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Mit dem Segen der Kirche – Untote im mittelalterlichen Alltag

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Mit so vielen Untoten im Umfeld der Bibel verwundert es kaum noch, dass sie auch im Kirchenalltag ihren Platz hatten. Auch wenn die Riten und Praktikendes Volkes im Umgang mit dem Tod oftmals Wurzeln hatten, die bis weit in die vorchristliche Zeit zurückreichten, arrangierte die Kirche sich meist mühelos damit. Da der Platz unmittelbar um die Kirche der Ort war, an dem die Toten begraben wurden, griffen hier heidnische Gepflogenheiten und kirchliche Vorstellungen oft nahtlos ineinander.

Ein Beispiel dafür ist die geweihte Erde des kirchlichen Friedhofes. In der Bibel findet sich kein Hinweis auf die Weihe eines Begräbnisplatzes durch einen Priester. Aber schon früh etablierte sich die Gepflogenheit, tote Christen in geweihter Erde zu bestatten. Was andernfalls geschehe, wurde allerdings nie genau festgesetzt. Vielerorts hielt sich jedoch der Glaube, dass in ungeweihter Erde ruhende Tote eben nicht zur Ruhe finden könnten.

Diese Verpflichtung zur Bestattung in geweihter Erde bekam schon im Mittelalter so viel Gewicht, dass Menschen, die sich des unchristlichen Verhaltens verdächtig gemacht hatten, der Ruheplatz auf dem kirchlichen Friedhof verwehrt wurde. Noch im 17. Jahrhundert ist die im Rituale Romanum gegebene Liste erschreckend lang: „Die kirchliche Bestattung wird Heiden, Juden und allen Ungläubigen, Häretikern und ihren Anhängern, jenen, die den christlichen Glauben ablehnen, Schismatikern und öffentlich Exkommunizierten unter großer Exkommunikation, Interdizierten und jenen, die an einem interdizierten Ort sind, so lange [die Interdiktion] währt, verweigert; ebenso den Selbstmördern, die sich aus Verzweiflung oder Jähzorn umbrachten [nicht aber wenn sie dies aus geistiger Verwirrung heraus taten], sofern sie nicht vor dem Tod Zeichen der Reue zeigten; den im Duell Gefallenen, auch dann, wenn sie vor dem Tod Zeichen der Reue zeigten; jenen, von denen öffentlich feststeht, dass sie nicht zumindest einmal im Jahr das Sakrament der Beichte und die Kommunion zu Ostern empfingen, und die ohne jedes Zeichen der Reue versterben; die Kinder, die ohne Taufe starben. Wo in den vorhergegangenen Fällen Zweifel auftauchen, ist der Ordinarius zu befragen.“

Besonders der letzte Punkt, der die ungetauft verstorbenen Kinder betrifft, erwies sich als besonders sensibel. Denn in Zeiten mangelnder Hygiene und unzureichender medizinischer Kenntnisse kamen Kinder nur allzu oft tot auf die Welt oder verstarben kurz nach der Geburt. Besonders für angesehene Familien aber hätte eine Bestattung des Kindes in ungeweihter Erde eine nicht hinzunehmende Schmach dargestellt. Im frühen Christentum hatte man oft den einfachen Ausweg gewählt und das verstorbene Kind post mortem getauft. Schon im ersten Korintherbrief aber verbot Paulus diese Praxis. Sie hielt sich dennoch hartnäckig, denn noch bis in karolingische Zeit musste dieses Verbot öfter wiederholt werden. Gegen Ende der Karolingerherrschaft setzte sich dann ein anderer Brauch durch: Entweder wurden die ungetauft verstorbenen Kinder direkt an der Friedhofsmauer bestattet, also an der Grenze von geweihter und ungeweihter Erde, oder aber man begrub sie dort, wo das Traufwasser vom Kirchendach auf die Erde traf. Das durch die Berührung mit dem Gotteshaus geweihte Wasser konnte so beständig die kleinen Leichname benetzen und zumindest einen taufähnlichen Zustand herbeiführen.

Im Spätmittelalter kam es dann zu einem weiteren Phänomen, das die Akzeptanz der Kirche für die Untoten verdeutlicht. Es entstanden Wallfahrtsstätten, an denen tote Kinder kurzzeitig wieder zum Leben erweckt werden konnten – gerade so lange, wie es brauchte, um sie zu taufen. Dazu legte man die verstorbenen Kinderleichen am Wallfahrtsort ab, erwärmte sie – und wartete auf die kleinste Bewegung. Allein in der Marienkirche von Oberbüren im Schweizer Kanton Bern sollen bis 1486 rund 2000 solcher Kinderleichen präsentiert worden sein. Archäologen fanden bei Untersuchungen auf dem Friedhof immerhin 260 Kleinkinderskelette. All diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie setzen den Glauben an ein wie auch immer geartetes Weiterleben nach dem Tod voraus.

Darüber wie dieses Weiterleben aussah, gab es allerdings sehr unterschiedliche Vorstellungen. Während bei den wiedergekehrten Toten in der Bibel auf ihrer Reise ins Jenseits keinerlei Veränderung an Körper oder Persönlichkeit stattgefunden zu haben scheint, kennen die Legenden oder die Volkskunde durchaus auch andere Beispiele. Diese wollen wir uns im kommenden Kapitel etwas näher beleuchten.

Geköpft und gepfählt

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