Читать книгу Traumafolge(störung) DISsoziation - Zora Kauz - Страница 20
5.3 Erinnerungen und Trigger
ОглавлениеLaut Brauns BASK-Modell findet das Erleben von Menschen in nicht dissoziativem Zustand, außerhalb einer traumatischen Situation auf vier Dimensionen statt:
Behaviour (Verhalten): Wie verhält sich wer, und was passiert?
Affects (Affekt): Welche Erregung findet statt, wie ist mein seelischer Zustand?
Sensations (Körperempfindungen): Was sehe, höre, rieche, schmecke, fühle ich? Habe ich Gleichgewicht, vibriert etwas, was spüre ich, wie ist die Temperatur?
Knowledge (Wissen): Was denke ich über die Umweltkonstellation, mich und andere Personen?
(Es gibt Erweiterungen davon bzw. Modelle, welche genauer differenzieren, aber grundlegend geht es immer um diese Bereiche.)
Ein Mensch erinnert sich also an verschiedene Ebenen, wenn er_sie etwas erzählt, weil alle Hirnareale, in denen verschiedene Teile dieser Erinnerung abgespeichert sind, zusammenarbeiten bzw. verknüpft sind. Denn verschiedene Aspekte einer integrierten und dadurch zusammengehörigen, Erinnerung sind in verschiedenen Hirnarealen gespeichert. Eine Erinnerung liegt nicht als ein Bündel an einem Platz im Gedächtnis. Was aber kein Problem ist, solange der Hippocampus den Überblick bei der Sortierung behält. Das sogenannte „Seepferdchen“ (es lässt sich darüber streiten, wie sehr dieses eingerollte Stück Cortex einem Seepferdchen ähnelt) spielt nämlich das Ordnungsamt, wenn es um die Archivierung von Gedächtnisinhalten im Langzeitspeicher geht. Dann weißt du, dass es (dir) passiert ist, und kannst parallel abrufen, was passiert ist, in welchem Kontext, was du gedacht/gefühlt hast, vor allem kannst du selbst daran denken und Dinge gezielt abrufen. Das sind narrative Erinnerungen, die sich verändern und angepasst werden (können), was ohnehin immer mehr oder weniger bewusst passiert, je nachdem, wie es die geht, in welcher Lebensphase du daran denkst, mit wem du Erinnerungen teilst. Narrative Erinnerungen verändern sich mit uns, denn sie werden beim Abrufen rekonstruiert.
Das funktioniert bei dissoziierten Traumaerinnerungen nicht ganz so. Sie werden aktuell, jedes Mal, wenn sie getriggert werden und durch ihre Gegenwärtigkeit verändern sie sich nicht, solange sie nicht integriert sind. Traumatische Erinnerungen bilden durch die Fragmentierung kein Narrativ, sondern bleiben in einzelne Aspekte getrennt. Durch die fehlende Integration und die Hemmung des Hippocampus haben traumatische Erinnerungen keinen Erinnerungscharakter. Wir nehmen sie als akute Empfindung wahr. Tatsächlich reproduziert unser Nervensystem die Reize, wodurch die physischen Empfindungen echt sind. Das, was als Körpergedächtnis bezeichnet wird. Ausgelöst werden solche Intrusionen oder Flashbacks durch Trigger, welche konditionierte Reize darstellen. Jedoch unterscheidet unsere Großhirnrinde, wie in der Konsolidierung von Gedächtnisinhalten, nicht zwischen „echt“ und „reproduziert“. Das erklärt vielleicht auch, weshalb wir, wenn sich Anteile melden/Erinnerungsschnipsel auftauchen, wir nicht direkt in Sympathie zu ihnen stehen, auch wenn es alles für den Weg in Richtung Integration und mehr Halt ist. Auch weil es erst einmal noch weniger Kontrolle ist, weil wir uns der Kontrollverluste gewahr werden, was ein sehr verunsicherndes Chaos schafft, welches sich nicht anfühlt, als wären wir dabei, Selbstbestimmung für unser Leben zu erstreben. Keine Sympathie, weil sie uns schreckliche/eklige/verbotene Emotionen und Schmerzen „(wieder)bringen“, für die es zunächst keinen Grund oder Auslöser gibt. Das sind dann „positive“ dissoziative Symptome, weil etwas addiert wird. Diese Additionen sind die Intrusionen, die Zeichen, die sie uns schicken. Einzelne Aspekte, die Anteile durch die Mauer der Amnesie lassen und sie so ins Bewusstsein kommen. Es war also schon da, nur nicht zugänglich, Intrusionen sind nichts, was nur durch „Fehlmeldungen“ im Gehirn aus dem Nichts halluziniert wird.
