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Griechenland Die Stadt der guten Hoffnung

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Ein Wahrzeichen im Umbau, ein Land im Wiederaufbau: Griechenland erlebt derzeit einen wirtschaftlichen wie emotionalen Wirbelsturm.

Die Touristen strömen wieder auf die Akropolis und erleben ein Athen, das die Krise auch als Chance genutzt hat

Von Doris Wegner

Vielleicht sind nur die Berufspendler gemeint, die täglich nach Athen fahren. „Wake up“ hat ein Sprayer mit schwarzen Graffiti-Buchstaben an die Mauer gesprüht. Ausgerechnet in einem schicken Viertel Athens. Vielleicht ein Überbleibsel aus den schlimmsten Tagen der Geldkrise. Wacht auf! Schaut den Tatsachen ins Auge! „Das Schlimmste haben wir wohl überstanden“, sagt Johanna. „Es kommen wieder mehr Touristen, es gibt wieder mehr Arbeit“, sagt die Fremdenführerin. Die Zeiten sind vorbei, dass einige Hotels wegen Gästemangels schließen mussten. Sogar die alte Akropolis wurde zum Opfer der Finanzkrise und konnte einige Wochen nicht besichtigt werden. Doch jetzt ziehen die Besucher längst wieder in Scharen zu dem Berg mitten in der Stadt, wo die Demokratie ihren Anfang nahm und Apostel Paulus seine Rede an die Athener hielt.

Athen hatte lange Zeit einen abschreckenden Ruf. Laut, heiß und abgasverseucht sei Griechenlands Hauptstadt, ein echter Moloch, Zwischenziel auf dem Weg zu den Inseln. Doch seit den Olympischen Spielen im Jahr 2004 hat sich viel verändert. Eine Fußgängerzone führt etwa rund um den geschichts-trächtigen Felsen. Entspanntes Flanieren unter Bäumen, Sonntagsvergnügen vieler Athener.

Es braucht nur ein paar Schritte, bis das moderne Akropolismuseum auf der linken Seite auftaucht, das über einer Siedlung aus dem 7. Jahrhundert vor Christus gebaut wurde. Die Besucher gehen über dicke, zart gepunktete Glasplatten und in der Tiefe sind Siedlungsreste von Steinhäusern und Kanälen zu sehen. Punkte, damit den Besuchern nicht schwindlig wird. Immer wieder geht man auch im Museum über solche Stellen und schaut fast 3000 Jahre in die Vergangenheit – da kann einem auch trotz der Punkte in den Glasböden ziemlich schwindlig werden.

Der hochmoderne Bau und die alten Traditionen

Und so sieht man viele Museumsbesucher vorsichtig über die gläsernen Bodenfenster tappen und nach unten starren. Doch an einer Kleinigkeit im breiten Aufgang gehen viele vorbei. Eine Opfergabe, wie sie häufig bei Ausgrabungen gefunden wurde, ist auch in diesem großen Haus dem Boden gegeben worden. Tonschälchen und Väschen, in denen einmal Lebensmittel gefüllt waren, liegen da wie in einem etwas größeren Vogelnest. Damit sollten die Götter milde gestimmt werden. Die Architekten des hochmodernen Baus haben den Brauch aufgegriffen, erzählt Johanna, die stolze Griechin mit der wallenden roten Haarmähne. Immer weiter geht es in dem spektakulären Museumsbau treppauf, bis auf die gleiche Höhe – so scheint es – mit der Akropolis auf dem Felsen gegenüber sind.

Die Akropolis. Seit mehr als 2500 Jahren allgegenwärtig in der Stadt. Noch immer stolz. Noch immer wunderschön und beeindruckend. Auch eingerüstet. Derzeit ist es die Westfassade des Parthenon, an der gearbeitet wird. Seit 1979 wird hier restauriert – ununterbrochen, von ein paar Wochen während der Krise abgesehen. Der Legende nach gab es einen Wettstreit zwischen Göttin Athene und Poseidon, wer über die Stadt herrschen werde. Athene machte den Bürgern das wertvollere Geschenk. Sie pflanze einen Olivenbaum, während der Meeresgott Salzwasser brachte.


Seit mehr als 2500 Jahren allgegenwärtig: die Akropolis.

Die stolze, kampfbereite Athene scheint viele Töchter zu haben. Die Griechinnen mit ihrem markanten Profil und den langen zusammengebundenen Haaren sehen aus wie fleischgewordene Göttinnen. Wie schlimm es auch kommt, ihre Haltung jedenfalls scheinen sie nicht zu verlieren. Kalliroy etwa, die selbständige Innenarchitektin hat in der Krise keine Aufträge mehr bekommen. Jetzt betreibt sie einen kleinen Laden voller Kunsthandwerk in der Plaka, Athens Altstadt, gegenüber der Katharinenkirche. Ihre Künstlervereinigung versucht aus Recyclingmaterial etwas zu gestalten – und sich etwas dazuzuverdienen. Töpferwaren, Trinkgläser aus alten Flaschen, Spielzeug aus Stoffresten. Kleinigkeiten, etwas müsse man ja schließlich machen, sagt Kalliroy.

Nicht weit entfernt die Athinas, eine der Haupteinkaufsstraßen der Athener. Wie sonst sollte sie heißen? Hier gibt es alles, was man für das tägliche Leben braucht; das macht sie sympathischer, nützlicher als andere Einkaufsstraßen, anderer europäischer Hauptstädte, wo sich längst die Luxusmarken ihre „Flagshipstores“ leisten. In der Athinas gibt es Gartenschläuche, Dichtungen, Kanarienvögel und Hamster, Oliven, Zeitschriften, Haushaltswaren, Lebensmittel, Stecker für den Autogurt, damit die elektronische Erinnerung der Autos ausgetrickst werden kann. Gängeleien wie eine Anschnallpflicht sind den stolzen Griechen zuwider, sagt Johanna.

