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Der Vampir

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Der Vampir, wie er heute beschrieben wird – schön, faszinierend, sexuell unwiderstehlich –, ist eine relativ junge Erfindung der Literatur, perfektioniert durch das Kino. Seine Vorfahren waren das Gegenteil: stinkend, hässlich und brutal. Anders als die anderen Arten von Untoten ist dem Vampir eigen, dass er nach Blut dürstet. Damit ist auch vorgezeichnet, dass er immer Schaden anrichtet – jemand, der einem Menschen Blut aussaugen will, kommt niemals in guter Absicht.

Schon in einer der ältesten Geschichten der Menschheit – in Homers Odyssee, aufgeschrieben vermutlich bereits im späten 8. Jahrhundert vor Christus – gieren die Toten nach Blut. Odysseus steigt zu ihnen hinab in die Unterwelt und lockt sie mit dem Blut zweier Schafe an. Er will Teiresias sprechen, doch ganze Scharen drängen sich bald um die Blutlache der geopferten Schafe und gieren nach dem „schwarzen Blut“. Odysseus muss sie mit dem Schwert davon abhalten, ihren Durst zu stillen. Es sind natürlich noch keine Vampire im klassischen Sinne. So können sie beispielsweise die Unterwelt nicht selbstständig verlassen und sind auch nicht körperlich. Dreimal versucht Odysseus, seine tote Mutter zu umarmen, die ebenfalls vom Blut angelockt wurde, doch jedes Mal greift er ins Leere. Sie verlangen auch nicht nach Menschenblut, sondern begnügen sich mit dem der Schafe. Doch andere Elemente wie das Umhergehen und der Blutdurst allgemein zeichnen sich bereits deutlich ab. Aus der griechischen Mythologie sind diesen Wesen die Lamien an die Seite zu stellen, blutdurstige Dämonen, die es mit ihrer bezaubernden Schönheit insbesondere auf junge Männer abgesehen haben. Ebenfalls der antiken griechischen Überlieferung entstammen die Motive des mittelalterlichen Artusromans Daniel aus dem Blühenden Tale. Das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts von Stricker verfasste Werk wird von „bauchlosen“ Ungeheuern bevölkert, die die Menschen tyrannisieren und sich von ihrem Blut ernähren.

Im 12. Jahrhundert häufen sich dann die Belege für Untote, die sich tatsächlich von Menschenblut ernähren. Sie sind zu dieser Zeit ein fester Bestandteil des Alltagsglaubens selbst in christlich geprägten Bereichen. Die beiden englischen Chronisten William von Newburgh und Walter Map listen gleich mehrere Fälle von blutsaugenden Wiedergängern in ihren Geschichtswerken, auf die wir im fünften Kapitel näher eingehen werden.

Eine der gruseligsten deutschen Vampirbeschreibungen verdanken wir dem Volkskundler Wilhelm Mannhardt. Er notierte 1859 in seinem Aufsatz Über Vampyrismus, erschienen in der Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, die Geschichte des Herrn von Wollschläger. Sie könnte auch heute noch als Vorlage für einen Film dienen:

„In der Mitte des vorigen Jahrhunderts starb ein Mitglied der Wollschlägerschen Familie in Westpreußen, mehrere von seinen Verwandten folgten ihm ganz unvermuthet ohne besondere Veranlassung des Todes in kurzem nach. Man wollte sich erinnern, daß das Antlitz des Verstorbenen die rothe Farbe nicht verloren gehabt und es entstand deshalb die allgemeine Vermuthung, daß er Blutsauger sei. Es ward ein Familienrath gehalten und darin beschlossen, daß der im Jahre 1820 als Landschaftsdirector im hohen Alter verstorbene Joseph von Wollschläger, damals noch ein junger Mann, da er für den beherztesten und unerschrockensten galt, seinem verstorbenen Oheim den Kopf abhauen sollte. Von einem Mönch des Bernhardinerklosters Jacobsdorf begleitet begab er sich in die Gruft dieses Klosters wo der Verstorbene beigesetzt war, jeder mit einer Kerze in der Hand. Das Sarg wird geöffnet und der Leichnam emporgezogen, um ihn auf den Rand des Sarges zu legen, die natürliche Bewegung, welche das in Folge dessen zurücksinkende Haupt macht, jagt dem Mönch solches Entsetzen ein, daß er die Leuchte fallen läßt und entflieht. Obwohl allein verliert Wollschläger doch nicht die Besonnenheit, mit dem mitgebrachten Beile schlägt er den Kopf herunter, aber ein mächtiger Blutstrom dringt ihm entgegen und verlöscht die einzige noch übrige Kerze. Nur mit Mühe glückt es ihm in der fast gänzlichen Finsterniß, etwas Blut in einem Becher aufzufangen und mit diesem heimzukehren. Er verfällt in eine hitzige Krankheit, die ihm beinahe das Leben kostet. Die Leiche mit dem Haupt zwischen den Füßen ist bis heutigen Tages in der Gruft des Klosters Jacobsdorf und zwar in der mittleren Kammer, wo sich das Erbbegräbniß des Geschlechts von Wollschläger befindet, zu sehen.“