Die vier Dimensionen sind also voneinander getrennt. Der Hippocampus war aufgrund der zu hohen Stressbelastung nicht mehr gefragt und Erinnerungen wurden nicht passend beschriftet. So sind Anteile, die in der traumatischen Situation aus Angst entstanden, oft im Moment bzw. Kontext erfroren. Sie sind voller Schmerz oder Gefühl, sind in dem Kontext steckengeblieben. Sie hängen in Dauerschleife dort fest und mit der Integration ist es unsere Aufgabe, sie davon zu entlasten, indem wir verstehen können, was wir all die Jahre nicht wussten. Die dissoziativen Amnesien sind ein Teil dessen, was uns andauernd Kontrolle nimmt. Jedenfalls denke ich oft, auf dem Weg zu erlebter Selbstwirksamkeit alles zu verlieren, weil ich jetzt die Zeitverluste bemerke, was ich früher nicht tat, und nie mit Sicherheit sagen kann, was wir getan haben oder was in den nächsten Minuten mit uns passieren wird. Ebenso verunsichernd ist der Verlust von dem, was ich dachte, es sei unsere Geschichte. Das Bemerken von all diesen Lücken, von den verzerrten Erinnerungen. Unsere Biografie ist ein Buch, in dem unzählige Seiten verändert, überklebt oder herausgerissen wurden, von deren Verlust wir jedoch nie wussten. Wir haben das Vergessen vergessen, damit der Schutz des Vergessens funktionieren kann. Wobei vergessen bedeutet, das Wissen mit einem anderen Anteil als Träger_in der Erinnerung abzuspalten, also ist „vergessen“ hier eigentlich nicht das richtige Wort. Um etwas zu vergessen, müssten wir es schon mal gewusst haben. Solange es kein Co-Bewusstsein und kein Mehr an Integration anderer Persönlichkeitsanteile gibt, liegen auch heute die Zeiten zwischen den Switches, wenn andere Anteile „draußen“ sind, hinter amnestischen Barrieren. So gänzlich vergessen, als dass es „nie passiert“ ist, können wir jedoch gar nicht, oder zumindest nur kognitiv. Dafür ist unser Körper viel zu schlau, denn auch all das, was unseren Kopf überlasten würde, bleibt in der Peripherie gespeichert. Wir lernen mit jeder Erfahrung, auch wenn unser Verstand das nie begreifen kann.
Wenn wir auch Stück für Stück mehr wissen, ist es lange keine wirkliche „Geschichte“, die wir erzählen können, da wir nur einzelne Aspekte, einzelne Teile von verschiedenen Ebenen kennen. Das, was zurückkommt, ist oft erst mal kein beschreibbares Bild, sondern einzelne Empfindungen oder kleine Teile eines Bildes, wie ein Blick in ein Kaleidoskop. Es dauert eine Ewigkeit, in der einzelne Fetzen in unser Bewusstsein gelangen und wir endlich so etwas wie klare Momente oder Zusammenhänge erkennen. Zudem ist alles nur selten absichtlich hervorzurufen, sondern kommt halt, wenn es getriggert wird, und Trigger fragen nicht, ob es gerade passt.
