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1.0. Kontexte

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Papaioannou 1972, 213

In der Tat muss man bei der Kultur der Spätantike von einer »internationalen, griechisch-römisch-orientalischen Koine sprechen. […] Alexander hatte den Anstoß zu diesem einzigartigen Experiment gegeben. Die hellenistische Kultur verlieh diesem Form und Sinn, doch erst Rom hat das Werk vollendet.«

Colpe 2008

III.2.5.

Dass die Spätantike hier in einem eigenen Kapitel gewürdigt wird, könnte man ausführlich und theoriegeladen begründen. Ich verweise dazu auf Carsten Colpe, der dies in einer eigenen Monographie dargelegt hat. Im Sinne der weiter unten erwähnten Ähnlichkeit zwischen der Spätantike und der globalisierten Gegenwartskultur verlässt Colpe die einfache alte und handliche Formel Athen-Rom-Jerusalem oder Akropolis-Kapitol-Zion zugunsten eines komplexeren Geflechts, das jedenfalls auch Ägypten, Byzanz, den Fernen Osten und sogar den Islam (der zeitlich nach der Spätantike begann) mit umfasst. Bei Colpe wird Spätantike prägnant als Übergang ins Mittelalter verstanden. Er verficht einen gegenüber dem von Reinhold Bichler bereits aus der Droysen-Enge befreiten, nochmals großzügig erweiterten Hellenismusbegriff. Von da aus interessiert ihn die Frage der Enthellenisierung.

Mazal Otto in Mazal 1995, 36

Jones 1998, 354, 362

Lange Zeit wurde die späte Kaiserzeit ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Verfalls des Römischen Reichs und der klassischen Tradition angesehen: »Daß die Bedeutung von Byzanz für den Westen in der Neuzeit weitgehend übersehen wurde […] ist die Konsequenz einer negativen abendländischen Betrachtung der Geschichte, die in der byzantinischen Epoche nur den jahrhundertelangen Verfallsprozeß nach der glanzvollen Epoche des griechisch-römischen Altertums sehen wollte.« Am schärfsten formulierte diese Dekadenztheorie der britische Historiker Edward Gibbon, der die Schuld am Untergang des Römischen Reichs in seinem epochalen Werk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (1776–1788) auf die eigene Dekadenz, das Christentum und den Barbareneinbruch verteilte. Das Byzantinische Reich war für ihn nichts weiter als ein despotisches Zerfallsprodukt. Dagegen gab es energischen Widerspruch. Man verwies unter anderem auf den hermeneutischen Kontext dieses Urteils, das dem westlichen Blick und dem antikirchlichen Reflex der Aufklärung des 18. Jh.s entsprang. Demgegenüber würdigt die neuere Kulturphilosophie den Osten aber in vielerlei Hinsicht als außerordentliche und eigenständige Kultur.

In der klassischen Philologie hielt sich die Dekadenztheorie am längsten. Die Nachwirkungen reichten bis zu den kulturpessimistischen Entwürfen der Intellektuellen im späten 19. Jh. Für Oswald Spengler und Arnold Toynbee diente der Untergang des Römischen Reichs als universelles, der Biologie entnommenes Modell für die Alterung von Kulturen.

Riegl 1901, 90, 132

Kraus 1967, 115

Es gab aber auch fortschrittsoptimistische Sichtweisen. Die Vertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte, Franz Wickhoff und Alois Riegl, rekonstruierten die Spätantike schließlich als eigenständige kreative Kulturleistung. Für Riegl begann die spätantike Kunst mit dem Konstantinsbogen 315, dessen heiter-anekdotischer Reliefschmuck in eng an der Klassik orientierten Augen als Verfall galt. Riegl sah darin indes ein neues Stilprinzip heranwachsen. Da heute die Wende zur Spätantike bei Diokletian angesetzt wird, verweist man auch in der Kunst auf diesen Zusammenhang: »[…] so fußt auch die konstantinische Kunst auf der diocletianischen Zeit.« Auch in der Kunstgeschichte ist eine Zäsur zwischen der antiken und der spätantiken Kunst üblich geworden, aber auch dort ist die Grenze dafür in diskursivem Fluss.

