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Italien Im Land der Motoren

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Die Ruhe vor dem Sturm: Einmal im Jahr ist Brisighella das Mekka der Motorsport-Fans. Dann sind regelmäßig Formel-1-Stars zu Gast.

Auto-Enthusiasten schwärmen für die Emilia-Romagna. Eine Reise im Wechselspiel von Be- und Entschleunigung

Von Tobias Schaumann

Die Emilia-Romagna, der flache Vorhof der Toskana, gilt als „der Bauch Italiens“. Es ist die Gegend, in der Spezialitäten wie Balsamico, Parmaschinken und Tortellini erfunden wurden. Kunstliebhaber zieht es in Städte mit unermesslichem kulturellem Reichtum. Bologna besitzt die älteste Universität Europas (gegründet 1016). Die Fassade der Kathedrale von Modena, von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt, fehlt in keinem Standardwerk zur Kunstgeschichte. Und nicht zuletzt schwärmen Motor-Enthusiasten für „La Terra dei motori“, das Land der Motoren.

Zwischen Reggio Emilia und Rimini sitzt eine einzigartige Ansammlung von Supersportwagen-Herstellern und Rennschmieden. Maserati, Ducati, Dallara, De Tomaso, Lamborghini und natürlich Ferrari – allein die Namen schmelzen am Gaumen wie ein Löffel Stracciatella-Eis. Dazu kommt rund ein Dutzend der mondänsten automobilen Sammlungen. Kollektionen wie die von Rhigini oder Stanguellini treiben Oldtimer-Freunden Tränen der Rührung in die Augen.

Ein Gebäude von atemberaubender Eleganz

Von beeindruckender Schönheit ist auch das „Museo Casa Enzo Ferrari“, das jüngste Monument im Land der Motoren. Der tschechische Architekt Jan Kaplicky schuf ein Gebäude von atemberaubender Eleganz. Der Baukörper wird von einer Dachkonstruktion gekrönt, das an eine Ferrari-Motorhaube erinnert. Lackiert ist das Dach nicht im typischen Rot, sondern in Gelb. In Gelb ist das Wappen Modenas gehalten; im Ferrari-Emblem mit dem springenden Hengst taucht der Farbton ebenfalls auf.

Das Innere des 20-Millionen-Euro-Objekts ist schlicht ein Traum in Weiß. Auf rund 5000 Quadratmetern genügt sich die Architektur selbst. Die paar historischen Renn- und Luxusautos, viele noch dazu nicht einmal aus dem Hause Ferrari, verlieren sich fast in der schwerelosen Tiefe des Raumes. Schräg gegenüber des durchgestylten MEF, so die Kurzbezeichnung, befindet sich das einstige Elternhaus des Firmengründers Enzo Ferrari. Einstig deshalb, weil der „Commendatore“ das terracottafarbene Anwesen schon in jungen Jahren verkaufte, um mit dem Geld Rennen fahren zu können. Heute stellen regionale Winzer vor der Haustüre verschiedene Ausprägungen des Lambrusco vor, der auch nicht mehr das ist, was er mal war – und das ist hier durchaus als Kompliment zu verstehen.


Im Inneren des Gebäudes sind historische Renn- und Luxuswagen ausgestellt.

Wer Blech gewordene Emotionen spüren will, fährt – knapp 20 Kilometer entfernt – nach Maranello. Am heutigen Ferrari-Standort befindet sich ebenfalls ein Museum. Sein Schwerpunkt liegt aber nicht auf der Architektur, sondern auf der schillernden Rennsport-Vergangenheit und -Gegenwart der Marke Ferrari. Und das verspricht Gänsehaut zumindest für die, die diesen legendären Sport so lieben. 30 bis 35 Modelle zeigt die Ausstellung, meist Exponate aus Privatbesitz. Dazu erfährt man Erstaunliches aus dem Leben des schrulligen Firmenpatriarchs, der offenbar cool genug war, selbst im Büro die schwarze Sonnenbrille nicht abzunehmen. Seine Verhandlungspartner sollten dem Commendatore nicht in die Augen sehen können.

