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Immer immer wieder mein Herz

Marlene Dietrich

Sarah ist meine Freundin. Sie ist das einzige Korrektiv in meinem Leben, mit dem ich nicht verwandt bin. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es ohne Sarah war, dabei ist es noch gar nicht so lange her, als wir uns zum ersten Mal begegneten.

Kunst braucht Unterstützer. Und Kunstschulen erst recht. Das Frankfurter Städel Museum mit seiner angeschlossenen Kunstschule organisierte ein Essen für Freunde und Unterstützer. Der Clou: Alle Gäste kochen selbst. Für alle Gäste. Sarah saß neben mir und sprach den ganzen Abend kein Wort. Wir schwiegen uns an. Bis heute lachen wir darüber und es ist, als hätten wir gewusst, dass der Zeitpunkt kommen würde, an dem wir uns wahnsinnig viel zu sagen haben werden. Nach dem Essen standen wir in Grüppchen beieinander, die ersten Gäste verabschiedeten sich, und da fing Sarah plötzlich an zu reden. In ihrer behutsamen, feinen Art erzählte sie mir, dass sie als kleines Kind immer Ein Kessel Buntes im Fernsehen geschaut hat. Und ich? Jubelte innerlich. »Hurra!«, dachte ich. »Sie ist aus dem Osten. So wie ich.« Ich gab Sarah ungefragt meine Telefonnummer und schrieb ihr noch in der gleichen Nacht, wie gern ich neben ihr gesessen habe. Am nächsten Morgen kam die Antwort. Es folgten Verabredungen zum Essen oder auf einen schnellen Espresso in der Stadt. Und so wurde Sarah meine Freundin. Sie ist aus Hamburg. Manche Leute behaupten, wir würden uns ähnlich sehen. Wir finden das nicht. Ich fühle mich Sarah trotzdem sehr nahe, als sei sie meine Schwester. Oder vielleicht eben, weil sie es nicht ist.

Ich lasse Sarah nach einem aufwendigen Fotoshooting meine Bilder aussuchen. Ich frage Sarah, wie wir ein bestimmtes Kleid oder einen Mantel finden. Ich lasse Sarah entscheiden, ob ich meine Haare weiter wachsen lassen soll oder doch lieber abschneide. Sarah hat einen erlesenen Geschmack. Sie ist absolut stilsicher, ohne sich aufzudrängen. Sie hat diese natürliche Eleganz, Schönheit, für die sich andere Frauen sehr anstrengen müssen. Sarah nicht. Ich wuchs unter Sportlern auf. Die Richtung in meinem Leben gaben zumeist Männer vor. Sarah ist die erste Frau, die tatsächlich Einfluss auf mich hat. Von der ich mich beeinflussen lasse.

Manchmal nennt Sarah mich »Schatz«. Es klingt wie »Ähämmm!«. Dann weiß ich, es ist an der Zeit, etwas anders zu machen. Mich zu korrigieren. Wenn meine Freundin mit mir spricht, ist sie stets leise. Noch nie erhob Sarah ihre Stimme, dabei hätte es etliche Anlässe dafür gegeben. Es kann passieren, dass ich Verabredungen unmittelbar vor dem Treffen absage oder verschiebe. Nicht gerade ein Zeichen von Zuverlässigkeit. Aber immer schicke ich Sarah ein Foto ihres Hauses, wenn ich am Morgen auf dem Weg nach Mainz zum ZDF daran vorbeifahre. Selbst wenn Sarah zu Hause ist. Sarah schickt mir Gedichte, Sonnenuntergänge und Sportübungen. Ich bedanke mich mit Musik und endlosen Textnachrichten, erkläre ihr die jüdischen Feiertage und was »koscher« bedeutet. Sarah weiht mich in die Geheimnisse der Finanzwelt ein und runzelt die Stirn, weil ich immer noch keine Ahnung vom Onlinebanking habe. Es gibt kein Besser oder Schlechter. Schneller oder Langsamer. Das ist unser Freundschaftsgeheimnis: Wir sind auf Augenhöhe. Die Bankerin/Marketing- und Kommunikationsstrategin und die Fernsehmoderatorin/Autorin. Töchter, Mütter, die eine Ehefrau, die andere nicht, Freundinnen, Träumerinnen, Romantikerinnen, Kämpferinnen, Sportlerinnen, Frauen.

Einmal begleitete mich Sarah nach Hamburg zur Show von Ina Müller. Ina Müllers wegen. Sarah ist Fan. Unser Flug war zwei Stunden verspätet. Es wackelte entsetzlich. Und als wir endlich aus dem Hamburger Flughafen stürmten, erwartete uns Sarahs Mutter. In ihrer Tasche: Wiener Würstchen und Gewürzgurken im Glas. Wer verspätet landet, der muss hungrig sein. So ist Sarah. Sie muss das von ihrer Mama haben. Liebe pur.

Sich in einen Mann zu verlieben, weil man verliebt sein will, ist einfach. Eine Freundin zu haben, einfach einer Freundschaft wegen, dieses Glück war mir, bis ich Sarah traf, selten vergönnt. Niemand weiß so viel von mir und über mich wie Sarah. Sie kennt all meine Zweifel, Ängste, Abgründe, Sorgen. Sie erfreut sich an meinen Schmetterlingen im Bauch und trocknet die Liebeskummertränen. Sie bringt mir Impulskontrolle bei. All meinen Ärger erzähle ich Sarah, ich frage sie um Rat. Wenig später kommt die Antwort. Behutsam. Mit Bedacht gewählte Worte. Und in den allermeisten Fällen goldrichtig.

Sarah ist sich ihres Einflusses auf mich mit Sicherheit nicht bewusst. Sie ist einfach, wie sie ist. Sie war immer nur an mir interessiert. An Andrea, nicht an der Frau aus dem Fernsehen. Beste Freundinnen machen uns zu besseren Menschen. Meine Freundin Sarah macht mich zu einer besseren Frau.

Ich kann mich an mein Leben vor Sarah nicht mehr erinnern. Ich wuchs als Einzelkind auf. Die Mädchen, mit denen ich zusammen schwamm, waren Konkurrentinnen. Wir teilten uns ein Zimmer, wenn wir auf Wettkämpfen oder in Trainingslagern waren. Aber unsere wahren Gefühle behielten wir für uns. Ich schließe nicht schnell Freundschaften, weil ich mich immer wieder ermahnen muss, zu vertrauen, mich zu öffnen. Mit Sarah ist alles ganz einfach.

Meist sonnig

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