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Das Leben nach dem Tod – Untote und Auferstehung in der Bibel

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Das Versprechen des Weiterlebens nach dem Tode spielt vor allem im Christentum eine zentrale Rolle. Das gesamte Neue Testament ist um den Tod und die Auferstehung Jesu herum konzipiert. Nimmt man das Glaubensgebäude weg, bleibt eine verstörende Geschichte übrig. Wenn auch abgeschwächt durch die Stellvertreter Brot und Wein gibt ein Anführer seinen Jüngern von seinem eigenen Fleisch zu essen und von seinem eigenen Blut zu trinken, kurz bevor er von seinen Feinden hingerichtet wird. Sein anschließender Tod ist nicht von Dauer, drei Tage später wandelt er wieder unter den Lebenden, jedoch deutlich gezeichnet mit den Malen der Misshandlung. Bevor er seine Anhänger verlässt, verspricht er, wiederzukommen – und am Ende auch sie von den Toten auferstehen zu lassen. Ohne den Kontext der Bibel liest sich die zentrale Handlung des Neuen Testaments wie der Plot eines düsteren Horrorfilms.

Die Evangelisten aber haben sich die Geschichten des Neuen Testaments nicht einfach ausgedacht. Sie haben sich beim Verfassen der Texte bei den hellenistischen Kulten bedient, die um die Zeitenwende im Osten des Mittelmeerraumes praktiziert wurden, und Elemente und Kulthandlungen aus diesem Zusammenhang zu einem neuen Gefüge zusammengebracht. Dionysos beispielsweise wird als Kind von den Titanen zerstückelt, der ägyptische Osiris von seinem Bruder Seth. Persephone weilt schon in der Unterwelt, darf dann aber ins Leben zurückkehren. Und Attis’ Leichnam verwest nicht, sondern bleibt bis in alle Ewigkeit unversehrt.

Nun begnügten die Autoren des Neuen Testaments sich jedoch nicht mit einem theologischen Überbau, der lediglich dem Sohn Gottes eine Wiederauferstehung ermöglicht. An mehreren Stellen fügten sie ganz konkrete Geschichten über die Wiederkehr von Toten ein. So fleht in Matthäus 9, 18–26 ein Synagogenvorsteher Jesus an, sein Kind zurückzuholen: „Meine Tochter ist eben gestorben; komm doch, leg ihr deine Hand auf, dann wird sie wieder lebendig.“ Ohne große Diskussion macht Jesus sich auf, den Wunsch zu erfüllen. „Als Jesus in das Haus des Synagogenvorstehers kam und die Flötenspieler und die Menge der klagenden Leute sah, sagte er: ‚Geht hinaus! Das Mädchen ist nicht gestorben, es schläft nur.‘ Da lachten sie ihn aus. Als man die Leute hinausgedrängt hatte, trat er ein und fasste das Mädchen an der Hand; da stand es auf. Und die Kunde davon verbreitete sich in der ganzen Gegend.“ In Lukas 7, 11–15 ist es ebenfalls ein Elternteil, dem Jesus das Kind zurückgibt.

Diese beiden Geschehnisse wirken jedoch noch harmlos im Vergleich zur verstörenden Erzählung von der Erweckung des Lazarus im Johannesevangelium 1–45. Darin erreicht Jesus die Nachricht der beiden Schwestern Maria und Marta, dass ihr Bruder im Sterben liege: „Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank.“ Statt jedoch sofort auf zubrechen, um ihn zu heilen, lässt er zunächst zwei Tage verstreichen. Dann erst spricht er zu seinen Jüngern: „Lasst uns wieder nach Judäa ziehen! […] Lazarus, unser Freund, schläft, aber ich gehe hin, ihn aufzuwecken.“ Zunächst verstehen die Jünger nicht, was damit gemeint ist. „Da sprachen seine Jünger: ‚Herr, wenn er schläft, wird’s besser mit ihm.‘ Jesus aber sprach von seinem Tode; sie meinten aber, er rede vom leiblichen Schlaf. Da sagte es ihnen Jesus frei heraus: ‚Lazarus ist gestorben.‘“ Nun wird auch deutlich, warum Jesus nicht sofort zu Lazarus geeilt ist. Er wollte ihn zunächst sterben lassen, um ihn anschließend wieder ins Leben zurückholen zu können – „damit ihr glaubt.“ Als Jesus und seine Jünger endlich im Dorf Betanien ankommen, liegt der Tote schon vier Tage im Grab. Die nun folgenden Sätze sind ein Schlüsseldialog für das gesamte christliche Glaubensgebäude: „Jesus spricht zu ihr: ‚Dein Bruder wird auferstehen.‘ Marta spricht zu ihm: ‚Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.‘ Jesus spricht zu ihr: ‚Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?‘ Sie spricht zu ihm: ‚Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.‘“

