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3.4. Kunstphilosophische Impulse des Christentums

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II.3.2.6.

Kemp 1994, 87

Eine ins bilderskeptische Judentum gehörende Jesusgeschichte und das aus diesem Judentum entstandene junge Christentum auf kunstphilosophische Impulse zu befragen, ist alles andere als trivial. Anders als das Judentum, dessen künstlerische Ambition Grenzen hatte, bediente sich das Christentum aus dem unabsehbaren Motivschatz diverser Erzählungen, die damit zur umfangreichsten Themenpalette der europäischen Kunstgeschichte wurden. »Die beiden Testamente sind zunächst einmal Erzählungen, die permanent neue Erzählungen auslösen.«

Zeller 2000

Stock 2001

Die große Zahl von Narrativen in den Schriften des Neuen Testaments für die Kunst macht es aussichtslos, sie an dieser Stelle auch nur einigermaßen erschöpfend zu behandeln. Überhaupt ist die Frage nach religionswissenschaftlicher Motivforschung äußerst heikel und in der einschlägigen Literatur stark umstritten, weil dabei viele Interessen im Spiel sind, wie die Originalität der alt- und neutestamentarischen Schriften oder die Verklammerung von Christentum und Judentum. Darauf kann hier selbstredend nicht eingegangen werden, vielmehr sollen, grob schematisierend, einige ausgewählte Hinweise auf, nennen wir es Traditionslinien oder Motivforschung, erfolgen. Eine eindrucksvolle Systematisierung von Motiven wie Lehrer, Erlöser, Hirt, König, Lamm, Licht etc. hat Alex Stock unternommen.

6.2.3.

Weitzmann/Kessler 1990, 156f

II.3.2.6.1.

Grabar 1973, 209

V.3.3.3.

Die Szenen des Alten und Neuen Testaments in der frühchristlichen Kunst verschafften dem Christentum einen kompetitiven Vorteil gegenüber den konkurrierenden spätantiken Religionen. Herbert Kessler vermutet in den ungewöhnlichen, weil dem jüdischen Bilderverbot widersprechenden Fresken der Synagoge von Dura Europos sogar eine bewusste Antwort der Juden auf den Bilderreigen um das Alte Testament der Christen. Ähnlich verhielt es sich später gegenüber dem Islam. Der frühe Islam hatte praktisch keine bildlichen Erkennungsmerkmale, weshalb man auf den ersten Blick auch eine Moschee kaum von einer Karawanserei unterscheiden konnte. »The contrast with the medieval Christian development is quite striking.« Dieser Wettbewerbsnachteil wurde schließlich durch die Ornamentik, die das Charakteristikum der islamischen Kunst war, gemildert.

Gleichnisse

Theißen/Merz 1996, 289f

Zu den Motiven gehören auch die Gleichnisse in den Evangelien, die ein Sonderfall in der Motivgeschichte bleiben. Abseits von verschiedenen exegetischen Zugängen sind sie literarische Bilderreden und haben damit eine ästhetische Qualität. Zumindest eine Schule der Gleichnisforschung rückt diese in den Vordergrund und nimmt die Gleichnisse als autonome ästhetische Objekte, die durch ihre der etablierten Erwartungshaltung widersprechende Botschaft eine Kraft entwickeln, im Rezipienten eine Veränderung seiner Lebensweise zu erzeugen. Eine solche Gleichnistheorie fußt auf der mythisch-magischen Funktion ästhetischer Erfahrungen, wie wir sie seit der Orphik und den Pythagoreern kennen.

Königsideologie

Zeller 2000, 61–81

III.3.1.4.

Hasenfratz 2004, 39

Besondere Motive ranken sich um die Theologisierung des historischen Jesus. Sie waren für die bildliche Darstellung von großer Bedeutung. Im Mittelpunkt dabei stand das antike Muster der Gottwerdung des Menschen und die vom Orient nach Rom gewanderte Königsideologie. In vielen Kulturen wurde die Geburt eines Königs durch übernatürliche Vorzeichen angekündigt. Er stammt – häufig verbunden mit einem Zeugungswunder – von Gott ab, führt ein ungewöhnliches Leben und kehrt mit einer Himmelfahrt in die göttliche Welt zurück. Bei der Geburt Alexanders des Großen ging der Artemis-Tempel von Ephesos in Flammen auf und es stürzte der Koloss von Rhodos, die 32 Meter hohe Helios-Statue, ein. Jesus wurde unter dem römischen Kaiser Augustus geboren, der nicht nur ein Erneuerer der altrömischen Religionspraktiken war, sondern die weit verbreitete Sehnsucht nach Frieden zu befriedigen suchte. In Vergils Äneis wird Augustus als »göttliches Kind« und »Sohn Gottes« gefeiert, mit dem ein Goldenes Zeitalter anbricht. »Überblicken wir Jesu Biographie im Lichte biblischer Königsprädikationen (Röm 1,3f.; Mk 15,2.26; Mt 2,2), so fügen sich die Berichte über seine übernatürliche Zeugung, seine Wundertätigkeit, Auferstehung und Erhöhung zur Rechten Gottes gut in dieses ›Königsparadigma‹ ein.« Die Zuschreibungen an Christus leiten sich von jenen göttlicher Herrscher ab: Wohltäter (euergetes), der Erscheinende (epiphanes), Retter (soter).