Wenn ich Dinge nicht weiß, mir Informationen fehlen oder ich mich frage, wie wir dies und das auf die Reihe bekommen haben, warum jenes (doch) geklappt hat, dann komme ich meist relativ schnell auf die Lösung, dass das am Viele-Sein liegt. Dissoziation kenne ich, wage ich sogar zu behaupten, einen Teil davon verstanden zu haben. Aber wenn ich jetzt plötzlich Dinge weiß, die ich eigentlich nicht wissen kann, wenn ich nicht weiß wohin, nicht wo wir sind, nicht wo oben und unten ist und mir plötzlich wer eine Karte hinhält und Orientierung gibt, die ich eigentlich nicht habe, dann ist das oft noch verunsichernd. Für mich. Ich weiß, dass es anderen anders geht. Denn die Lösung des Rätsels ist dieselbe. Jedoch ist das Bewusstsein dafür, dass wir sehr wohl zusammen funktionieren, dass wir, auch dann, wenn wir es nicht wissen, zusammen handeln, fühlen, denken, dass wir immer mitbeeinflusst werden, von den anderen, dass wir zusammen sind, nur zusammen existieren, sehr viel neuer und scheint undurchsichtiger und fragiler, als die bekannte, schwarze Fremde.
Trotz des vielem dichten Nebel, zeigen sich die gegenwärtig essentiellen Themen. Sie strecken ihre Pranken nach mir, zeigen sich in Schmerzen und anderen plötzlichen, „unerklärlichen“ Körperempfindungen, sie verfolgen mich mit kreischenden Albträumen, um mir Zeichen zu schicken. Erst pickst mich eine einzelne Krallenspitze, wenn ich diese kennenlerne und mich ihr zuwende, kann ich ihre Kratzer spüren. Nachts erwache ich aus panischem Schmerz und es zeigen sich ganze Risse. Dann bekommt sie mehr und mehr Kraft und auf einmal greift die ganze Kralle nach mir. Sie zerfetzt mich in der Luft, Wunden reißen auf, von denen ich nichts wusste, für deren Entstehung ich keinerlei Erklärung habe, weil ich mich an die Verletzungen nicht erinnere.
Trigger sind Zeichen für das, was sich hinter dissoziativen Barrieren befindet. Für Dinge, die jetzt dran sind, angeschaut und verarbeitet zu werden, Altlasten, die integriert werden wollen. Eigentlich zeigen sie nur eine Bedrohung an, sind Auslöse-Reize und wollen uns nicht quälen, indem sie uns zurück in den Schrecken des Dort-und-Dann katapultieren, noch bevor wir überhaupt einen rationalen Gedanken fassen können. Aber das ist nun mal ein Teil des Weges zu mehr Integration. Wenn wir welche kennenlernen, vermeiden wir sie zunächst meistens. Koste es, was es wolle. Wir halten das nicht aus, wir wollen nicht völlig verstört sein, Hauptsache unser Organismus wird nicht zum panischen Ekelpaket. Wir vermeiden sie lieber, weil sie uns in Zustände bringen, die wir uns nicht ausgesucht haben, die wir abscheulich finden, und wenn wir auf ihre Zeichen hören, nehmen sie uns am Ende noch alle Argumente zur Verleugnung. So sind viele Reize überfordernd, die andere gar nicht wahrnehmen, auch wenn bei uns (Außen)Wahrnehmung manchmal sehr eingeschränkt oder nur auf einen bestimmten Fokus gerichtet ist. Viele Reize sind für mich in ihrer Masse einfach „zu viel“, überlasten unser Nervensystem, aktivieren Überforderung und dann traumatische Ohnmacht, und dann ist es völlig vorbei. Und viele Reize, einzelne, die ganz subtil sein können, für Außenstehende kaum oder nicht wahrnehmbar, sind für uns Trigger, können Flashbacks, Wechsel, Panik auslösen.
