelte dem Mädchen über den Kopf. Sie schloss die Augen und zog Grimassen. Der dicke Georg hatte sichtlich Freude daran.

Nachdem die Säuglinge eingeschlafen waren, legten die Frauen die beiden wieder nebeneinander in die Wiege.

Als sie zurück in die Wohnkammer kamen, diskutierten die Männer eifrig darüber, wie man beim Einbau des neuen Ofens am besten vorgehen sollte.

Agnes war völlig sprachlos gewesen, als ihr Gatte ihr davon erzählt hatte. Wortlos war sie aufgestanden, hatte ihn lange umarmt und vor Freude geweint. Gerührt hatte Griseldis diese Szene mit angesehen und in dem Moment stand auch der Entschluss des dicken Georg fest, solch einen Ofen anzuschaffen.

Als er das verkündete, tat es Griseldis ihrer Schwägerin nach und weinte dicke Freudentränen. Von derartigen Annehmlichkeiten hatte sie nie zu träumen gewagt.

Der Abend war schon weit fortgeschritten. Die Frauen hatten den Tisch abgeräumt und das Geschirr gewaschen. Als der letzte Tropfen des wunderbaren Rotweins getrunken war, verabschiedeten sich Griseldis und ihr Mann. Sie gingen Arm in Arm nach nebenan.

Dort angekommen zündete sie ein Talglicht an und stellte es in die Schlafkammer. Sie war durch den schweren Wein leicht angetrunken.

Georg hatte die Kleider schon bis auf das Untergewand abgelegt und lag seine Frau beobachtend im Ehebett. Auffallend langsam begann Griseldis ihre Kleider abzulegen bis sie vollständig nackt war. Sie entflocht die rotblonden Haare und kämmte die Locken mit einem Holzkamm. Dann goss sie Wasser aus einem Krug in die Waschschüssel und wusch sich von Kopf bis Fuß. Für ihre Brüste ließ sie sich besonders viel Zeit. Georg, der verblüfft und mit glasigen Augen zu seiner Frau schaute, begriff nicht, was denn jetzt hier vor sich ging.

Er entkleidete sich nun auch vollständig und sein Körper reagierte bereits heftig beim bloßen Anblick seiner Frau. Griseldis heftete ihren Blick auf das aufgerichtet Glied ihres Mannes und ging zu ihm hinüber.

Sie drückte ihn auf die Bettstatt und begann ihn zu küssen. Von seinem Keuchen angefeuert massierte sie sein Geschlecht. Georg streichelte den Körper seiner Frau und küsste jeden Zoll ihrer wundervoll weichen Haut.

Dann tat Griseldis etwas, dass sie noch nie getan hatte. Sie setzte sich auf den Schoß ihres Mannes und ließ die Hüfte langsam kreisen. Sie verspürte keinen Schmerz wie sonst und fühlte sich verrucht und glücklich zugleich. Als auch ihr Körper von der Erregung erfasst wurde, bewegte sie sich immer schneller, bis beide gemeinsam den Höhepunkt erreichten.

So etwas Wundervolles hatte die junge Frau noch nie erlebt. Erschöpft legte sie sich auf ihren Mann, der sich die langen rotblonden Locken um die Finger wickelte und glücklich lächelte. Auch er hatte solche Wonnen niemals genossen.

Er fragte sich aber auch, wie und vor allem wann bei Griseldis ein solcher Sinneswandel vonstattengegangen war. Er räusperte sich. Griseldis legte das Kinn auf die Brust ihres Mannes und sah ihm direkt in die Augen.

»Was um alles in der Welt war das denn?«, wollte er wissen.

Griseldis bereits gerötetes Gesicht wurde noch roter.

»Ich bin bei der Kräuterfrau in Altmühlhausen gewesen. Ich dachte, sie hätte vielleicht einige Ratschläge für mich, wie ich schwanger werden könnte. Die Alte hatte doch Agnes beigestanden, schon bei ihrer Fehlgeburt, aber auch während der folgenden Schwangerschaft. Agnes hat mir dazu geraten. Sie hat mir Kräuter für einen Tee gegeben und mir empfohlen, nun ja … andere Dinge auszuprobieren. Ich dachte, es hätte dir gefallen?«

Sie senkte den Blick und war nahe daran zu weinen. Georg griff unter ihr Kinn und zwang sie auf diese Weise, ihn wieder anzusehen.

