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XII. Naturgemälde des östlichen Abfalles des Gebirgsrückens von Anáhuac

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Durch die Horizontal-Projektionen, die man schlechthin geographische Karten zu nennen pflegt, lernt man die Ungleichheiten des Bodens und die Physiognomie eines Landes nur sehr unvollkommen kennen. Die Unebenheiten des Erdreichs, die Gestalt der Berge, ihre relative Höhe und ihr mehr oder minder jäher Abfall können auf einer Zeichnung nur durch eine andere Methode vorgestellt werden, indem man nämlich den Boden schichtenweise nivelliert und die Schraffierungen genau nach der Linie des stärksten Falls richtet. Auf solche Weise (nämlich durch ein nivellement par tranches [= Schnitte]) entwirft der Chef der Topographie an der Pariser Ecole Polytechnique Herr Clerc48 Karten, welche beinahe ein Relief ersetzen: So können Linien auf einer Fläche, die nur zwei Dimensionen hat, denselben Effekt hervorbringen wie ein Modell in erhabener Arbeit, doch unter der Voraussetzung, daß die Gegend, die man vorstellen will, nicht zu groß und in allen ihren Teilen vollkommen bekannt ist. Wenn aber die Horizontal-Projektion auf ein gebirgiges Land angewandt wird, welches mehrere 1000 Quadratmeilen groß ist, so werden die Schwierigkeiten fast unüberwindlich.

In den volkreichsten Ländern von Europa, z.B. in Frankreich, Deutschland und England, liegen die Ebenen, auf weichen sich die meiste Kultur findet, gewöhnlich nur 50 bis 100 Toisen übereinander. Ihre absolute Höhe hat auf das Klima nur wenig Einfluß49, und die Kenntnis der Höhenunterschiede interessiert daher noch weniger den Ackerbau als die Naturkunde; daher begnügen sich die Geographen auf den Karten unseres Weltteils, eine der höchsten Gebirgsketten anzuzeigen. In den Äquatorialländern des Neuen Kontinents hingegen, besonders in den Reichen Neu-Granada, Quito und Mexico, hängen Temperatur der Atmosphäre, ihre Trockenheit oder Feuchtigkeit, die Kultur, welche die Einwohner pflegen, von der ungeheuren Höhe der auf dem Rücken der Kordilleren hinlaufenden Ebenen ab. Dem Staatsmann und dem reisenden Naturforscher ist es gleich wichtig, die geologische [d.h. die geographische] Konstitution dieser Länder zu studieren. Darum fällt die Unvollkommenheit unserer graphischen Methoden bei einer Karte von Neu-Spanien weit mehr auf als bei einer Karte von Frankreich. Sollte man die Gegenden, die ich bereist habe und deren Boden eine so sonderbare Gestalt hat, vollständig kennen, so mußte ich Mittel anwenden, welche noch kein Geograph versucht hat, vielleicht weil man immer am spätesten auf die einfachsten Ideen verfällt.

Ich habe ganze Provinzen, weite Strecken Landes, in einer Vertikalprojektion dargestellt, wie man schon längst Aufrisse von Bergwerken oder Kanälen gemacht hat50. In meinem Versuch einer geologischen Pasigraphie werde ich die Grundsätze aufweisen, nach welchen solche physikalische Karten verfertigt werden müssen. Wenn die Orte, deren absolute Höhe angegeben werden soll, selten auf einer Linie liegen, so besteht der Aufriß entweder aus mehreren Abteilungen, deren jede eine verschiedene Richtung hat, oder man denkt sich eine Fläche außerhalb des durchlaufenen Weges, auf welche Perpendikularlinien niedergelassen sind. In dem letzteren Fall weichen die Distanzen der physikalischen Karte sehr von der absoluten ab, besonders wenn die mittlere Direktion der Punkte, deren Höhe und Lage bestimmt worden sind, sehr von der Direktion des Projektions-Plans verschieden ist.

