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Exkurs: Erklärung von Introjektion 3 zum Verständnis der Täterintrojekte

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Ich möchte hier der Annahme, dass Menschen mit bisher sogenannten multiplen Persönlichkeiten immer auch psychopathische Mörder sind, begegnen. Wir haben selbst Angst vor uns. Ich weiß nicht, ob es vielen Vielen so geht, aber bei uns ist das ein Thema. Angst vor dem, was passiert, wenn wir, also unser ich, „nicht da“ sind, und besonders vor dem, was passierte, als wir nicht da waren. Es ist eine brutal einschränkende Angst und eine hassende Abwertung, wenn Erinnerungen, Emotionen und erlernte Ansichten ins Bewusstsein gelangen. Darstellungen in Medien, die Menschen mit dissoziativen Störungen verteufeln oder als psychopathisch unzurechnungsfähig zeigen, richten großen Schaden an. In uns, für uns; für uns wegen der daraus entstehenden Vorurteile und dem Unglauben, und in begleitenden oder uns unterstützenden Menschen durch provozierte Angst. Es finden in jedem Entwicklungsprozess Identifikation und Introjektion statt, welche, in der Pubertät meist radikal, revidiert und verändert werden können. Normalerweise ist Identifikation auch eine Möglichkeit, um Rollen auszutesten, Eigenes zu entdecken und spielerisch auszuleben. Schon kleine Kinder imitieren, etwa um den rein kognitiven Faktor zum Spracherwerb zu ergänzen. An verschiedene Kontexte angepasstes Verhalten, Rollenlernen und Identifikation ist also Teil gesunder Differenzierung und Bildung von Selbstanteilen, für die Entwicklung einer eigenen Identität.

Vielleicht erklärt es die Beschreibung der Introjektion als Gegenstück zur Projektion. Etwas, das auch allen passiert und immer wieder sehr konfliktreich wirken kann, wenn wir uns dessen nicht gewahr werden. Die Projektion beschreibt das nach außen legen oder werfen der eigenen Emotionen, Wünsche, Interpretationen, Werte usw. auf andere. Oft grenzt die Empathie daran, wobei wir dann zunächst herausfinden müssen, was wir vom anderen Menschen spüren und was unser Eigenes ist, von dem wir denken, es ist im anderen.

Ebenso ist die Erhaltung von „inneren Kindern“ ein ganz normales Empfinden, welches die allermeisten Menschen haben, insofern sie es zulassen bzw. spüren. Dieses „innere Kind“ ist aber nicht mit kindlichen dissoziierten Anteilen gleichzusetzen, die in ihrem Sein erstarrt sind und z. B., bevor sie aufgeklärt und in das Selbst-System eingeführt werden, nicht wissen, dass sie in einem erwachsenen Körper leben. Jedoch können sowohl „dissoziierte Kinderanteile“ als auch „innere Kinder“ ein Stück weit abgrenzbare Anteile sein. Es gibt jedoch bedeutende Unterschiede zwischen dem, an was sich einzelne von uns erinnern können, als Kind gewesen zu sein, dem „inneren Kind“ und den „kleinen, kindgebliebenen, dissoziierten“ Anteilen. An deren Erfahrungen tragen nämlich auch die, die mit dem Körper gewachsen sind, keine Erinnerung. Kinderanteile haben für sich selbst ein „Ich“, haben keinen Zugang zur Erwachsenenperspektive, können also manches einfach nicht verstehen, weil sie sich nicht weiterentwickelt haben, sie fühlen sich oft (noch) nicht als Teil von uns an, sie sind mir in ihrer Wahrnehmung, in ihrem Verhalten, in ihren Ängsten völlig fremd.

Grundlegend ist zu sagen, dass Täterintrojekte auch als Überlebensmechanismus dienen, da sie uns aus der Machtlosigkeit lösen, weil wir, wenn wir Teil der Tat sind und auch Schuld tragen, nicht hilflos sind. Überleben meine ich total konkret, da uns unser Parasympathikus im Shutdown bis zum Herzstillstand oder einer Atemdepression herunterfahren kann. Zudem hilft es, die Sicht der Täter_innen auf uns zu übernehmen, um der Tat einen Sinn zu verleihen. Wenn wir dann die Täter_innen auch noch verstehen können, ihre Wünsche und Absichten kennen, entsteht sogar eine geglaubte Kontrolle, da wir die Gewalt vorhersehen können bzw. wir zumindest nicht von ihr überrascht oder geschockt werden.