Angenendt 1990, 34

Nicht nur kulturphilosophisch und ideengeschichtlich, sondern auch kunstphilosophisch ist die Spätantike eine ergiebige Zeit. Die antike Bildung bestand weiter und reifte im aufblühenden Christentum und im tausendjährigen Byzantinischen Reich zu einer großen Kultur heran. Ob man die Spätantike als Abschluss der Antike sieht oder – wie dies die Mediävisten gerne tun – als Vorstufe einer sich zumindest dreifach aufgliedernden mittelalterlichen Kultur (Frankenreich, Byzanz, Islam), hängt wohl davon ab, ob man eher der Antike oder dem Mittelalter mit Sympathie verbunden ist. Zur positiven Wahrnehmung der Spätantike gehört, dass manche Autorinnen die Rede vom Untergang des Römischen Reichs angesichts der berechtigten Frage, was dabei eigentlich untergegangen sei, durch den Terminus einer Transformation ersetzen – wahlweise einer Transformation ins byzantinische oder in das lateinische Mittelalter.

Erler/Graeser 2000

Riedweg 1999a, 55–60

Cicero, Pro Archia, 23

Wenn man den seit zwei Jahrhunderten praktizierten Vergleich zwischen Spätantike und Moderne von seiner kulturpessimistischen Pose befreit, lässt sich als neue aktuelle Folie die Ähnlichkeit insbesondere der hellenistischen Leitkultur mit der zeitgenössischen Globalisierung und einer postmodernen Diskurskultur entdecken. Der intellektuelle Diskurs lief in der Weltsprache Griechisch. Cicero stellte fest, dass lateinische Bücher nur in den römischen Gebieten, griechische hingegen »in fast allen Ländern« gelesen werden.


197 Orte des Vergnügens, Hippodrom von Gerasa (1. Jh.p); Jordanien

Hist. Aug. 29, 8, 6

III.2.5.4.

Papaioannou 1972, 213

Neben einheitlicher Sprache und Währung, der »Deregulierung« des Handels, sind es die hochstehenden, nahezu überall verfügbaren Konsum- und Zivilisationsgüter des im gesamten Reich fortgeschrittenen, zum Spektakel neigenden Unterhaltungssektors. Ein fälschlicherweise Kaiser Hadrian zugeschriebener Brief aus dem 4. Jh. illustriert das Gesagte, wenn es dort über die blühende Handelsmetropole Alexandrien heißt: »Ihr einziger Gott ist das Geld; diese Gottheit verehren die Christen, die Juden und auch alle Heiden.« Durch den verbreiteten Eklektizismus gab es ein pluralistisches Sinnangebot, eingebettet in einen relativ einförmigen Intellektuellendiskurs. Ich erinnere an die wenig enthusiastische Beschreibung der hellenistischen Stadt durch Lewis Mumford. Das treffende Zitat von Kostas Papaioannou dazu sei hier wiederholt: »Ein Reisender zur Zeit des Kaisers Marcus Aurelius fand, ob in Trier (Augusta Treverorum), Nîmes (Nemausus), Timgad, Palmyra oder den zahlreichen Antiocheia, Seleukeia oder Laodikeia […] überall die gleichen Säulenhallen, Plätze und Tempel wie in seiner Heimat.«


198 Säulenstraße mit Hadrianstor in Palmyra; im Hintergrund der Baal-Tempel (32p)

Kolb 1984, 178

An der Perfektionierung der im Gegensatz zu Mumford von Frank Kolb hoch geschätzten hellenistischen Stadt hatte seiner Meinung nach Rom einen bedeutenden Anteil: »Insgesamt bedeutete die römische Herrschaft für die Städte des griechischen Ostens Expansion ihrer Bevölkerung und ihres Siedlungsareals, Hebung des Lebensstandards durch öffentliche Nutz- und Großbauten, welche der Hygiene, der Unterhaltung, dem geselligen Leben und Bildungszwecken dienten.«

Hasenfratz 2004, 11ff

Dazu kam schließlich die machtvolle Ausbreitung des Christentums. Inwieweit ein Grund für diesen erstaunlichen Erfolg inmitten der bunten Vielfalt hellenistischer Erlösungsreligionen die »Unbehaustheit« des antiken Menschen in dieser »Unübersichtlichkeit« gewesen ist oder ob eine solche Vermutung eher einer heutigen Projektion entspricht, bleibe dahingestellt.