Die Menge macht sich nun auf zum Grab. Nicht alle sind so gläubig wie Marta, Unmut macht sich breit: „Einige aber unter ihnen sprachen: ‚Er hat dem Blinden die Augen aufgetan; konnte er nicht auch machen, dass dieser nicht sterben musste?‘“ Jesus fordert daraufhin die Umstehenden auf, den Stein fortzurollen. „Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen“, warnt ihn Marta. Doch Jesus spricht zu ihr: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“

„Lazarus, komm heraus!“, ruft Jesus mit lauter Stimme in die Grabhöhle hinein. „Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen!“ Die Erzählung von der Erweckung des Lazarus von den Toten ist aus zwei Gründen so interessant. Zum einen, weil die Verwesung bereits eingesetzt hat, bevor Jesus ihn ins Leben zurückholt. Anders als die beiden frisch verstorbenen Toten aus dem Matthäus- und dem Lukasevangelium strömt Lazarus bereits einen üblen Geruch aus – er ist bereits sehr tief im Totenreich angekommen. Zum anderen überrascht der Hintergrund von Jesus’ Motivation. Er lässt Lazarus bewusst sterben – nur um einen Fall zu schaffen, an dem er Ungläubigen oder im Glauben Wankelmütigen seine Macht über Leben und Tod demonstrieren kann.

Die Gabe, Tote zurückzuholen, besaßen dem Neuen Testament zu Folge nicht nur Jesus, sondern auch seine Jünger. In der Apostelgeschichte 9, 36–41 wird Petrus zu einer Frau namens Tabita gerufen, die er wieder zum Leben erweckt. Auch Paulus ist diese Fähigkeit gegeben, wie die Apostelgeschichte 20, 7–12 berichtet. Indirekt verschuldet er allerdings zunächst den Tod des Eutychus: Der Apostel redet während einer Predigt so lange, dass der junge Mann einschläft, aus dem offenen Fenster im dritten Stock fällt und dabei ums Leben kommt. „Paulus aber ging hinab und warf sich über ihn, umfing ihn und sprach: ‚Macht kein Getümmel; denn es ist Leben in ihm.‘ Dann ging er hinauf und brach das Brot und aß und redete viel mit ihnen, bis der Tag anbrach; und so zog er hinweg. Sie brachten aber den jungen Mann lebend herein und wurden nicht wenig getröstet.“

Am Tag des Jüngsten Gerichts, versichert uns Johannes in der Offenbarung 20, 13–14, ist dann für alle Toten die Zeit der Rückkehr gekommen: „Und das Meer gab die Toten frei, die darin waren, und der Tod und die Hölle gaben die Toten frei, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein jeglicher nach seinen Werken.“ Eingebettet ist dieses Gericht in den großen Endkampf zwischen Gut und Böse, die Apokalypse. Auch diese Ideen sind nicht neu. Bereits der persische Zoroastrismus kannte den endgeschichtlichen Entscheidungskampf zwischen Gut und Böse als Weltgericht. Einzelne Elemente finden sich auch anderswo. In Babylon beispielsweise hielt der Gottkönig als Richter die kosmische Ordnung im Gleichgewicht. Und in Ägypten wurde das Herz eines jeden Toten gegen die Gerechtigkeisgöttin Maat in Form einer Feder aufgewogen, um über seinen Einzug ins Jenseits zu urteilen. Der Tod jedenfalls war nie das Ende. Im Christentum wie auch in vielen anderen Religionen ist er nur eine Zäsur auf dem Weg.

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