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VORWORT
ОглавлениеEine meine ersten Aufgaben in der Redaktion der ZEIT bestand darin, Kollegen danach zu fragen, wann sie hochprozentigen Alkohol tranken und vor allem: warum. Warum genau? Das Ziel war nicht etwa, subtil für die Gefahren des Alkoholismus zu sensibilisieren. Die Theorie, auf der unsere kleine Rubrik „Drinks für jede Lebenslage“ fußte, ging davon aus, dass Menschen bestimmte Getränke in ganz bestimmten Momenten ihres Lebens genossen und dass es interessant sein würde und inspirierend, wenn sie uns in kleinen Texten von diesen Momenten erzählten.
Die Rubrik, wir sprachen bald nur noch vom „Drink“ (Haben wir schon einen „Drink“ für die nächste Ausgabe?), war vor meiner Ankunft in der Redaktion der ZEIT liebevoll entwickelt worden, von der besonderen Liebe, die in die ersten Texte geflossen war, zeugte immer noch eine Flasche The Singleton of Dufftown Sunray im Besitz eines Kollegen, der diesen Scotch zum Zwecke der „kultivierten Leistungsverweigerung“ nach dem Mittagessen trank (oder davor), wie er in einer Art Pilotfolge für die Rubrik geschrieben hatte. Es sei sein passiver Widerstand gegen die Lustfeindlichkeit. Aus Gründen, die sich nicht mehr exakt rekonstruieren lassen, ist dieser programmatische Text nie erschienen.
Whiskey im Büro, da gab es zwar die eine oder andere Legende aus der ferneren Vergangenheit der ZEIT. Aber irgendwie schien das nicht mehr so recht zu passen. Auch erfahrene Kollegen, die ich später für die Rubrik zu gewinnen versuchte, winkten schnell ab. Er sei nun wahrlich kein „Profi-Trinker“, schrieb mir einer. Ein anderer bot an, die Frage bei Gelegenheit bei einem Kaffee zu erörtern.
Es heißt, die „Drinks für jede Lebenslage“ hätten sich zwei Redakteurinnen der ZEIT auf einem Balkon in Hamburg-Altona ausgedacht, es soll schon etwas später gewesen sein. Aber wie das so ist mit diesen Drinks, man bewegt sich mit ihnen schnell ins Reich von „Halbwahrheiten und Geraune“, es gehe dann oft um „verwischte Erinnerungen an die Launen einer Nacht“, wie Moritz Herrmann irgendwann schrieb.
Spätestens mit dem Erscheinen des Manhattan lag die Rezeptur der Rubrik rötlich schimmernd vor uns: Man nehme einen Gemütszustand und kombiniere ihn mit dem Geschmack eines hochprozentigen Cocktails, zu gleichen oder auch völlig unterschiedlichen Teilen, Hauptsache, beides gehört im Alltag des jeweiligen Autors irgendwie zusammen. Im Falle des Manhattan lautete die Gefühlslage: nach der Plackerei. Samstagabends, beispielsweise nach der Reparatur seines Rasenmähertreckers, mischte Jochen Bittner Whiskey und Wermut in einem Martiniglas, dazu ein Spritzer Angosturabitters. Und schon blickte er ganz anders auf den gemähten Rasen, der ihm den Nacken derart verspannt hatte.
Aber was ist die Lage?, mit dieser Frage nervte ich fortan die Kollegen. Denn einen Drink konnte ja jeder vorschlagen. Aber die passende Lebenslage?
Im Nachhinein muss ich gestehen, dass es mir nicht ganz gelungen ist, meine persönlichen Vorlieben völlig aus dem Beruflichen herauszuhalten. Es gab stets viel Wodka. Auf der Couch, auf dem Tanzboden oder mitten im Kriegsgebiet. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es sich bei einer der Kolleginnen, die die „Drinks“ miterfunden haben soll, um eine der führenden mir bekannten Wodka-Expertinnen handelt („Völlig verkannt ist die Fähigkeit des Wodkas, Beziehungen zu klären“). Ich lernte allerdings auch, wie man sich ein Damengedeck vorzustellen hatte, was ein Gebutterter Mönch war und dass man die fachliche Eignung eines Barkeepers am besten mithilfe eines Cocktails namens Black Velvet prüfte. Man trank K. u. K. (Korn und Kirsch), Tollwütigen Hund (schon wieder: Wodka) und Last Word (mit dem Karthäuserlikör Chartreuse). Man trank auf Kuba, in China, aber auch in Hinteressach.
Auch ein Tee mit Rum von Margarete Stokowski war durchaus mal drin, sogar ein heißer Whiskey gegen die Erkältung. Von Zeit zu Zeit wurde es allerdings nötig, gewisse Grenzen zu ziehen. Nein, alkoholfreies Weißbier war nun wirklich kein Drink. Und auch Wein lieber nicht, höchstens mal ein Sekt mit Mate. Sonst aber nahmen wir es nicht allzu genau, wenn die Lage stimmte. Jeder neue „Drink“ barg für uns das Versprechen, das BjØrn Erik Sass mit dem Negroni verband, nämlich „dass das Beste immer noch kommt, vielleicht schon mit dem nächsten Glas“.
Genießen Sie es!
Johannes Gernert,
stellv. Ressortleiter Z - ZEIT zum Entdecken