Bleckmann 2009

Sicherlich kann man jedoch davon ausgehen, dass die Stabilität der Stadt ein beachtenswerter Faktor war, denn die Spätantike war eine Periode der Umbrüche. Die großen Völkerbewegungen schufen ständig Zerstörung und Neuordnung. Es etablierten sich die Germanenreiche der Ost- und Westgoten, Burgunder, Langobarden und Vandalen. Bruno Bleckmann hat dieses Thema in wünschenswerter Breite übersichtlich bearbeitet.

Summa summarum wird die Spätantike heute – auch nach literaturwissenschaftlichen Klarstellungen (z.B. Engels/Hofmann 1997) – als eigenständige und innovative Epoche kaum mehr in Frage gestellt. Diskutiert werden allenfalls ihre Begrenzungen. Alexander Demandts Vorschlag, die Spätantike im Westen mit dem Reformator Diokletian, der 284 römischer Kaiser wurde, beginnen zu lassen, hat verbreitete Akzeptanz gefunden. 529, das Jahr des Endes der Platonischen Akademie und der angeblich im gleichen Jahr erfolgten Gründung von Montecassino, wäre ein passender Termin für das Ende. Mit diesem Vorschlag lässt sich die Tatsache berücksichtigen, dass das bei den früheren Historikern beliebte Datum 476, der Untergang des West-Reiches, heute nicht mehr als Standard gilt. Ein späterer Termin wäre der Einfall der Langobarden in Italien 568. Noch etwas später ist der Bezug auf Gregor I. Anfang des 7. Jh.s, unter dem Rom aus einer (aus der Sicht von Konstantinopel) Provinzstadt zu dem christlichen und kirchlichen Zentrum wurde. Für den Osten ist die Zeit Justinians als Grenze beliebt. Justinian I. verstand sein Lebenswerk in der Tradition der verklärten Zeit des römischen Prinzipats (also der Verbindung von republikanischer Tradition und einem Princeps zwischen Augustus und Diokletian). Alexander Demandt wählte deshalb das Todesjahr Justinians 565. Manchmal wird für den Osten das Datum des ersten Einfalls der Araber um 630 vorgeschlagen. Dieses Datum markiert jedenfalls die deutlichste Grenze. Für unseren Zweck geht es weniger um historische Grenzziehungen, sondern darum, größere kulturelle Bewegungen, wie das frühe Christentum und die byzantinische Kultur, geschlossen darstellen zu können.

Waren die ersten beiden Jahrhunderte der Kaiserzeit durch eine gute Verwaltung und eine prosperierende Wirtschaft bei insgesamt romfreundlicher Gesinnung der Völker im Reich gekennzeichnet, kam es vor allem im westlichen Mittelmeerraum ab dem 3. Jh. zu gewaltsamen Umbrüchen und Bedrohungen an allen Ecken des Reichs. Der von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufene Marcus Aurelius Gaius Valerius Diocletianus (eigentlich Diocles) beendete die instabile Zeit der Soldatenkaiser durch die Einrichtung der Tetrarchie 293. Zwei Kaiser (Augusti) und zwei Unterkaiser (Caesares), die zugleich als Nachfolger ausersehen waren, übernahmen die Verantwortung für den westlichen (Maximianus/Constantius Chlorus in Sirmium, Mailand, Aquileia und Trier) und östlichen (Diokletian/Galerius in Nikomedia, Antiochia und Salonica/Thessaloniki) Reichsteil. Über die Frage nach dem Warum dieser Einrichtung wird viel gerätselt. Klar ist, dass sie, abgesehen von einer auf Qualität und Kontinuität bauenden Nachfolgeregelung, militärisch vorteilhaft war. Dort lagen auch die größten Erfolge der Tetrarchie. Auch wenn sich daneben andere Kaiserresidenzen etabliert hatten, war das Zentrum des Reichs immer noch Rom. Diokletian, der nur ein einziges Mal als Kaiser Rom aufsuchte, Maximianus und Konstantin bauten nochmals große Thermenanlagen in der Stadt.


199 Tetrarchengruppe aus Porphyr (um 300); Venedig

Kunstphilosophie und Ästhetik

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