»Mein Liebes, es war wundervoll. Und wenn die Alte dazu geraten hat, sollten wir auf sie hören. Die Leute erzählen einiges über die weise Frau. Wir hätten schon viel eher ihren Rat einholen sollen. Ich denke auch, dass ich noch ein Fass von diesem köstlichen Rotwein kaufen werde. Er hatte eine besondere Wirkung, von der der Winzer gar nichts erzählt hatte.«

Griseldis glitt von ihrem Mann und legte sich neben ihn. Sie kicherten noch eine ganze Weile und sprachen über ihre Pläne und Wünsche. Es war bereits Morgen, als beide eng umschlungen einschliefen.

In der Wohnkammer des dünnen Georg herrschte schon reges Treiben. Lena hatte aus weißem Mehl ein Brot gebacken. Es verbreitete seinen köstlichen Duft im ganzen Haus. Nun stand die Kleine am Herdfeuer und verrührte Ei und briet Schinkenspeck.

Agnes versorgte die Kinder und Georg war eben im Stall gewesen, um die Tiere zu füttern

Als er wieder hereinkam, lobte er den Fleiß der Dienstmagd.

»Dein Vater hat schon gefragt, ob wir mit deiner Arbeit zufrieden sind. Du machst ihm alle Ehre. Du wirst sicher einmal eine gute Ehefrau abgeben.« Schüchtern bedankte sich Lena für so viel Lob und verteilte Brot, Rührei und Schinkenspeck auf die Teller.

Agnes war in der Zwischenzeit mit beiden Kindern in die Wohnkammer gekommen und hatte die Unterhaltung mit angehört.

»Wollten Deine Schwester und Georg nicht auch zum Frühstück kommen?«

»Ich war eben im Stall und habe bisher keinen Laut aus ihrem Haus gehört.«

Agnes lächelte wissend. »Es war ein langer Abend und sicher auch eine noch längere Nacht.«

Fragend betrachtete der dünne Fuhrmann seine Frau. Ja, es war tatsächlich ein langer und lustiger Abend gewesen, und sie hatten viel Wein getrunken. Er konnte es seinem Schwager nicht verdenken, wenn er sich mit seiner Frau amüsierte. Wäre Agnes im Moment nicht unrein, hätte er es sicher genauso gehalten.

Gemeinsam aßen sie ihr Frühstück. Georg hatte die Wiege der Kinder in die Wohnkammer gerückt, um jede Minute mit ihnen genießen zu können. Sie schliefen beide und zogen im Schlaf abwechselnd Grimassen. Georg konnte den Blick gar nicht von den Säuglingen lösen. Er war wie verzaubert. Er würde den Zimmermeister am Nachmittag aufsuchen und sich noch ein bisschen Zeit für seine Familie nehmen. Die nächste Ladung musste am morgigen Tag nach Eisenach gefahren werden, sodass er den heutigen Tag, so gut es ging, zum Ausruhen nutzen wollte.

Als es klopfte, stand er auf und öffnete für Bruder Jordan die Tür.

»Josepha schickt dir noch einmal Kräuter, die den Milchfluss in Gang halten sollen«, begrüßte dieser auch Agnes freundlich und reichte ihr das kleine Päckchen. Dann fiel sein Blick auf die Säuglinge in der Wiege.

»Sie sind so bezaubernd – ein Geschenk Gottes.«

Agnes ging zur Wiege hinüber, nahm Antonia heraus und legte sie dem Geistlichen in den Arm. Dankbar lächelte er die Fuhrmannsfrau an. Er streichelte der Kleinen über die Stirn und die Händchen.

»Sie hat mein Herz in diese Welt zurückgeholt.«

»Wohl eher gestohlen … », stellte Agnes unumwunden fest.

»Aber ich weiß, was ihr meint. Sie ist ein kleiner Schatz.«

Unruhig, als hätte Konrad bemerkt, dass seine Schwester nicht mehr neben ihm lag, strampelte er mit den Beinchen. Der Mönch legte das Mädchen wieder zu ihrem Ziehbruder. Im selben Moment beruhigte sich der Junge und schlief friedlich weiter.

Bruder Jordan tauschte noch einige Neuigkeiten mit dem Ehepaar aus.

