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Montenegro Schöne Unbekannte

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Schmale Gässchen erwecken ein mediterranes Gefühl und lassen Erinnerungen an den letzten Italien-Urlaub wach werden.

Balkan mit Italo-Flair oder Italien mit Ost-Einschlag? Egal, das Land hat es verdient, wiederentdeckt zu werden

von Ulf Lippmann

So unbekannt kann also ein Land sein: „Montenegro? Ist es da nicht gefährlich in Südamerika?“, fragt die besorgte Schwester. Aber Mutter weiß es besser: „Mazedonien liegt doch auf dem Balkan.“ Stimmt, aber das Ziel ist Montenegro. Einst Königreich, dann ein Teil Jugoslawiens, seit 2006 unabhängiger Staat und nicht nur auf der touristischen Landkarte für viele ein weißer Fleck.

Na ja, ein fast weißer Fleck, denn bis in die achtziger Jahre war die Küste rund um Budva ein beliebtes Ziel für Jugoslawien-Urlauber. Dass sie in Montenegro waren, ahnten die meisten Gäste damals nicht. Die schöne Unbekannte kann also auch eine alte Freundin sein. Aber wie das so ist, beim Wiedersehen mit alten Freundinnen – sie sind nach vielen Jahren manchmal nicht gleich wiederzuerkennen.

An den Stadtmauern von Budva haben braune Loungemöbel die weißen Plastikstühle verdrängt. Dort, wo einst die Taka-Tuka-Land-Szenen für Pipi-Langstrumpf-Filme gedreht wurden, erholen sich heute frisch toupierte Ladys bei einem Aperol-Sprizz vom Shopping oder der Wellness-Anwendung im Spa-Hotel.

Der mittelalterliche Stadtkern erscheint ebenfalls wie frisch toupiert: der Sandstein blendend hell, die Dächer makellos ziegelrot und die Gassen so idyllisch, dass man blinzeln muss. Aber ihren Charakter hat die geliftete alte Freundin zum Glück nicht verloren. In den Lokalen an der Strandpromenade gibt es Oldiemusik aus der Hammondorgel zum frischen Fisch und der selbst gebrannte Schnaps namens Loza fließt in Strömen.

Ist das Balkan mit Italo-Flair oder Italien mit Ost-Einschlag? Egal, es ist Montenegro, das es verdient hat, neu oder wieder entdeckt zu werden. Wer es darauf anlegt, kann hier morgens im Mittelmeer baden und nachmittags im Hochgebirge Ski fahren.

Eine ganze Insel für ein Hotel

Vor allem an der Küste setzt man in Montenegro auch auf Exklusivität. Madonna und die Rolling Stones haben schon Konzerte gegeben, James Bond war da und im Frühjahr soll sich Michael Douglas nach einer Bleibe in einer der vielen Luxus-Appartementanlagen umgesehen haben. Die Riviera von Budva schickt sich an, zum Saint Tropez des Ostens zu werden. In Porto Montenegro bei Tivat finden Besitzer von Superyachten mit bis zu 100 Metern Länge einen Ankerplatz und dazu noch Designerboutiquen und Penthouse-Suiten für die stilvolle Übernachtung zwischendurch. Wer dann noch einen Tausender oder zwei zu viel hat, wird sein Geld sicher im „Casino Royal“ in Becici los, in dem auch der gleichnamige James-Bond-Film gedreht wurde.

Promis und Superreiche geben sich dem Vernehmen nach auch die edel-rustikalen Klinken auf der Insel Sveti Stefan in die Hand. Die eng bebaute Insel liegt rund 50 Meter vor der Küste, ist über einen Damm zu erreichen und ein einziges Hotel. Jedes der mittelalterlichen Häuser ist eine Suite. Design und Eleganz der Einrichtung sind so beige und zurückhaltend, dass jede kleine Blüte oder das große blaue Meer wie ein sensationeller Farbfleck wirken. Schon in den sechziger Jahren haben sich hier auf Einladung Titos Elizabeth Taylor und andere Showgrößen prächtig amüsiert. Von ausgelassener Sommerstimmung ist in all der sandstein-güldenen Abgeschiedenheit heutzutage aber nichts mehr zu spüren. Bei Zimmerpreisen ab 750 Euro aufwärts ist wohl größtmögliche Ruhe im Preis mit drin. Klar, dass da auch das Personal nicht weiter auffallen darf. Alle tragen sandsteinbeige.


Bewaldete Berge und eine weitgehend unberührte Küste prägen die Landschaft von Montenegro.

Deutlich günstiger, dafür aber mit sensationellem Postkartenblick auf die Insel Sveti Stefan, wohnt es sich im gleichnamigen Dorf auf dem Festland, wo zahlreiche kleine Hotels und Pensionen Unterkünfte für Normalverdiener anbieten. Den Strand kann sich Otto Normalurlauber dann mit den Promis von Sveti Stefan teilen. Denn alle Strände in Montenegro sind öffentlich. Und es gibt viele. Felsig, sandig, lang, kurz, ruhig oder wild. Für wirklich jeden Geschmack ist an der nur 73 Kilometer kurzen Küste ein Strand dabei. Man muss ihn nur für sich entdecken.

