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3.2. Jesus von Nazareth

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211 Christus als Guter Hirt, Mausoleum der Galla Placidia (5. Jh.); Ravenna

Pesch 1980, 322–325

Theißen/Merz 1996, 158

Speyer 2007a, 248 Lit.

Klauser 1982

Kerényi 1944

Zu Ende der Regierungszeit des mit Augustus befreundeten römischen Vasallenkönigs Herodes des Großen dürfte in Nazareth Jesus als Sohn des Bauhandwerkers (tekton) Joseph und dessen Frau Maria zur Welt gekommen sein. Er hatte mehrere Brüder und Schwestern. Der legendäre Geburtsort Bethlehem kam später als »Ergebnis religiöser Phantasie und Vorstellungskraft« wegen der prophezeiten Davidsohnschaft Jesu ins Spiel. Das unschuldige göttliche Kind als Träger religiös-magischer Kraft war ein verbreiteter Topos im Alten Orient und im Hellenismus. Dass Hirten in der Geburtsgeschichte eine Rolle spielten und eine der Jesus-Darstellungen jene des guten Hirten war, thematisierte ein Motiv, das sich wohl vom antiken Schafträger (kriophoros) ableitete. Es war aufgeladen mit ethischem und soteriologischem Gehalt, denn der Kriophoros fungierte als Opferträger und Geleiter der Seelen auf der Jenseitsreise.

Ferguson 2003, 583–620; Bruce 1991

Bultmann 1926, 10

Speyer 2008, 10

Die Familie war in der Tradition Israels verankert, die Lebensgeschichte Jesu ist durchgehend jüdisch. Historisch ist die Existenz Jesu auch dank zahlreicher außerbiblischer Bezeugungen nicht ernsthaft zu bestreiten, greifbare Fakten zu seinem Leben gibt es jedoch so gut wie nicht. Auch die Funde der über 190 Schriftrollen (aus dem 2. und 1. Jh.a) in den Höhlen des am Toten Meer gelegenen Qumran in den Fünfzigerjahren des 20. Jh.s trugen zur Klärung der Lebensgeschichte Jesu nichts bei. Zum Unterschied von den meisten griechischen und römischen Philosophen gibt es von Jesus weder ein bildliches noch ein literarisches Porträt.

Jesus wuchs vielleicht im Strahlungsfeld der nahe gelegenen hellenistischen Stadt Sepphoris auf, das zwei Mal (20p und ab 61p) Hauptstadt Galiläas war. Das im Wiederaufbau befindliche »Ornament Galiläas«, wie Josephus Flavius die Stadt nannte, bot Bauhandwerkern sicherlich ein gutes Auskommen. Man sprach in Nazareth einen aramäischen Dialekt, mit Sicherheit Griechisch und vermutlich auch das selten gewordene Hebräisch.

Theißen/Merz 1996, 187

Speyer 2008, 12f; Speyer 1989, 176–192; Schottroff 1983; Betz 1983; Barnett 1980/81; Bieler 1935/36 Demandt 2009, 63

Blumenthal 1999, 50

Mit etwa dreißig Jahren soll Jesus von Johannes getauft worden sein. Von Josephus wird dieser als griechischer Philosoph dargestellt, der Tugend, Gerechtigkeit und Frömmigkeit lehrte. Auch wenn Johannes und Jesus, der fortan als selbständiger Wandercharismatiker auftrat, als integrativ geschildert wurden, scheinen sie – ähnlich wie andere Propheten – verbreitete antihellenistische eschatologische Hoffnungen erfüllt zu haben. Sie traten als asketische Charismatiker, als »göttliche Männer« auf, die sich durch wundersame Geburt, Askese, Predigt und Wunderwirken auszeichneten. »An die Kindheit großer Männer hat die Antike vielfach Legenden geknüpft, denken wir nur an Kyros bei Herodot, an Augustus bei Sueton oder an Jesus bei Matthäus und Lukas. So auch bei Alexander.« Anscheinend erfüllten diese göttlichen Männer die religiösen Bedürfnisse der damaligen Zeit ideal: »Waren sie Könige, so brachten sie Frieden und Gerechtigkeit, waren sie nichtköniglicher Herkunft, so strebten sie nach Wissen und göttlicher Wahrheit und suchten die Welt zu bessern, indem sie ihre Lehren an Schüler und Zeitgenossen weitergaben. Auch besaßen sie übernatürliche Fähigkeiten, trieben Krankheiten und Dämonen aus, erweckten Tote und geboten den Naturgewalten; hatten sie einen gewaltsamen Tod erlitten, vermochten sie aufzuerstehen. Sie alle konnten mit dem Geburtsmythos legitimiert werden, wobei die elementaren Akte der Zeugung, Geburt und Aufzucht am besten dazu taugten, den Einbruch des Göttlichen in den menschlichen Alltag zu veranschaulichen.«