Der abgeschlagene Kopf ist eine übliche Bannmaßnahme gegen Vampire. Interessant an diesem Fall ist aber, dass Wollschläger hier frei nach dem Motto „wie Du mir, so ich dir“ handelt. Statt den Vampir sein Blut trinken zu lassen, dreht er den Spieß um und konsumiert stattdessen das Blut des untoten Onkels. So werden die Vampire in der Gegenwartsliteratur erst erschaffen. Im Falle Wollenschlägers scheint es jedoch gewirkt und dem Spuk ein Ende gesetzt zu haben.

Woher der Name des Vampirs kommt, konnte in der Sprachforschung bisher noch nicht zufriedenstellend geklärt werden. Im deutschsprachigen Raum taucht er erstmals in einer Schrift aus dem Jahr 1732 auf: „Curieuse und sehr wunderbare Relation, von denen sich neuer Dingen in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs, aus authentischen Nachrichten mitgetheilet, und mit Historischen und Philosofischen Reflexionen begleitet.“ Wer der Autor dieses Werkes ist, wissen wir leider nicht, lediglich seine Initialen W.S.G.E. sind überliefert. Wenig später wird diese Bezeichnung für bluttrinkende Untote auch in der französischen (vampire) und in der englischen (vampire) Literatur gebräuchlich. Den Namen haben die Blutsauger mit ziemlicher Sicherheit aus dem slawischen Sprachraum übernommen. In Serbien heißen sie vampir, lampir, lapir, upir und upirina, in Albanien kennt man sie als vampir oder dhampir, wobei dham „Zahn“ und pir „trinken“ bedeutet. In Weißrussland, der Ukraine und der Slowakei wird das Suffix -pir allerdings mit „geflügeltes Wesen“ übersetzt, dort nennt man Vampire upyr (Ukraine) oder upir (Weissrussland und Slowakei). In Polen fürchtet man die upiór oder wąpierz.

In Rumänien ist der vârcolac ein Dämon, der mit der Mondfinsternis assoziiert wird und Blut trinkt. Alexander Puschkin führt 1834 den wurdalak im gleichnamigen Gedicht erstmals in die russische Sprache ein, wenig später erzählt Alexei Tolstoi die Geschichte der „Familie des Wurdalak“. Was es mit diesen Wesen auf sich hat, lässt er darin den alten, über 70-jährigen Marquis d’Urfé definieren: „Ich sollte ihnen vielleicht erklären, meine Damen, dass die Wurdalaks, wie man bei den slawischen Völkern die Vampire nennt, in jenen Ländern für nichts anderes als Leichen gelten, welche aus ihren Gräbern gestiegen sind, um das Blut der Lebenden zu saugen. Soweit sind ihre Gewohnheiten dieselben wie die aller anderen Vampire, aber sie besitzen noch eine andere, die sie noch viel schrecklicher macht. Die Wurdalaks, meine Damen, saugen vorzugsweise das Blut ihrer nächsten Familienmitglieder und ihrer engsten Freunde, die, sobald sie tot sind, selbst zu Vampiren werden.“

Auch der strigoi ist ein bluttrinkender rumänischer Untoter, der vornehmlich seine eigene Familie heimsucht. Jener Petre Toma, der noch im Jahr 2004 von seinen Verwandten exhumiert wurde, war angeblich ein solcher strigoi. Diese Untoten sollen nicht nur Blut saugen, sondern auch großen Lärm machen und erbittert gegeneinander kämpfen, vornehmlich in der Nacht zum Andreastag, dem 30. November.

Die Griechen fürchten sich vor dem wrykólakas. In den meisten Legenden ist dieser Blutsauger eng mit dem Werwolf verwandt. Manchmal wird zum wrykólakas, wer das Fleisch eines vom Werwolf gerissenen Schafes verzehrt, manchmal zeigt aber auch der wrykólakas selber Eigenschaften des Werwolfes wie starke Körperbehaarung oder glühende Augen. Eigenarten und Aussehen des wrykólakas können von Region zu Region stark variieren.

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