Читать книгу Traumafolge(störung) DISsoziation - Zora Kauz - Страница 10
2 Differentialdiagnosen
ОглавлениеEine Frau erzählte mir, sie habe etwas an ihrem Fahrrad kaputt gemacht. Beim Putzen. Seit dem klickere es. Im Tretlager. Da stimme etwas ganz und gar nicht. So könne sie damit nicht fahren. Es fühle sich unsicher an. Da sei irgendwie was lose. Ich sagte ihr, dass ich leider keine passende Nuss als Kurbelabzieher hätte und auch kein Tretlagerschlüssel.
Hoffnungslos.
Sie musste es wohl in eine Werkstatt bringen, die das richten würden.
Aber sie hatte Glück, denn ich erklärte mich bereit, es mir vorher nochmals anzuschauen. Vielleicht gab es ja eine andere Erklärung für das Problem. Ein solches Geräusch kann auch andere Ursachen haben. Vielleicht. Vielleicht wären dann nämlich andere Lösungswege möglich. Vielleicht.
Es war nicht das Tretlager. Und es war genau genommen auch kein Klickern, sondern ein Streifen. Es streifte unregelmäßig und darum schien es wie ein Klickern. Da war nichts lose. Da war was fest. Da war was fest, was nicht fest sein sollte. Es war Dreck zwischen ihrer Scheibenbremse und den Bremsbelägen, zudem lief die Scheibe nicht parallel durch. Ich baute das Vorderrad aus, nahm die Bremsbeläge raus, machte weg, was nicht da sein sollte, baute es wieder ein und stellte den Bremssattel richtig ein. Kein Klickern mehr.
War doch nicht hoffnungslos.
Uns ist etwas Ähnliches passiert. Uns wurde gesagt, dass etwas ziemlich kaputt sei. Da stimme was nicht. So könnten wir auf jeden Fall nicht rumlaufen. „’ne Schraube locker.“ Zu uns sagten sie: schizophren. Es sei sehr unsicher und kritisch. Sie sähen keine Möglichkeit, uns zu helfen.
Hoffnungslos.
Wir müssten wohl in eine andere Klinik, die das dann richten würden.
Aber wir hatten dort kein Glück. Niemand war bereit, sich das noch mal anzuschauen. Schade, denn die Symptome konnten auch für etwas anderes sprechen. Wir bekamen Medikamente zum Stilllegen einer akuten Psychose. Wir lagen auf einem Bett mit Fixiergurten. Natürlich nur zu unserer Sicherheit. Erniedrigung und Ausgeliefertsein, das kannten einige ja schon. Wir wurden für unzurechnungsfähig erklärt. Die wenigen Worte, die noch gesprochen werden konnten, lächelnd abgenickt. Zudem wirkte ich meist auch noch antriebslos und depressiv. Seltsam eigentlich bei solch hemmenden Medikamenten, wenn ich davon irgendwie „hier gehalten“ wurde. Vielleicht hätte es eine andere Erklärung gegeben. Vielleicht war das Problem gar nicht das Problem. Vielleicht war das Problem ein Zeichen von Prozess. Vielleicht wären andere Lösungswege möglich gewesen.
Vielleicht.
Es war keine Schizophrenie. Und genau genommen war es sogar auch keine Psychose. Es war Dissoziation und Trauma. Und das ist manchmal komplex und scheint wie eine Psychose. Aber da ist nichts Psychotisches. Da ist was Traumatisches. Es sind amnestische Barrieren zwischen einigen von uns. Und da läuft nicht alles ganz parallel in der Spur.
Und auch wenn es mir oft so erscheint, es ist nicht hoffnungslos.