Ich frage mich manchmal, wie wir eigentlich alles andere noch hinbekommen, wenn wir ständig und unaufhörlich vom Angst-Terror verfolgt und beeinträchtigt werden. (Damit es doch funktioniert, sind wir eben viele.) Aber niemand, wirklich niemand kann an unserem hochaktiven limbischen System etwas ändern, wenn wir es nicht versuchen. Es ist schrecklich, wenn jemand mitbekommt, dass wir getriggert wurden, weil wir uns schämen. Hier ist sie wieder. Die Scham. Weil wir so „übertrieben schreckhaft“ sind. Aber da ist nichts übertrieben, das ergibt alles viel Sinn, bleibt aktuell, weil es noch nicht bearbeitet und richtig einsortiert ist. „Sobald man sich in Gefahr befindet, reagiert man schon. Die Evolution denkt für dich“ (Joseph LeDoux).
Ja, danke Evolution. Kannst jetzt wieder aufhören. Die Amygdala, ist durch eine Nervenverbindung u. a. auch am motorischen System angeschlossen. Super, wenn wir bedroht werden. Blöd, weil die Evolution keinen Kalender dabei hat, um zu bemerken, dass die Angstreaktion ein bisschen spät kommt bzw. langsam Feierabend hat. Wir schämen uns, weil das doch kein Trigger sein kann. Weil wir uns nicht „zusammenreißen“ können, weil wir Anteile abstoßen und nicht haben wollen. Ich fasse mal kurz zusammen, was ein potentieller Trigger ist:
Alles.
Es gibt keinen lächerlichen Trigger. Ein Geruch, ein Wort, ein Geräusch, eine bestimmte Bewegung, die wir sehen, oder auch das Gefühl davon, bestimmte Berührungen, eine Umweltkonstellation, bestimmte Orte, Gegenstände, spezielle Klamotten, Farben – alles. Alles, weil die Dimensionen und Ebenen der Erinnerungen zerfetzt sind und es nur einen kleinen Teil geben muss, um auszulösen. Es geht nicht um den Auslöser, es geht um das, was ausgelöst wird. Unser Gehirn greift sich nur etwas, dass es greifen kann, da reicht ein kleiner Fetzen aus dem Puzzle, der aus dem Nebel ragt und mit dem Trauma assoziiert ist. Das, was schlimm ist, ist das, was von uns als Hier-und-Jetzt erlebt wird. An einer Pistole ist auch nicht der Auslöser, Englisch: Trigger, das Problem. Das ist nur ein Metall- oder Plastikstück. Das Schreckliche ist, was durch das Auslösen passiert.
Heutzutage steht oft irgendwo „Trigger-Warnung“. Ich bin dann immer ganz gespannt, was nun kommt, weil diese „Warnung“ suggeriert, dass gewusst wird, was triggert. Das finde ich schon mal interessant. Natürlich mag es „große Trigger-Situationen“ geben, die auch Außenstehende als solche identifizieren können, weil sie vermutlich sehr viele von uns triggern. Aber es ist und bleibt individuell. Natürlich gibt es Inhalte und Worte, die belasten können, aber ich unterscheide die allgemein verwendete Bedeutung von Triggern, die sich meist auf belastende Erinnerungen beziehen, von der des „echtes Zurückwerfens/Auslösens“.
