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ОглавлениеAuf der Kippe zum Exzess
Für unvergessliche Nächte:Korn und Kirschsaft.
von Franziska Bulban
Es ist ein wirklich guter Abend geworden: Ein paar Freunde sitzen seit Stunden bei Antipasti und Rotwein um den Tisch im Wohnzimmer. Die Gespräche über Politik (Wäre Merkel im Westen aufgewachsen, wäre sie wohl konservative Grüne?) verwandeln sich zu Gesprächen über Jobs (Wie lange willst du dir das noch antun?) und Beziehungen (Das ist doch keine Gleichberechtigung!). Es wird spät und später, trotzdem gähnt niemand. Und ich hoffe: Es könnte eine dieser Nächte werden, in denen man bis morgens um die Häuser zieht, in denen die Wette um die Telefonnummer des Türstehers im Rauswurf mündet und in denen niemand heimfährt, bevor man nicht beim Laden mit den fettigen belgischen Pommes war – kurz: eine der Nächte, die für die nächsten drei Jahre als Anekdote taugen. Ich liebe solche Nächte.
Aber um sie wahr werden zu lassen, braucht es Timing. Denn es gibt den einen flüchtigen Moment, sie zu initiieren, den Moment, in dem sich das Essen schon so weit gesetzt hat, dass wieder an anstrengende Tätigkeiten wie Aufstehen zu denken ist, in dem aber noch keiner eingeholt wird von seiner Vernunft, von drohenden Deadlines, Dienstreisen und Elternbesuchen. Das ist der richtige Moment für Korn. Denn Korn fragt: Geht es los? Sind wir unvernünftig? Gehen wir tanzen, laufen, raufen?
Dass Korn auf dem Hipsterbarometer noch hinter Eierlikör landet, ist dabei von Vorteil. Die wenigsten haben Ahnung von Korn. Auch Korn kann man auf acht Grad gekühlt im Mund herumrollen lassen, man kann über seine Lagerung in Eichenholzfässern debattieren. Tut nur niemand. Bei Korn fühlt sich jeder frei, ihn zu trinken, wie er will. Pur, als Spülung für ein Päckchen Ahoj-Brause oder wie ich am liebsten: mit Kirschsaft. Ich nenne das K. u. K. Korn und Kirschsaft. Schmeckt, als hätte man Alkohol in einen dieser Frühstückssäfte gekippt. Hat man ja auch. Zur Süße gesellt sich Weizen oder Roggen. Ich empfehle Schneider Korn aus meiner Heimat, dem Sauerland.
Meist ist die Annahme: Korn trinkt man, um betrunken zu werden, und wer ihn trinkt, hat die Zone des guten Geschmacks verlassen. Damit tut man dem Korn unrecht. Aber es macht ihn zum präzisesten Thermometer der Nacht: Ist heute alles ein bisschen egaler? Suchen wir den Exzess? Korn ist das Schmuddelkind aus der Spirituosenkiste – und weit und breit kein Spielkamerad, der befreiender wäre.