In Profilen von ganzen Ländern kann, ebensowenig wie bei Aufrissen von Kanälen, der Maßstab der Distanzen dem Maßstab der Höhe gleich sein. Wollte man zwei gleiche Maßstäbe annehmen, so müßten die Zeichnungen eine ungeheure Länge erhalten, oder man müßte sich für die Höhe mit einem so kleinen Maßstab begnügen, daß die auffallendsten Ungleichheiten des Bodens verschwänden. Ich habe auf der 12. Platte durch zwei Pfeile die Höhe angezeigt, welche der Chimborazo und die Stadt Mexico haben würden, wenn die physikalische Karte in allen Dimensionen nach einerlei Maßstab entworfen wäre. Eine Höhe von 250 Toisen würde auf der Karte nicht einmal eine halbe Linie ausmachen. Wollte man hingegen zu den Itinerardistanzen den Höhenmaßstab nehmen, der bei den Tafeln XII, XIII und XIV gedient hat und 4½ Linien auf 200 Toisen beträgt, so hätte die Platte über 8 Toisen lang sein müssen, wenn man die ganze Strecke zwischen Mexico und Veracruz darauf hätte vorstellen wollen. Die Verschiedenheit der Maßstäbe ist Ursache, daß meine physikalische Karte, so wie alle von Ingenieuren aufgenommenen Profile von Kanälen und Straßen, nicht den wahren Abfall des Landes vorstellen, der in der Natur viel weniger steil ist51. Dieses Mißverhältnis ist noch stärker, wenn sehr hohe Gebirgsrücken wenig Ausdehnung haben oder durch tiefe und enge Täler getrennt sind. Von dem Verhältnis zwischen der Distanz und den Höhenmaßstäben hängt der Effekt des ganzen Profils ab. Doch es ist hier nicht der Ort, noch mehr von den Grundsätzen zu sagen, welche ich bei diesen Karten befolgt habe. Jede graphische Methode muß ihre Regeln haben; einige glaubte ich berühren zu müssen, weil verschiedene Nachahmungen meiner physikalischen Karte, die seit kurzem erschienen, als Projektionen auf vielfach gekrümmte Flächen zu betrachten sind, deren Richtung in Hinsicht auf den Meridian unbestimmt bleibt.

Um physikalische Karten in Vertikal-Projektionen zu verfertigen, muß man notwendig für die Punkte, durch welche der Projektionsplan geht, die drei Koordinaten Länge, Breite und Höhe über der Meeresfläche kennen; man muß, mit einem Wort, barometrische Messungen mit astronomischen Beobachtungen verbinden. Je fleißiger die Reisenden sich mit barometrischen Observationen beschäftigen werden, desto mehr wird man sich dieser Projektionsart bedienen können. Bis jetzt existieren aber für wenige Provinzen in Europa hinlängliche Materialien, um Karten zu verfertigen wie die meinigen.

Die Konstruktion der Profile auf den Tafeln XII, XIII, XIV ist ganz gleichförmig: Alle drei haben einerlei Maßstäbe. Die Distanzen verhalten sich zu den Höhen wie 1 zu 24. Alle drei geben die Natur des Gesteins an, das man auf der Oberfläche des Bodens findet. Dem Landwirt ist es wichtig, sie zu kennen, noch nützlicher aber dem Ingenieur, der Straßen bauen oder Kanäle graben soll.

Man hat mich verschiedentlich getadelt, daß ich nicht in denselben Aufrissen die Schichtung und Lagerung der Gebirgsmasse selbst ihr Fallen und Streichen angegeben habe. Besondere Ursachen hinderten mich daran. In meinen Reise-Journalen finden sich hinlängliche geognostische Materialien, um sogenannte mineralogische Karten zu entwerfen. Mehrere davon habe ich bei dem Werk benutzt, das ich unter dem Titel ›Nivellement barométrique fait dans les régions équinoxiales du Nouveau Continent‹52 herausgegeben habe; aber nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, die geologischen Profile, welche die Natur und Lagerung der Gebirgsarten anzeigen, ganz von den physikalischen Karten zu trennen, welche bloß die Unebenheiten der Oberfläche vorstellen. Es ist schwer oder vielleicht unmöglich, von einem großen Land einen geographischen Aufriß mit Beobachtung des Höhenverhältnisses zu machen. Ein Gipsflöz, welches einige Fuß dick ist, interessiert oft den Geognosten ebensosehr wie ein mächtiges Lager von Mandelstein oder Porphyr, weil die Existenz dieser dünnen Schichten und die Art ihrer Lagerung das relative Alter der Formation bezeichnet. Wie wäre es aber möglich, von ganzen Provinzen Profile nach einem Maßstab zu entwerfen, bei welchem so kleine Massen noch angedeutet werden könnten! Wie wäre es z.B. möglich, in einem engen Tal, wie dem von Papagayo (PI. XIII), auf einem Raum von einigen Linien, den es einnimmt, die verschiedenen übereinander gelagerten Formationen kenntlich zu machen! Wer über graphische Methoden nachgedacht und sie zu vervollkommnen gesucht hat, wird zugeben, daß keine Methode alle Vorteile vereinigen kann. Enthält eine Karte allzuviele Zeichen, so entsteht Verwirrung, und ihr Hauptzweck, mit einem Blick vielerlei Gegenstände anschaulich zu machen, geht verloren. Den Geognosten interessiert die Natur des Gesteins und seine Stratifikation weit mehr als die absolute Höhe der Formationen und die Mächtigkeit der Schichten. In einem geognostischen Profil braucht man bloß die ungefähre Gestalt des Landes zu sehen. Nur wenn man auf alle Distanz- und Höhen-Maßstäbe Verzicht leistet, darf man hoffen, die Phänomene der Lagerung und Stratifikation, an deren Kenntnis dem Geognosten soviel liegt, deutlich darzustellen.