Triggern bedeutet eben auslösen. Ausgelöst werden kann neben belastendem Material auch die körperliche Kettenreaktion bei Todesangst, daran gekoppelte Wechsel oder einzelne somatische Symptome. Es gibt oft zahlreiche Trigger, die wir (lange) gar nicht kennen können, da im Falle von chronischer Traumatisierung sich die Anzahl von verschiedenen Reizsituationen multipliziert. (Tageszeit, Ort, Klamotten/Geruch/Zustand der Täter_innen, weitere äußere und innere Faktoren und was sonst ein Trigger sein kann, siehe oben). Wenn schon eine gewisse Nuance in einem Geruch oder auch eine Form, die z. B. als Muster auf der Kleidung war, ein Trigger sein kann, ist offensichtlich, wie endlos viele es sein könnten, auch welche, die wir nie bewusst benennen werden können. Was diese „Warnungen“ meinen, sind meist Gewaltthemen, auch wenn Definitionen von Gewalt sehr unterschiedlich ausfallen. Es geht darum, dass Missbrauch besprochen oder Vernachlässigung diskutiert wird. Themen, die allgemein vermutlich schwer auszuhalten sind, die zudem oft als Tabu gelten, wodurch sich nichts an der Problematik oder der Belastung bessert. Diesen Warnungen ermöglichen die Entscheidung, ob wir weiterlesen oder -hören oder nicht. Das ist natürlich kein Fehler, denn belastende Erinnerungen können Scham und Machtlosigkeit hochholen und uns in einen Schmerz-Strudel ziehen. Zumindest, wenn die dissoziative Symptomatik nicht ganz so komplex ist. Denn dann ist der Bezug zu uns selbst und oder eine allgemein schmerzhafte emotionale Berührtheit meist dissoziiert. Es gibt immer welche, die auf eine solche Thematik relativ unberührt reagieren, abgesehen davon, was währenddessen innen passiert. Einerseits wenig erschüttert, weil diese Themen zu unserem Alltag gehören, in der Praxis hoffentlich gehörten. Doch sie sind eben Teil unserer Geschichte und durch die Folgen immer noch präsent. So ist vieles, was andere in ihrer Heile-Welt-Blase zutiefst schockiert, einfach unsere Lebensrealität. Andererseits „ist mir ja nie etwas passiert“ (nur irgendwelchen Anteilen, die mir fremd sind, deren Erfahrungen ich nicht teile und sie darum nichts mit mit zu tun haben) und uns durch diese Vermeidung/Unwissen der ganze Themenbereich emotional wenig angreift, weil Gefühle dazu von anderen getragen werden. Wenn schon was integriert ist, dann ist es trotzdem „nur“ eine belastende Erinnerung, unser Front-Denker-Hirn bleibt aktiv und wir können die Rationalität nutzen, um nicht dissoziieren zu müssen, und sind dann auch in einer Verfassung, in der wir wissen, dass wir unsere Emotionen überleben können. Allerdings gibt es eben einen Großteil an Triggern, die wir nicht kennen und die wirklich auslösen, auslösen im Bruchteil einer Sekunde. Sie schlagen einen und wirken ganz außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung, wir können sie nicht benennen. Sie aktivieren die physiologische Kettenreaktion von fight-flight-freeze-submit, unser Sympathikus fährt hoch oder der primitive Vagus schaltet uns aus. Die entsprechend gebildeten neuronalen Netzwerke, also Anteile, werden aktiviert, auch wenn sie nicht gleich „nach vorne“ treten. Wir können nichts tun, außer es zu bemerken und danach unser Nervensystem wieder zu beruhigen bzw. wieder auf der Erde zu landen.
Wenn wir bemerken, dass wir getriggert wurden, haben wir schon einen riesigen Teil geschafft. Wir haben den Körper wahrgenommen, sind nicht dissoziiert, obwohl der Alarm da war. Dann können wir, wenn wir wieder tief atmen, rational dazu erkennen, „sicher“ zu sein, können dann bewusst gegensteuern und den Alarmzustand regulieren lernen. Für uns ist das Front-Denker-Hirn aktiv zu halten viel anstrengender und aufwendiger, da wir das erst lernen müssen. Es kann sein, dass diese „Trigger-Warnungen“ für traumatisierte Menschen mit weniger ausgeprägter dissoziativer Symptomatik anders bzw. sinnvoller sind, weil ihre (ggf. teil-dissoziierten) Anteile viel mehr vom Sympathikus geprägt oder die Barrieren nicht so standhaft/undurchsichtig sind und der primitive Teil des Parasympathikus nicht so viel zu tun hat. Da geht es dann immer eher in fight-flight, als in freeze-submit. Ich will mich also nicht generell gegen Trigger-Warnungen aussprechen, aber anzunehmen, dass allgemein bekannt ist, was triggert, ist einfach falsch. Selbst wenn wir einige kennen(lernen), können nicht davon ausgehen, vor Triggern „sicher“ zu sein.