Durch die Athinas streifen aber auch diejenigen, deren Stolz gebrochen wurde. Alte Männer und Frauen mit verwitterten Gesichtern, die in den Abfällen der anderen noch etwas zu finden hoffen. Mittendrin in diesem Gemischtwarenladen des Lebens ein Fremdkörper: das Grecohotel, das seit kurzem wieder geöffnet hat. Design und Kunst, in der Lobby, in den Zimmern, überall. Als während der Krise die Touristen wegbleiben, musste es schließen. Der Besitzer der Hotelkette nutzte die Zeit für eine Runderneuerung. Als unten in der Athena Demonstranten vorbeiziehen, schließt PR-Managerin Judy das Fenster. „Wir haben das fast jede Woche“, sagt die Engländerin. Dieses Mal sind es die Asylanten, die mehr Recht fordern.

Ein Gespräch über das Leben und die Hoffnungslosigkeit

In der Taverne Sirtaki, 60 Kilometer von Athen entfernt, steht die weißhaarige Oma Anna in der Küche des Familienbetriebs. Über 80 muss sie sein und paniert noch immer diese köstlichen kleinen Sardinen, die man sich mit Kopf und Schwanz in den Mund schiebt. Am Kap Sounio haben die reichen Athener ihr Sommerhaus. Und das Sirtaki ist seit vielen Jahren ihr Wirtshaus. Holzstühle, Holztische, einen Ouzo schon zur Vorspeise, eine richtige Taverne. Das alte Ehepaar aus der Nachbarschaft hat sich extra zu einem Abendspaziergang aufgemacht, weil es von den Wirtsleuten gehört habe, dass Deutsche an diesem Abend zu Gast seien. Ein Diplomat und seine Ehefrau.

„Wir kennen München, die Neue Pinakothek“, erzählt die sympathische Frau. Doch das Reisen sei vorbei. Die Gespräche drehen sich über das Leben und die Zukunft in Griechenland, ihre Kinder und Enkel, über die Schulden und die Hoffnungslosigkeit. Ein paar Tränen blitzen im schummrigen Licht auf, bevor die gepflegte Rentnerin sie wegzwinkert. „Hoffentlich erleben wir noch andere Zeiten“, sagt sie. Ihr Blick geht aufs Meer und etwas weiter zum Poseidon-Tempel auf dem Felsvorsprung des Kaps, durch dessen Säulen die untergehende Sonne zu sehen ist.


Das Strandbad am Vouliagmeni-See. Das dunkelgrüne Wasser soll verjüngende Wirkung haben. Tatsächlich ist es leicht salzig wegen einer unterirdischen Meeresverbindung.

So allgegenwärtig die Krise und ihre Folgen noch immer sind, gibt es Orte, an denen die Politik keine Rolle zu spielen scheint. Entspannte Sonntagnachmittagsatmosphäre im Strandbad des Vouliagmenisees rund 25 Kilometer von Athen entfernt. Dem Wasser wird eine heilende und verjüngende Wirkung nachgesagt. Es hat das ganze Jahr über 24 Grad und ist leicht salzig – weil der See eine unterirdische Verbindung zum Meer hat. Ältere Herren tragen ihre großen Badehosen bis zum Bauchnabel und lassen sich gelassen im Wasser entlang der steilen Felswände treiben.

Andere sitzen auf den hölzernen Treppen und halten ihre Füße den vielen schwarzen Fischchen hin. Eine Art Peeling, die zu den Besonderheiten des Sees zählt. Nur einmal im Jahr wird diese Ruhe am Vouliagmenisee durchbrochen, wenn der Energiedrink-Hersteller Red Bull den Wettbewerb im Klippenspringen veranstaltet. Das muss man schon mögen. Die Felswände sind 32 Meter hoch und der See 18 Meter tief. Zurück nach Athen führt der Weg über die Marina von Flisvos. Beste Gelegenheit für ein Frappé, diesen geeisten Nescafé, dem man es so wunderbar im Schatten der Bäume aushalten kann. Ein Café reiht sich ans andere und in den Hafenbecken eine Superjacht an die nächste. Die vermeintlich allgegenwärtige Krise kann so weit weg scheinen.

Kurz informiert

 Information: www.visitgreece.gr

 Einreise: Gültiger Personalausweis oder Reisepass

 Währung: Euro

 Einwohner: 11 Millionen

 Hauptstadt: Athen

 Geodaten: 37°59'32.3"N 23°43'15.0"E (Athen), Google Maps

 Nicht verpassen: Das Neue Akropolismuseum ist nur wegen seinen Ausstellungsstücken, sondern auch wegen seiner Architektur ein Muss. Es liegt auf Sichtweite der Akropolis. Der Eintritt kostet 5 Euro. Englischsprachige Internetseite: www.theacropolismuseum.gr. Der Eintritt zur Akropolis kostet 12 Euro.

 Besonderheiten: Der Vouliagmeni-See 20 Kilometer außerhalb von Athen ist ein salziger Süßwassersee, weil er unterirdisch mit dem Meer verbunden ist. Im See gibt es kleine Spa-Fische, die es lieben, an den Füßen zu knabbern.

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