Die physikalische Karte des östlichen Abfalls von Neu-Spanien besteht aus drei Flächen, die durch verschiedene Farben angezeigt sind. Die Städte Mexico und La Puebla de los Angeles und der kleine Ort Cruz Bianca, zwischen Perote und Las Vigas, sind die Schnittpunkte der drei Projektionsflächen. Ich habe dabei die geognostische Länge und Breite dieser Punkte, die mittlere Richtung jedes Abschnitts und seine Länge in Meilen, deren 25 einen Grad machen, bemerkt. Der Distanzen-Maßstab dieses Profils (XII) ist derselbe, der bei der geographischen Karte No. IX gedient hat. Doch ist die Vertikal-Projektion länger als die horizontale, weil man bei jener die Itinerardistanz eines Ortes vom andern beibehalten hat. So ist z.B. die absolute Entfernung von Mexico und Puebla nur 27 französische Meilen, auf der Zeichnung aber 29. Diese läßt fast alle Krümmungen des Wegs erkennen und gibt die Itinerarentfernung an, d.h. die Meilenzahl, die man zurücklegen würde, wenn man von Mexico über Venta de Chalco, Río Frio und Ocotlán nach Puebla ginge.

Die zwei großen Vulkane im östlichen Teil des Tals von Tenochtitlan, der Pico de Orizaba und der Cofre de Perote, haben auf dem Profil ihre wahre geographische Länge. Ich habe sie so angedeutet, wie man sie erblickt, wenn ihr Fuß mit dickem Nebel bedeckt ist und ihr Gipfel zwischen den Wolken sichtbar wird. Ungeachtet der ungeheuren Breite dieser kolossalischen Berge habe ich wegen der großen Ungleichheit des Distanz- und Höhen-Maßstabs ihren ganzen Umriß nicht geben wollen. Sie würden auf meiner Karte als schmale Säulen über die Oberfläche des Plans hervorgeragt haben. Die sonderbare Gestalt, fast möchte ich sagen, die eigentümliche Physiognomie der vier großen Berge der Kordilleren von Anáhuac habe ich gesucht genau anzuzeigen, und ich hoffe, daß diejenigen Personen, welchen auf der Reise von Veracruz nach Mexico der majestätische Anblick dieser vier Gipfel Staunen eingeflößt hat, ihre wahre Gestalt auf diesem Bilde sowie auf No. XVI und XVII erkennen werden.

Um den Leser auf einige wichtige Punkte der physikalischen Geographie aufmerksam zu machen, habe ich auf beiden Seiten neben dem Höhenmaßstab die Höhe des Chimborazo und verschiedene Spitzen der Alpen und Pyrenäen bemerkt sowie die Grenze des ewigen Schnees unter dem Äquator, unter dem Meridian von Quito und dem 45. Grad der Breite, die mittlere Temperatur der Luft am Fuß und auf dem Abfall der Kordilleren, endlich die Höhe, unter welcher verschiedene mexicanische Pflanzen im gebirgigen Teil von Anáhuac zum ersten Mal sich zeigen oder zu vegetieren aufhören. Einige dieser Angaben stehen auf allen Karten, so wie man ehemals auf den Skalen der Thermometer, ziemlich unrichtig, das Maximum und Minimum der Temperatur irgendeiner Zone anzugeben pflegte. Übrigens hoffe ich, daß diese Profile, welche einige Ähnlichkeit mit der großen Karte haben, die zu meiner Geographie der Pflanzen gehört, zur Verbreitung allgemeiner physikalischer Kenntnisse beitragen werden.

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