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Außerplanmäßige Auferstehung – Untote im Umfeld der Bibel

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Der mittelalterlichen Vorstellung nach begann mit dem Tod also nur eine lange Ruhephase. Diese aber war störanfällig und konnte jederzeit unterbrochen werden. In der Bibel selber kommen nur „gute“ Untote vor – Verstorbene, die von Jesus oder von seinen Aposteln wieder zum Leben erweckt wurden, um zu ihren Angehörigen zurückkehren zu können. Doch was passierte, wenn die Störung der Ruhe zufällig geschah?

Eine knapp erzählte Begebenheit im Alten Testament, im 2.Buch der Könige, 20–21, erwähnt eine unbeabsichtigte Wiederkehr eines Toten: „Da aber Elisa gestorben war und man ihn begraben hatte, fielen die Kriegsleute der Moabiter ins Land desselben Jahres. Und es begab sich, daß man einen Mann begrub; da sie aber die Kriegsleute sahen, warfen sie den Mann in Elisas Grab. Und da er hinab kam und die Gebeine Elisas berührte, ward er lebendig und trat auf seine Füße.“ Hier sind es die zufällig berührten Gebeine des Propheten Elisa, die den unbekannten Mann wieder zum Leben erwecken. Diese Bibelstelle wird oft als Grundlage für den Glauben an Reliquien zitiert: Körperteile eines verstorbenen Heiligen, die Wunder bewirken können.

Die Reliquienverehrung bildete im Mittelalter eine der Grundlagen des religiösen Lebens. Verehrt wurden Gegenstände, mit denen die Heiligen oder gar Jesus und seine Familie selbst in Berührung gekommen waren, sowie alle nur erdenklichen Körperteile dieses Personenkreises. Damit stand die Kirche vor einem Dilemma: Um am Tag des Jüngsten Gerichts vollständig vor Gott treten zu können, musste der Leichnam so unversehrt wie möglich bleiben. Um aber Reliquien schaffen zu können, musste man den Leichnam auseinanderreißen, Teile entfernen und an weit entfernte Orte bringen. Der Kirchenvater Johannes von Damaskus bemühte sich bereits zu Beginn des 8. Jahrhunderts, diesen Konflikt zu lösen, indem er erklärte, Heilige seien keine gewöhnlichen Toten, sondern Träger göttlicher Eigenschaften: „Ähnlich wie das glühende Eisen, das nicht das Feuer selbst ist, aber doch zum Teil seine Eigenschaften übernommen hat, sind die Heiligen vom göttlichen Leben durchdrungen.“ In diesem Zustand konnten also die Heiligen, obwohl sie schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilten, selbst noch durch kleinste Bestandteile ihres Körpers Wunder vollbringen. Nimmt man der mittelalterlichen Praxis der Reliquienverehrung jedoch den theologischen Überbau, bleibt ein äußerst merkwürdiger Ritus zurück: Die Gläubigen verehrten Leichenteile, die unabhängig vom Körper Taten vollbringen konnten.

Doch es gibt im weiteren Umfeld der Bibel auch Legenden mit einem sehr düsteren Unterton. Eine der faszinierendsten Gestalten ist die Person der Lilith. In der Bibel selber taucht sie nur einmal kurz bei Jesaja 34,14 auf: „Es werden Wildkatzen auf Schakale treffen, ein ziegenbehaarter Dämon wird seine Gefährten rufen und dort wird auch die Lilith verweilen und ihre Behausung finden.“ Lilith existierte bereits in der altsumerischen und altbabylonischen Tradition als Unterweltsgottheit. Im Mittelalter jedoch formt sich, vor allem in jüdischen Kreisen, ein neues Bild von ihr. Sie taucht nun als erste Frau Adams auf. Diesem Überlieferungsstrang zu Folge schuf Gott Adam und Lilith gleichberechtigt. Als Adam jedoch versuchte, sie seinem Willen zu beugen, verließ Lilith ihn. Erst daraufhin fertigte Gott Eva aus einer Rippe Adams, um ihm eine gefügige weibliche Gefährtin zu schaffen. Aus dieser emanzipierten Lilith-Figur entwickelte sich später eine Gegenspielerin zu Adams Menschengeschlecht, deren Nachfahren – die Dämonen und Vampire – auf ewig die Kinder Adams und Evas peinigen sollten. In dieser Form ist Lilith mittlerweile ein fester Bestandteil der Besetzung vieler moderner Vampirgeschichten.

Geköpft und gepfählt

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