Zeit und Dauer des öffentlichen Auftretens von Jesus sind nicht mehr zu bestimmen. Der Fischerort Kapernaum am Nordufer des Sees Genezareth gilt als wichtiges Zentrum seines Wirkens. Im Vordergrund seiner ethisch hochstehenden Predigten stand das Liebesgebot gegenüber Gott, dem Nächsten und sogar dem Feind. Der soteriologische Gehalt seiner Lehre war stets umstritten. Das Reich Gottes, von dem er sprach, ließ sich apokalyptisch-jenseitig, geistig-innerlich oder utopisch-diesseitig verstehen.

Hasenfratz 2004, 69–73 Stegemann 1995, 307–346

Er wirkte mit nicht geringen magischen Praktiken Wunder und sammelte Jünger, darunter viele Frauen, um sich. Eine angeregte Diskussion unter Theologen dreht sich um eine mögliche Gefährtin von Jesus. Mit Berufung auf mehrere Schriften, darunter das (nicht kanonisierte) koptische Philippus-Evangelium (ein kürzlich entdecktes einschlägiges Papyrusfragment ebenfalls in koptischer Sprache wurde inzwischen als moderne Fälschung identifiziert) wird häufig die legendenhafte Maria Magdalena dafür namhaft gemacht. Starke Hinweise deuten auf eine im Römerbrief (Röm 16,7) erwähnte Apostolin namens Junia, die von den Kirchenvätern noch akzeptiert, von der Kirche des 13. Jh.s hingegen kurzerhand in einen Mann verwandelt wurde.

Cebulj 2008, 19

Dassmann 1986, 877ff

Merklein 1995

Theißen/Merz 1996, 154

Riedo-Emmenegger 2005; Stegemann 1995, 278–284

Berger 1994, 57

Die Zwölfzahl der namentlich Berufenen ergab sich aus der Repräsentation der zwölf Stämme Israels und konnte als politische Geste interpretiert werden, als Zeichen für ein neues Israel. Jesus sprach von der ihm zuteil gewordenen Offenbarung Gottes und autorisierte seine Nachfolger, das familienfeindliche Ethos der Wandercharismatiker, »Heimatlosigkeit, Familiendistanz, Besitzkritik und Gewaltlosigkeit«, zu lehren. Die Radikalität in der Nachfolgefrage ergab sich aus der Naherwartung eines Endes der Welt. Jesu Auftreten gipfelte im Gang nach Jerusalem. Ob dies tatsächlich ein Triumphzug war, gilt als unwahrscheinlich. Eher war es entsprechend dem beim Passahfest memorierten Gedenken an den Auszug aus Ägypten eine übliche Demonstration gegen die römische Besatzung. Bei der Bestimmung des Todesjahres lässt sich keine der vielen versuchten Datierungen mit anderen Fixpunkten harmonisieren. Jesus dürfte zwischen 27 und 34 die grausame Kreuzigung, eine römische Hinrichtungsart, erlitten haben. Was die Gründe dafür waren und welche Gruppe wie viel Verantwortung dafür trug (Römer, jüdische Lokalaristokratie, Volk) ist Gegenstand von Spekulationen und insbesondere nach der Shoa auch zu einer heiklen Frage politischer Korrektheit geworden. Mit einiger philosophischer Spekulation könnte man in der Kreuzigung eine Bestrafung am Vergehen gegen die römische Ordnung, die sich im System von Cardo und Decumanus darstellt, sehen. Gemeinhin gilt als möglich, dass Jesus in der Regierungszeit des Kaisers Tiberius von den Organen des Hohepriesters Kaiphas verhaftet und nach einem Asebievorwurf (es gab keinen Prozess, sondern, wenn überhaupt, bloß ein Verhör) vom kaiserlichen Statthalter (praefectus Iudaeae) Pontius Pilatus, der im Gegensatz zu den Juden eine Todesstrafe verhängen durfte, wohl wegen der Tempelkritik in seiner symbolischen-revolutionären Tempelreinigung zum Tode verurteilt worden war. Der Tempel war nicht nur Kultort, sondern auch der Sitz des Hohen Rats (Sanhedrin), der obersten politischen und religiösen Instanz. Jesu Botschaft war demnach sowohl ein Affront gegen das traditionelle jüdische Establishment als auch Teil der jüdischen Widerstandsgeschichte gegen Rom im 1. Jh. »Im Rahmen der zeitgenössischen apokalyptischen Bewegungen im östlichen Teil des Imperium Romanum ist Messianismus grundsätzlich ein Politikum.« Vor allem war die Hinrichtung politisch motiviert, Pilatus war das Wohlwollen des Hohepriesters wichtig. Möglich, dass Jesus ein Opfer einer guten Zusammenarbeit von römischer Provinzverwaltung und der jüdischen Eliten war, auch wenn einige Theologen Kaiphas gerne von der Verantwortung entlasten würden. Anders als Paulus hatte Jesus kein römisches Bürgerrecht, sonst wäre ihm ein Prozess in Rom zugestanden.