Die Bildung der Täterintrojekte läuft auf mehreren Ebenen ab; sie sind sowohl ein psychologischer Abwehrmechanismus als auch eine neurobiologische Reaktion, u. a. durch die Spiegelneuronen. Allerdings sind diese nicht hauptverantwortlich, legen aber einen Grundstein. So können Spiegelneuronen eine fremde Aktion zwar erkennen und in uns neurologisch dieselbe Aktivierung auslösen, als würden wir es selbst tun, sodass Dinge nachvollziehbar werden, jedoch können sie das Verhalten nicht verstehen oder Emotionen mitempfinden. Dafür haben wir weitaus komplexere Systeme, funktionell zusammengefasst als Theory-of-Mind-Netzwerk4. Die Vehemenz und Brutalität der Täterintrojekte uns selbst gegenüber liegt also an ihrem Ursprung, da sie dieselbe gewaltsame Macht haben wie die Täter_innen damals. Introjektion bedeutet in der Praxis, dass Anteile dafür sorgen, dass wir uns weiterhin bedroht fühlen oder auch sind, und dass wir durch die Schuld, das alles verdient zu haben, anfällig sind für Unterwerfung. Die Wertevorstellungen leben also in uns, sodass wir der auferlegten Rolle treu bleiben (Introjektion) und nicht die äußere Rolle einnehmen (Identifikation), auch wenn es täteridentifizierte Introjekte gibt, die allerdings ihre Gewaltabsichten gegen uns selbst ausleben.

Wie das Allermeiste sind auch unsere beiden Gehirnhälften asymmetrisch aufgebaut. Sie sehen gleich aus, unterscheiden sich aber, da funktionelle Zentren verschieden verteilt sind. Allerdings lassen sich Aufgaben nicht einfach oder absolut zuordnen, denn auch wenn jede Hälfte u. a. durch spezielle Areale auf bestimmte Funktionen spezialisiert ist, sind die Vernetzungen zu komplex und Areale eben nicht bei allen Menschen gleich verteilt. Die linke Gehirnhälfte ist bei den meisten Rechtshändern die sogenannte „dominante“ Hirnhälfte, was bedeutet, dass sie hauptverantwortlich für die Sprachverarbeitung ist. Doch dies ist vielleicht eher Folge, als Ursache der Händigkeit. Auch bei der Mehrzahl der Linkshänder liegen Sprachzentren links. Allerdings ist beim Schreiben jeweils die zur Hand entgegengesetzte Hirnhälfte federführend, da die Körperseiten überkreuzt mit den motorischen und sensorischen Zentren der Gehirnhälften verknüpft sind. So ist die rechte Hirnhälfte für die Verarbeitung von Emotionen sehr bedeutend. Sie entwickelt sich im Kindesalter auch zuerst, aber sie ist nicht völlig isoliert dafür zuständig. Gleichermaßen finden die meisten Sprachvorgänge links statt, aber eben nicht alle. Der Hirnforscher Richard Davidson beschreibt eine Aktivität im linken präfrontalen Cortex (PFC) als bedeutsam für die Dimension der Resilienz, da dieser die Aktivierung der Amygdala mindern kann. Doch ist bspw. in Momenten der kreativen Schöpfung die linke Gehirnhälfte nicht völlig ausgeschaltet. Ebenso sind die Empathie betreffende – obwohl wir viel einfach nicht wissen (können/sollen), weil sich nicht alles an zwischenmenschlichen Energien messen lässt – unterschiedliche Hirnareale aktiv und von Bedeutung5.

