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Der Wiedergänger

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Die wohl älteste Form des Untoten ist der Wiedergänger – ein Toter, der sein Grab verlässt und zu den Lebenden zurückkehrt. Zu ihnen sind auch die Vampire, Aufhocker und kopflosen Reiter zu zählen, auf die weiter unten eingegangen wird. In den nordischen Sagen des 12. und 13. Jahrhunderts beispielsweise sind die draugar genannten Wiedergänger ein häufiges Motiv, dessen geistesgeschichtliche Wurzel bis in die Vorgeschichte zurückreicht. Einer von ihnen begegnet uns in der populären isländischen Volkssage über den Diakon von Myrká, einem Hof in der Nähe von Akureyri im Eyjafjördur. Der Diakon ist verliebt in Gudrún, die auf der gegenüberliegenden Seite des Tals lebt. Auf dem Weg zu seiner Geliebten bricht die Eisdecke unter den Hufen seines Pferdes ein und er ertrinkt in den eisigen Fluten. Danach verlässt der zum Wiedergänger gewordene Diakon Nacht für Nacht sein Grab auf dem Friedhof und peinigt seine Geliebte, die er zu sich zu holen versucht. Als in der Finsternis einmal der Mond hinter einer Wolke hervorkommt, sieht Gudrún an seinem Hinterkopf eine kahle Stelle, durch die der bleiche Schädelknochen leuchtet. Der Diakon ruft:

„Es gleitet der Mond, es reitet der Tote,

siehst Du nicht auf meinem Hinterkopf den weißen Fleck.

Garún, Garún?“

Den Namen seiner Geliebten, Gudrún, kann er nicht aussprechen – denn die darin vorkommende Silbe Gud- bedeutet auf Isländisch „Gott“.

Die Gebete eines zum Beistand herbeigerufenen christlichen Priesters sind vergebens. Schließlich wenden die Bauern von Myrká sich an einen Hexenmeister aus dem Norden. Der gräbt einen großen Stein aus und platziert ihn in der Mitte des Gästezimmers, in dem Gudrún nächtigt. Als der Diakon in der folgenden Nacht erscheint, zwingt er den Wiedergänger unter den Stein – und dort ruht er bis heute. In die Geschichte des Diakons von Myrká fließen mehrere klassische Elemente des Wiedergänger-Wesens mit ein. Dazu gehört die partielle Auflösung des Körpers – die kahle Stelle am Hinterkopf – ebenso wie der schwere Stein, unter dem der Diakon am Ende gebannt wird. Beides sind häufig Bestandteile von Wiedergänger-Sagen. Besonders interessant ist hier aber vor allem die völlige Immunität gegen christliche Bannriten, die ebenfalls ein immer wiederkehrendes Element ist. Der Priester kann gegen den Diakon nichts ausrichten. Erst die viel ältere heidnische Kunst des Hexenmeisters ist in der Lage, den Wiedergänger unter dem Stein zu bannen.

Geköpft und gepfählt

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