Speyer 2007a, 249

Theißen/Merz 1996, 447

Geerlings in Binder u.a. 2003, 121–131

Berger 1994, 186

Die Deutung des Todes als Sühne- und Opfertod zitiert ein in augusteischer Zeit wieder auflebendes altes Motiv aus griechischen Heroensagen. Jesu Grab in der Nähe des damals außerhalb der Stadt gelegenen Steinbruchs Golgatha, der als Hinrichtungsstätte diente, ist plausibel. Das leere Grab kam aufgrund des auf Jesus-Erscheinungen basierenden Osterglaubens ins Spiel. Durch diesen Osterglauben entstand ein Mehrwert in der Jesusgeschichte, Gerd Theißen und Annette Merz nennen ihn »Ostergraben«. Aus dem historischen wurde durch Übernahme des antiken Motivs des Gott-Menschen der kerygmatische Jesus, eine verkündigte Heils- und Erlösergestalt. Die Auferstehung hatte in der Auseinandersetzung mit den Juden auch die Funktion, die definitive Tötung Jesu zu widerlegen.

Theißen/Merz 1996, 375

Kerényi 1971, 220

Als kultische Erinnerung erfuhr das letzte Mahl, das zwar ein Abschieds-, aber kein Passahmahl gewesen sein dürfte (dieses gab allenfalls die Form vor), eine Institutionalisierung. In der Urkirche wurde es sehr verschieden erinnert, der »Wiederholungsbefehl« Jesu ist umstritten. Jedenfalls zitierte es die antike Tradition des Symposiums, das »nie rein stofflich und formell [blieb], sondern […] immer auf eine göttliche Gegenwart, einen – oder mehrere – geistigen Teilnehmer als Mitgenießenden bezogen und eben dadurch ein voll verwirklichtes Fest« wurde. Als genormtes Abendmahl löste es schließlich die blutigen Tempelopfer ab und stand am Beginn der Entwicklung neuer Riten (Taufe, Abendmahl). Man kann in der Tat staunen, »welch enorme geistige Anstrengung es gekostet haben muß […], um das bei den Römern blutig geschlachtete Opfertier, genannt hostia, zum unblutigen Leib des Herrn zu erklären, der in der Eucharistie ausgeteilt wurde; […].«

Colpe 2008, 121f

Das ist zweifellos nicht unrichtig, zu bedenken ist aber auch, dass bereits in den meisten antiken Kulten die Opfergaben Brot und Wein sowie das gemeinsame Mahl eine große Rolle spielten. Wie wir von Justin und Tertullian wissen, gab es dieses Mahl auch im Mithraskult. Es dürften sogar die Opfertexte ähnlich gewesen sein. Auch unter Konstantin wurden die heidnischen Opfer zurückgedrängt.

Diefenbach 2007, 6

Die Riten waren von der liturgischen Ästhetik her ein wichtiges Kapitel des jungen Christentums. Darüber hinaus wirkten sie gleichsam durch den Ausstieg aus der Geschichtsdynamik als Ritual identitätsbildend: »Während das Gedächtnis historischen Wandel ausblendet und Kontinuitäten wahrnimmt, richtet die Geschichte umgekehrt ihr Augenmerk auf Veränderungen und Differenzen.«

Kunstphilosophie und Ästhetik

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