»Man erzählt, dass Kaiser Friedrich II. mit einem Heer auf dem Weg zurück ins Kaiserreich wäre, um gegen seinen von Papst Gregor gebannten Sohn Heinrich und dessen Verbündete zu ziehen. Es werden unruhige Zeiten auf uns zukommen.«

Agnes und Georg tauschten ängstliche Blicke aus. War ihre kleine Familie in Gefahr? Bruder Jordan erriet die Gedanken der beiden und versuchte sie zu zerstreuen.

»Warten wir erst einmal ab. Heinrich hat zwar einige Gefolgsleute um sich geschart, aber ein Teil von ihnen ist für ihre Wankelmütigkeit bekannt. Trotzdem wird es interessant, wie sich diese Entwicklung auf unsere Stadt auswirkt. Heinrich hatte sicherlich eine Anzahl guter und moderner Ideen. Die Städte und deren Bürger in ihrer Macht gegen die Fürsten zu stärken, war ganz bestimmt eine davon und würde unsere Stadt tatsächlich zu einer Freien Reichsstadt erheben. Sein Vater möchte jedoch die alten Verhältnisse beibehalten und bestärkt den Adel. Aber mit einem Krieg vor unseren Toren müssen wir wohl nicht rechnen.«

Georg nickte bedächtig. Er betete zu Gott, dass ihnen ein Krieg erspart bliebe. Ein Krieg brachte immer Hunger, Tod, Seuchen, trauernde Witwen und Waisen. Und immer traf es die Ärmsten am meisten. Aber im Moment half es nur abzuwarten.

»Griseldis hat mir berichtet, dass unsere Landesfürstin Elisabeth heiliggesprochen werden soll. Wisst Ihr etwas darüber?«, fragte Agnes neugierig.

Meistens konnte man nur die Hälfte dessen glauben, was auf dem Markt an Gerüchten aufkam.

»In der Tat war das Verfahren zur Heiligsprechung vor zwei Jahren mit dem Tod des Konrads von Marburg ins Stocken geraten. Aber der Schwager Elisabeths - Konrad von Thüringen - ist im letzten Jahr in den Deutschen Orden, der zum Hüter des Grabes ernannt wurde, eingetreten, und so wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Seitdem kommen die Leute von überall her, um Wunder zu berichten, die mit unserer verblichenen Landesfürstin in Verbindung zu bringen sind. Alle Aufzeichnungen über die Bezeugungen sind Anfang dieses Jahres mit einer Gesandtschaft nach Perugia zu Papst Gregor gebracht worden. Dort entscheidet eine Versammlung aus Erzbischöfen, Prälaten und Bischöfen darüber, ob man Elisabeth von Thüringen in das Heiligenverzeichnis aufnehmen soll.«

»Das ist ja aufregend!«

Agnes war berauscht von dem Gedanken, dass eine Frau wie Elisabeth zu einer Heiligen erklärt werden könnte. Sie würde Griseldis, wenn sie denn heute noch einmal käme, gleich davon erzählen.

Bruder Jordan erhob und verabschiedete sich. Während Georg weiter still seinen Gedanken nachhing, half Agnes Lena dabei, das Mittagsmahl zuzubereiten.

Kurze Zeit später klopfte es abermals und die bereits vor Stunden Erwarteten traten ein. Agnes musterte Griseldis und gab ihr ein Zeichen, ihr in die Schlafkammer zu folgen. Sie nahmen jede eines der Babys und gaben vor, sie versorgen zu wollen.

Agnes setzte sich auf das Bett und betrachtete ihre Schwägerin noch einmal genauer.

Sie hatte ein Funkeln in den Augen und konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Also war alles gut gegangen. Griseldis begann von allein zu erzählen.

»So etwas wie letzte Nacht habe ich noch nie erlebt. Ich hatte wirklich gedacht, dass die Alte nicht wusste, wovon sie sprach. Wenn mir vor dieser Nacht jemand gesagt hätte, dass ich mich nach den Umarmungen meines Mannes sehnen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Und es hat nicht geschmerzt. Das erste Mal in unserer Ehe, dass ich mit Georg zusammen war, ohne dass ich schreckliche Schmerzen und Ekel empfunden habe. Ich werde nach dem Mittag in die Kirche gehen und eine Kerze stiften. Und heute Abend werden wir sicher nicht so lange bleiben können ...«

Sie gluckste in sich hinein und nahm Agnes den kleinen Konrad ab, der sich gerade satt getrunken hatte. Agnes freute sich mit ihrer Schwägerin. So Gott wollte, würden sie auch bald Eltern sein.

Antoniusfeuer

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