Es wäre jedoch schade, die Entdeckungsreise auf die Küste zu beschränken, denn direkt hinter den Stränden erheben sich steile Karstfelsen und auf Serpentinenstraßen schlängelt man sich ins andere Montenegro. Karge Felsen, üppige Ebenen und immer wieder großartige Aussichten auf Meer oder Gebirge wechseln sich ab. In den Bergdörfern gibt es neben hausgemachtem Schinken und Käse auch Sagen und Legenden, die nach jedem Glas Loza noch dramatischer werden.

Im Nationalpark leben Bären und Wölfe

Dramatisch ist auch das Wort, das die Landschaft am Fluss Tara richtig beschreibt. Erst ein ruhiges Flüsslein am Straßenrand wird die Tara sehr bald viel, viel schneller, schäumender und strömt schließlich durch eine Schlucht, die der zweittiefste Canyon der Welt ist. Schon von der Straße aus ist die Aussicht oft atemberaubend. Wer sich die Gegend erwandert wird mit vielen kleinen Entdeckungen am Wegesrand belohnt.

Obwohl keine 100 Kilometer von der Adria entfernt, sind Loungemöbel und Aperol-Sprizz im Bergland kein Thema. Hier ist alles Gebirge, Wildnis und Abenteuer. Kolasin etwa ist ein guter Ausgangspunkt für Wanderer und Mountainbiker. Über „Trails“ natürlich. Es gibt aber auch gut ausgeschilderte Wege. In jedem Fall geht es durch den Nationalpark Biogradska Gora mit einem der letzten Urwälder Europas. Dass hier noch Bären und Wölfe leben, glaubt man dem Ranger sofort. Wo, wenn nicht hier? Genau so wie diesen haben wir uns als Kinder den „tiefen Wald“ aus dem Märchenbuch vorgestellt.

Unter dem Blätterdach der hohen Buchen grünt es üppig in allen Winkeln. Umgestürzte Bäume sind von Moos überwuchert und zwischendrin liegen verwunschene Seen und es plätschern kleine Bäche. Wer den Aufstieg durchs Unterholz geschafft hat, kommt auf idyllischen Almen an. Die heißen hier Katuns und sind eher kleine Dörfer, denn die Nachbarn ziehen im Sommer oft gemeinsam auf den Berg, um das Vieh zu hüten. Blühende Wiesen und der Blick auf schneebedeckte Gipfel erinnern ein bisschen ans Allgäu. Ebenso wie die rustikalen Brotzeiten samt Schnaps, die dort serviert werden.


Und auch das ist Montenegro: die schicke Promenade von Budva.

Die Landschaft im Nationalpark Durmitor dagegen sieht aus wie auf chinesischen Tuschezeichnungen. Bizarr geformte Kiefern klammern sich an steile Felsen und im Tal rauscht der Fluss. Als Wandgemälde im Chinarestaurant wäre diese Szene reinster Kitsch, in der Realität ist sie einfach schön. Die höchsten Berge Montenegros gehören zum Gebiet Durmitor. Über 20 Zweitausender und auch ein Skigebiet. Bis weit ins Frühjahr hinein herrschen hier oft beste Schneeverhältnisse.

Mit überfüllten Pisten und Wartezeiten am Lift muss aber nicht gerechnet werden. Denn die Montenegriner von der Küste sind nicht die ganz großen Skifahrer. Sie kommen eher im Sommer ins kühle Gebirge und genießen den ruhigen Winter am Meer. „Mit dem Schnee sind wir nie so richtig warm geworden“, sagt Fremdenführer Andri. Deswegen ist wohl auch das Skigebiet Durmitor für viele eine weitere schöne Unbekannte irgendwo zwischen Mazedonien und Südamerika.

Kurz informiert

 Information: www.montenegro.travel

 Einreise : Gültiger Personalausweis oder Reisepass

 Währung: Euro

 Hauptstadt: Podgorica

 Geodaten: 42°16'48.0"N 18°50'14.1"E (Budva), Google Maps

 Einwohner: ca. 0,6 Mio.

 Reisezeit: Das Klima ist mediterran. Mit heißen, trockenen Sommern und mäßig kühlen Wintern

 Gesundheit: Pflichtimpfungen sind nicht erforderlich, Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis A werden empfohlen.

 Nicht verpassen: Der Ausblick auf die Bucht von Kotor. Die verzweigte Bucht ist eher ein Fjord. Eine spektakuläre Serpentinenstraße führt hinauf ins Hinterland. Auch die venezianisch geprägte Altstadt von Kotor ist sehenswert.

 Besonderheiten: Vom Strand in den Schnee. Montenegro ist so klein, dass man im späten Frühjahr Strand und Schnee an einem Tag erleben kann. Von der Mittelmeerküste bis ins Hochgebirge dauert die Fahrt über die Hauptstadt Podgorica nur wenige Stunden.

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