Ferruccio Lamborghini (1916 bis 1993), ein anderer ganz großer Sohn des Landes der Motoren, war aus ähnlichem Holz geschnitzt. Der gelernte Landmaschinen-Mechaniker zeigte sich unzufrieden mit seinem Ferrari, wurde von Enzo abgekanzelt – und baute kurzerhand einen eigenen Sportwagen. Lamborghini, heute in den Händen von Audi und entsprechend tough gemanagt, öffnet selbst die heiligen Werkshallen für Besucher. In Sant Agata Bolognese können sie verfolgen, wie zum Beispiel das 700-PS-Geschoss „Aventador“ vom Band läuft – in Scheich-Gold oder Paris-Hilton-Pink. Testpilot Marco nimmt Auserwählte sogar mit auf eine Ausfahrt durch die umliegenden Felder. Dem Laien bereitet der brachiale Aventador fast körperliche Schmerzen. Wie schnell waren wir? „Wir halten uns an die Höchstgeschwindigkeit“, sagt Marco mit einem Gesichtsausdruck, wie ihn nur ein Italiener beherrscht.

Der wahre Balsamico wird tröpfchenweise konsumiert

Wem nach Geschwindigkeits-Exzessen der Sinn nach Slow Food steht, der wird im Land der Motoren mehr als nur fündig. In der „Acetaia Pedroni“ zum Beispiel gelten ganz andere Rundenzeiten. Bis der traditionelle Balsamico-Essig zum Verkauf steht, können schon einmal 37 Jahre vergehen. Zwölf, besser 25 Jahre, muss der wahre Balsamico in offenen Holzfässern lagern, bevor er tröpfchenweise konsumiert wird.


Einmal im Jahr steht Brisighella Kopf, wenn die jungen Formel-1-Stars einfliegen.

In Reihen aus mehreren Fässern, die jeweils unterschiedliche Altersstufen markieren, wartet das edle Fluid, bis es reif ist. Immer wenn im Hause Pedroni ein Sohn geboren wird, wird eine solche Reihe angelegt. Viele Jahre später trägt der fertige Essig dann den Namen des Kindes. „Giuseppe“ schmeckt süßlich-harzig und für unbedarfte Gaumen unglaublich aromatisch. Er wird im angeschlossenen Restaurant zu Mamas Pasta und zu hausgemachtem Vanilleeis serviert. In einen Holzspind am Eingang müssen Gäste ihre Handys einsperren – „für unser aller Ruhe“. Ruhe und Geduld sei das Wesentliche bei der Essigherstellung, doziert Firmenchef Italo Pedroni. Nur der echte „Aceto Balsamico Tradizionale“ darf in die ebenfalls markenrechtlich geschützten Fläschchen abgefüllt werden. Entworfen wurde das eigenwillige Flakon – wie könnte es anders sein – von einem Automobil-Designer.

Die Emilia-Romagna wird ihren Benzingeruch eben nicht los, auch nicht in dem mittelalterlichen Bergdorf Brisighella 65 Kilometer südwestlich von Bologna. „Wir sind das Land der Motoren und der Geschmäcker“, sagt Brisighellas Bürgermeister Davide Missiroli. „Das ist unser Schicksal.“ Einmal im Jahr steht das Örtchen kopf, nämlich dann, wenn die „Trofeo Lorenzo Bandini“ verliehen wird. Mit der Auszeichnung werden junge Formel-1-Fahrer geehrt. Die Formel-eins-Stars fliegen in Brisighella ein – und verwandeln die 4000-Seelen-Gemeinde in ein Motorsport-Mekka von Weltruhm. Ist der Rummel vorbei, fällt Brisighella wieder in einen sympathischen Schönheitsschlaf. Es ist wohl dieses Wechselspiel von Be- und -Entschleunigung, das den Reiz der Emilia Romagna ausmacht.

Kurz informiert

 Information: www.visitemiliaromagna.de, www.motorvalley.it

 Einreise : Gültiger Personalausweis oder Reisepass

 Währung: Euro

 Einwohner: ca. 60,9 Mio.

 Hauptstadt: Rom

 Geodaten: 44°13'14.7"N 11°46'10.8"E (Brisighella), Google Maps

 Reisezeit: Mai/Juni und September/Oktober herrschen die angenehmsten Temperaturen

 Nicht verpassen: Ein Besuch der urigen "Acetaia Pedroni" in Rubbiara die Nonantola lohnt sich doppelt. Erstens erfährt man alles zur Tradition, Herstellung und Qualitätsanspruch des echten Balsamico-Essigs, wie es ihn nur in der Region Modena gibt. Zweitens kann man die wertvolle Essenz vor Ort kosten. Mama Pedroni persönlich kocht ein einfaches, aber exzellentes Balsamico-Menü von Pasta bis Gelato (www.acetaiapedroni.it).

 Besonderheiten: Nirgendwo auf der Welt manifestiert sich Sportwagen-Faszination so verdichtet wie in der Emilia-Romagna. Praktisch alle italienischen Luxus-Autobauer sind vertreten; bieten Führungen durch Werke und Museen an. Die legendäre Rennstrecke in Monza ist nicht weit.

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