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»Ich sitze in meinem Boot, bin wie hypnotisiert vom Anblick der Berge und des Himmels, der sich im Wasser spiegelt. Plötzlich höre ich Flügel schlagen und sehe, wie ein Fischadler sich seine Beute holt.«

HARRISON FORD

Nach den großen Titten sehne ich mich – nach den Grand Tetons. Das ist der Name einer Bergkette im US-Bundesstaat Wyoming, französische Trapper haben ihn sich ausgedacht. Wie Monsterwellen aus Stein sehen diese Hügel aus, goldbraun leuchten sie im Morgenlicht Wenn die Sonne höher steigt, wechselt ihre Farbe zu hellem Grau. An ihren Füßen schlängelt sich der Snake River. Andernorts ist er unscheinbar wie ein Bach, hier aber ganz klar und silbrig blau. Nicht weit entfernt, bei den Shoshone Falls, wird er zu einer Lawine aus Wasser.

Ja, ich habe Heimweh nach den Rocky Mountains. Wir besitzen ein Grundstück am Fluss, bei Jackson Hole am südlichen Ende des Grand-Teton-Nationalparks. Schätzungsweise 500 Hektar, etwa so groß wie der Central Park in New York City. Hohe Wälder, Auen und Wiesen voller sagebrush, das sind kleine, duftende Sträucher mit gelben oder purpurnen Blüten. Das Land gehört eigentlich nicht uns, sondern den Tieren. Herden von Elchen und Wapitis leben auf dem Grundstück. Wenn man vor die Tür tritt, kann es einem passieren, dass ein paar von ihnen »Guten Tag« sagen.

Mehr als zehn Jahre lang habe ich mit meiner Familie hier gelebt, bevor wir wegen unserer beiden Kinder nach New York gingen. Vor vier Jahren zogen wir dorthin, weil unser Sohn Malcolm auf die High-school musste. Wir fliegen nur noch in den Schulferien zurück. Was würde ich dafür geben, wenn ich das ganze Jahr dort verbringen könnte! In meinem Beruf reise ich so viel, da will ich mich ab und zu wirklich zu Hause fühlen. Sogar die harten Winter wären mir egal. Auf unserer Ranch haben wir uns manchmal richtig verbarrikadieren müssen vor dem vielen Schnee. Dafür bekamen wir den ganzen Zyklus der Natur mit. Wir konnten zusehen, wie die jungen Elche geboren wurden und später ihre Geweihe bekamen.

Aber es gibt kein perfektes Leben, auch nicht in den Rocky Mountains. Sogar dieses Stück Land steht unter Belagerung. Die Stadt Jackson boomt und dehnt sich aus. Ich verstehe das, die Gegend ist ein gutes Skigebiet. Häufig kann man nicht über den Marktplatz laufen, weil sich dort Tausende von Touristen drängeln. Wenigstens wurde unser Grundstück zum Naturschutzgebiet erklärt. Das Wild ist seitdem für die Jagd tabu.

Am Jagen wäre ich ohnehin nicht interessiert; ich gehe höchstens mal mit den Kindern angeln. Dann sitze ich im Boot und bin hypnotisiert vom Anblick der Berge und des Himmels, der sich im Wasser spiegelt. Manchmal höre ich plötzlich Flügel schlagen und sehe, wie sich ein Fischadler seine Beute holt.

Ich fliege auch gerne. Vom Flugzeug aus kann ich die atemberaubende Landschaft in ihrer ganzen Schönheit betrachten. Ich besitze eine Cessna, einen Gulfstream-Jet und einen Helikopter. In der Luft werde ich ein neuer Mensch. Ich weiß, das klingt hochgestochen. Was ich meine, ist: Ich bekomme ein neues Verhältnis zu den Dingen. Wenn ich in einem Flugzeug dahingleite – ich fliege oft weite Strecken zwischen den Bundesstaaten –, dann spüre ich die Geschichte dieser Landschaft. Wie sie sich herausgebildet hat, wie Gebirge, Canyons und Vulkankrater entstanden; wo der Mensch eingegriffen, welche Wege er gebaut hat; wie sich Siedlungen und Straßen über das Land legten.

Wyoming war das Herz des Wilden Westens. Manchmal frage ich mich, ob ich, hätte ich damals gelebt, auch einer dieser Pioniere gewesen wäre, die in der Wildnis ihr Glück suchten. Ich glaube, ich hätte nicht die innere Stärke und Energie. Wahrscheinlich, weil mir der ökonomische Druck fehlt, um an die äußersten Grenzen zu gehen. Wenigstens hätte ich mich im Wilden Westen wie ein normaler Mensch gefühlt, nicht wie ein Filmstar. Das ist ein weiterer Grund, warum ich das Fliegen liebe: Wenn ich einen kleinen Provinzflughafen ansteuere und über Funk mit der Flugkontrolle spreche, behandeln mich die Leute nicht als eine so genannte Berühmtheit, sondern nur als einen Piloten in der Maschine.

Manche Journalisten schreiben, ich würde als Pilot dem Abenteuer hinterherhecheln; sie verwechseln mich mit meinen Rollen. In Wirklichkeit meide ich alle Situationen, die gefährlich aussehen. Schon deshalb, weil ich meistens mit meiner Familie fliege. Zweimal kam ich dabei in brenzlige Situationen. Einmal funktionierte die Treibstoffanzeige des Helikopters nicht, das andere Mal wurde ich beim Landen von einer Windbö erwischt. Wenn man so etwas überstanden hat, könnte man über die Vergänglichkeit des Lebens meditieren – ich tue es nicht. Ich denke darüber nach, ob ich etwas falsch gemacht habe und wie ich ein besserer Pilot werden kann.

Ich fürchte mich nicht vor der Natur oder der Gewalt der Elemente – ich kenne sie gut. Ich fürchte mich davor, was wir Menschen mit der Natur anrichten. Sie wird erst gefährlich, wenn wir sie aus dem Gleichgewicht bringen. Ich spende an Umweltschutzorganisationen und versuche auch ein paar Ideen beizusteuern. Natürlich bin ich gleichzeitig Teil des Problems: Unser Haus in New York ist kein Solarhaus, und in Jackson gibt es keine Mülltrennung. Aber am wichtigsten für die Zukunft dieser Welt sind die Kinder. Meine Frau und ich haben sie so erzogen, dass sie viel mehr über Ökologie wissen, als wir das früher taten.

Das Naheliegendste wäre für mich, die Menschen mit einem Film über dieses Thema zu sensibilisieren. Vor Kurzem habe ich es versucht und einen Stoff entwickeln lassen. Doch dann begriff ich, dass das unmöglich ist. Film ist Unterhaltung, man kann keine ernsten Botschaften vermitteln. Wir müssten den Zuschauern einen versöhnlichen Schluss bieten, ein Happy End. Und jeder weiß, dass das nie die Wahrheit ist.

28. SEPTEMBER 2000

AUFGEZEICHNET VON RÜDIGER STURM

FOTO VON ALEXANDER OBST

HARRISON FORD, geboren 1942, durfte als Action-Held in Hollywood-Filmen schon öfter die Welt retten. In seinem letzten Film Cowboys & Aliens half er in der Rolle des Colonel Woodrow Dolarhyde mit, Außerirische wieder von der Erde zu vertreiben.

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