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1.1 Entscheidungsdefekte

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Wenn man von Defekten spricht, stellt sich die Frage nach dem Maßstab, an dem man das Defizitäre des Geschehens bemisst. Aufgeklärte Menschen haben den Anspruch, vernünftig zu handeln. Als Maßstab für die Qualität von Entscheidungen empfiehlt sich daher auch schlichtweg „die Vernunft“. Mit der Vernünftigkeit oder der „Rationalität“ von Entscheidungen beschäftigt sich die so genannte „Normative Entscheidungstheorie“. Es ist also naheliegend, die Ergebnisse dieser Forschungsrichtung als Maßstab zu nehmen. Und viele empirische Forscher tun genau das, sie untersuchen, inwieweit das tatsächliche Entscheidungsverhalten mit den Axiomen der normativen Theorie übereinstimmt – und kommen normalerweise zu dem betrüblichen Ergebnis, dass dies sehr häufig nicht der Fall ist. Daraus folgt allerdings nicht zwingend, dass Menschen grundsätzlich unvernünftig sind. Möglicherweise ist ja auch der Maßstab falsch und es ist die Normative Entscheidungstheorie, die Defekte aufweist. Ein häufig gemachter Vorwurf an diese Theorie lautet denn auch, dass sie Verhaltensanforderungen formuliert, die aus grundsätzlichen, in der Natur des Menschen liegenden Gründen, gar nicht oder nur in Ausnahmefällen einlösbar sind. Auf die Diskussionen, die sich mit diesem Vorbehalt befassen, gehe ich nicht ein, weil die im vorliegenden Buch behandelten Entscheidungsdefekte in aller Regel einem ganz einfachen Kriterium genügen: Sie veranlassen Entscheidungen, deren Konsequenzen die handelnden Personen selbst nicht wünschen dürften, jedenfalls dann nicht, wenn sie darüber „in aller Ruhe und Umsicht“ nachdenken würden. Dabei kann die Frage durchaus offen bleiben, ob sich Entscheidungsdefekte bei entsprechender Vorsorge immer und unter allen Umständen vermeiden lassen.

Es gibt einen weiteren wichtigen Grund dafür, sich bei der Betrachtung von Entscheidungsdefekten nicht ausschließlich an den Vorstellungen der normativen Entscheidungstheorie zu orientieren. Diese betrachtet das Entscheidungsgeschehen nämlich sehr statisch als Ergebnis von Nutzenabwägungen, während es tatsächlich ja das Ergebnis von manchmal sehr verwickelten Prozessen ist. Und bei näherer Betrachtung wird man zugeben, dass die Probleme mit der Rationalität gerade in diesen Prozessen stecken und nicht so sehr in der – wie auch immer stattfindenden – Nutzenverrechnung. Will man verstehen, warum viele Entscheidungen „defekt“ sind, muss man daher alle wichtigen Elemente eines Entscheidungsprozesses ins Auge fassen, also beispielsweise Fragen wie die, worauf Menschen ihre Aufmerksamkeit richten, von welchen „Störgrößen“ die Wahrnehmung beeinträchtigt wird, wie Informationen gewonnen und verwendet werden, wie Probleme analysiert und wie Handlungen geplant werden.

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