Die Intrusionen, also das Einmischen mancher in das Alltagsbewusstsein, kann erst Jahre später kommen, und auch dann lange noch nur als einzelne Zeichen aus dem Vorbewusstsein durch Fantasien, Träume und fremde Gedanken oder Handlungsimpulse. Diese Introjekte sind aber, wie alle Anteile, nicht nur das, womit sie betitelt werden: „Täterintrojekt“. Und auch nicht universell vergleichbar. Sie haben vielleicht einen begrenzten Handlungsbereich und Fähigkeiten, aber sie sind nicht einfach nur ihr Job. Denn wie erwähnt, bedeutet zerbröseln nicht steriles Abpacken und nachher wieder zusammensetzen. Sie entstehen aus gutem Grund und unterscheiden sich in ihren Überzeugungen, ihrem Handeln, auch je nachdem, wie z. B. und von wem die Gewalt ausging. Sie werden von verschiedensten Autor_innen „innere Verfolger“, „Zerstörer“ oder „Bösewichte“ genannt. (Bösewicht finde ich eine hier sehr unpassende Verniedlichung, denn niedlich ist da nichts.) Und wenn ein Anteil, so ein „innerer Verfolger“, als Täterintrojekt eine Unmenge an schrecklichsten und widerwärtigsten Erfahrungen machen musste, sie tragen muss, damit das Selbst-System überleben konnte, ist es in keinster Weise anerkennend, ihn_sie so zu nennen. Obgleich sich ihre_seine Taten und Stimmen so anfühlen/anhören, als wären sie da, um uns zu zerstören, weil das schließlich ihre Aufgabe ist, um uns vor der Auslieferung zu schützen. Sie brauchen ihre brutale Art, um ihre Ängste zu verstecken und um sich „unverletzlich“ zu machen.

Täterintrojekte sind Anteile im System wie alle anderen auch, und obwohl ihre Werte und ihr verwendetes Vokabular verletzend und abstoßend ist und absolut unvereinbar scheint, brauchen sie Akzeptanz und Zuwendung von uns, um als Teil des Systems andere Ansichten kennenlernen zu können, um später vielleicht sogar neue Wege zu finden, wie sie helfen können und nicht als Fremdkörper im Hass leben müssen. „Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will“ (R. M. Rilke).

Falls es doch Impulse gibt, Erfahrenes „zurück in die Welt zu geben“, schützt Empathie vor Gewalttätigkeit. Denn die Wahrnehmung einer eingeschüchterten oder bereits leidenden Person hemmt unsere Aggression instinktiv, zumindest wenn keine sadistischen Normen antrainiert wurden, denn dann wäre genau das das Ziel. Aber diese Anteile kommen nicht versehentlich „nach draußen“ und sind somit nicht als generell gefährlich zu werten, denn sie funktionieren dort, wo es ihnen abverlangt wird und nicht aus eigenem Willen. So wissen wir natürlich von transgenerativer Traumatisierung. Dass also die Gewalt, die Kinder z. B. von ihren Eltern erlebten, sie an ihre Kinder „weitergeben“, weil die Identifikation mit dem Aggressor Teil einer sadistischen Abwehr zum Selbstschutz ist und ein „nach außen Werfen“ des Schmerzes und des Missbrauchs mit sich bringen kann. (Ich werde dieses Thema nicht vertiefen, obwohl mir dessen Komplexität und Bedeutung durchaus bewusst ist und ich diese Wichtigkeit hier anerkennen möchte.) Es können verschiedene Faktoren weichenstellend sein, aber eben nicht zwingend prophezeiend. In diesen Familien herrscht meist seit Generationen eine starke Hierarchie, die Überlegener-Diener-Konstellationen dienen von klein auf als Orientierung, wie die Welt funktioniert. Das bestätigt erneut, dass das Ausgeliefertsein gelernt wird und solchen Realitäten als Unterlegene gelebt wird, nicht andersherum. Gleichermaßen wie die Gewalt können nämlich auch die Traumafolgen, das entstandene Leid, die Veranlagung zur Dissoziation an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. Ganz allgemein besteht die Möglichkeit einer Weitergabe von Affektverarbeitungsmustern. Es ist bislang umstritten, ob es sich um epigenetische Vererbungen oder generationsübergreifende epigenetische Effekte oder neu entstehende epigenetische Gravuren durch elterliche (unbewusste) Ängste, Verhalten und wirkendes Sein handelt. Sicher aber ist, dass die veränderten Ladungen6 an der DNS sowohl unmittelbares „Erbe“ aus unseren eigenen Traumatisierungen als Erfahrungen während der Schwangerschaft oder frühen Kindheit sein können als auch tatsächliche Weitergaben aus der Generation vorher (ob als Erbe, Effekt oder durch Verhalten neu entstanden). Diese Energien bestimmen über unsere biologischen Prozesse und automatisierten Reaktionen. Wir werden sie nicht mehr los, wir tragen Prägungen (unsere und die unserer Eltern, insofern sie nicht umgelenkt wurden) in all unseren Zellen. Dennoch können wir lernen, unterschiedlich damit umzugehen, nicht zuletzt, weil Energie Bewegung ist.

Traumafolge(störung) DISsoziation

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