Dem obigen entsprechend, können einige mit solchen Diskussionen, egal welche Begriffe verwendet werden, sehr gut umgehen bzw. in solchen Debatten auch mitdenken, jedoch hauen mich manche scheinbar undramatische Alltagsgegenstände raus.
Auf die belastenden Erinnerungen, die ausgelöst werden, können wir uns viel besser vorbereiten, weil sie bewusst passieren. Sie sind integriert und als Erinnerung erkennbar. Wir können rational damit umgehen, weil wir sie ggf. sogar in Worte fassen können und wissen, was es schwer macht. Somit können wir auch ihre Bedeutung verändern und kognitiv damit arbeiten. Es braucht ständiges Üben und die Bereitschaft, sich das anzuschauen, aber wir können sie verändern. Wir können auch lernen, „echte Trigger“ auszuhalten, wenn wir es mehr und mehr oder immer wieder zunächst schaffen, die ständige Alarmbereitschaft und Daueranspannung unseres Nervensystems zu verändern und unsere Einstellung zu Triggern zu ändern: Von der Überzeugung, dass wir schrecklich sind, weil wir getriggert werden, dies also nicht passieren darf, womit wir noch angespannter werden und es so unglaublich furchtbar ist, dass wir glauben es nicht überleben, hin zu der Auffassung, dass es zwar unglaublich furchtbar ist, ja, aber wegen dem was war und nicht, weil wir sind. Wir können es überleben, denn wir überleben es ständig. Die ganze Zeit, all der Angst-Terror, wir überleben ihn ja. Vieles ist möglich, weil unser Hirn sehr plastisch ist. Wir können unsere Stresstoleranz vergrößern und mit viel Erdung andere Wege finden, um nicht immer dissoziieren zu müssen, was eine Voraussetzung für die Trauma-Konfrontation ist. Und mit Voraussetzung meine ich tatsächlich Voraussetzung, nicht: „Wäre schön, wenn wir das vorher können, aber wenn das zu lange dauert, kommt halt doch dann die Exposition.“ Denn die „Erinnerungs-Trigger“ einfach auszuhalten und sich dem auftürmenden Leid zu stellen, um zu bemerken, dass nichts Schlimmes passiert, ist wenig hilfreich, weil sich dadurch die Bedeutung nicht verändert und wir in diesem Fall wissen, dass es ja „nur“ eine Erinnerung ist. Schlimmer ist es allerdings mit übereilten „Expositionen“ der Ängste vor dissoziierten Erinnerungen (welche ohnehin als klassische Expositionen völlig am Ziel vorbeischießen). Wenn wir nicht bereit sind, das Erleben zu integrieren, welches in der Auflösung der Dissoziation gleich schrecklich ist wie die Ursprungssituation, führt dies zu einer Retraumatisierung und die strukturelle Dissoziation wird nur verstärkt bzw. weitergeführt und die Angst voreinander vergrößert sich. Es wird also gar nichts integriert. Wir müssen bereit sein, was auch bedeutet, die Angst vor Gefühlen, Bedürfnissen, Gedanken und uns gegenseitig vermindert zu haben, uns zu trauen, auf Entwicklung zu vertrauen/uns diese erlauben, und uns die Fähigkeit erarbeitet zu haben, präsent zu sein. Unser Hier-und-Jetzt, innen und außen wahrnehmen und gleichzeitig das vergangene Erleben erinnern, zudem als das unsere begreifen, ohne allerdings von diesem überfordert zu werden. Das klingt vielleicht normal, wenn sich eine Person an etwas erinnert, aber das ist eine verdammt extreme Leistung und erfordert viel Training, Akzeptanz, Bereitschaft und einen unglaublich starken Mut als Voraussetzung.