212 Pantokrator, Chora-Kirche (14. Jh.); Istanbul

Foerster 1967, Wengst 1999

6.1.

Das Gottessohnmotiv und das Motiv des Sitzens zur Rechten Gottes lassen für den Christus die Kaiseranrede (und den alttestamentarischen Gottestitel) Kyrios zu. Die frühchristlichen Darstellungen in den Basiliken nehmen nach der Ablösung der reinen Bildsymbolik dieses Motiv auf und zeigen Jesus als Kaiser in einer Kaiserhalle.

II.2.3.2.

Pantokrator

6.2.3.

Konsequent erhält dieser erhöhte Christus die Attribute Gottes selbst. Weil der König (wie der altägyptische Pharao) Garant der kosmischen Ordnung ist, steht Christus an der Spitze des Alls, das durch ihn Bestand hat. »Aus ihm ist das All« (1 Kor 8,6), heißt es bei Paulus in der Manier der alten Hen-kai-Pan-Theologie. Der Pantokrator in den Apsiden der Basiliken ist das Abbild dieser Konstellation. Im Pantokrator versammeln sich die durch die Auferstehung »vergöttlichte« Natur und die Wiedergeburt des Kosmos, den der Gott-Christus wie ein Kaiser lenkt. Er ist zumindest das Ebenbild (eikon) des unsichtbaren Gottes (Kol 1,13–17). Die Entrücktheit und Erhabenheit dieses Gott-Christus-Typus scheint ein Gegenentwurf zur reinen Bilderzählung zu sein. Was für die Theologie und – vor allem – die Philosophie ein nur schwer zu lösendes Problem ist, nämlich die Spannung zwischen der Unerreichbarkeit Gottes und seinem Handeln in der Welt, wird für die Kunst eine kreative Herausforderung.

Kettemann 1977, 70

Der im Augustus-Zeitalter sich ausdrückende Wunsch nach Frieden fördert nicht nur ein Herrscherbild, sondern ambivalent dazu eine Sehnsucht nach bukolischem Ambiente, welches das verbreitete Hirtenmotiv unterstützte. Der Hirt hat, indem er die Tiere zur Tränke führt, auch einen Bezug zum Leben spendenden Wasser.

Lichtmetaphorik

Speyer 2007b, 117

Berger 1994, 149, 267–273

1 Tim 6,16

2 Tim 1,10; Mk 9, 2–8

Hebr 1,3

Ein anderer weit reichender Impuls ist die frühchristliche Theologie des Lichts und der Erleuchtung. Auch dieses Motiv ist tief im Orient und im Griechischen verwurzelt. Eine breite Palette von Lichtmetaphorik bedient ästhetische, mystische, visionäre und philosophische Aspekte (2 Kor 3,7). Gott wohnt in »unzugänglichem Licht«. Darunter fallen auch die Überwindungsszenarien des Todes durch das neue Leben als das Licht, das die Finsternis beseitigt. Denn Christus selbst ist das Licht der Welt, heißt es an vielen Stellen, und Christen werden als »Kinder des Lichts« angesprochen. In der eben erwähnten Verklärung erscheint Christus als strahlendes Licht. Für Paulus ist Christus der Glanz/Abglanz der Herrlichkeit Gottes als »Abbild seines Wesens«. Licht ist auch das Agens beim Motiv der Metamorphose. In Mt 17,1–13 wird geschildert, wie Jesus sich vor den Augen der Jünger in überirdischem Licht verklärt. Von diesem Abglanz mit Bezug auf die Schrift ist später bei der Beschreibung ikonenhafter Bilder Christi immer wieder die Rede.


213 Hagia Sophia als Ausdruck einer Lichtarchitektur

2 Kor 3,18

5.2.2./7.3.

Dem Licht kommt zentral auch eine anagogische Funktion zu: »Wir alle aber schauen mit unverhülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn und werden so von Herrlichkeit zu Herrlichkeit zu dem gleichen Bild umgestaltet.« Die Lichtmetaphorik kann in ihrer kunstphilosophischen Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Zusammen mit den neuplatonischen Emanationssystemen bildet sie den Hintergrund der Lichtarchitektur von der Spätantike bis zur Gotik und der Lichtmotivik in der Bild- und Mosaikkunst. Sie verleiht einem gesamten Kirchengebäude eine magisch-anagogische Funktion, mit deren Hilfe die Seele des Menschen erhoben werden kann.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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