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4.2.1. Die Orientalen

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Clemens von Alexandrien

Ab dem 4. Jh., als sich beide Reichshälften kulturell und sprachlich voneinander entfernten, muss man die Literatur nach ihrer westlichen und östlichen Spielart unterscheiden. Auf Seiten der Orientalen entstanden schon früher – sich aus den Katechetenschulen in Alexandrien entwickelnd – hochstehende apologetische Schriften, etwa von dem literarisch ungemein gebildeten Clemens von Alexandrien mit seinem platonisierenden Plädoyer für ein gnostisches, besser: philosophisches Christentum, das hilft, die Seele vom Körper zu befreien. In seinem eher praktischen, detaillierten Werkteil Paidagogus (ProtreptikosPaidagogusStromata) findet man eine Schlüsselstelle für die frühchristliche Kunst: Ziel sei die Anschauung Gottes, die aber nur metaphorisch und in Bildern beschrieben werden könne. Das ist im Sinn literarischer Bilder zu verstehen. Ein Porträtbild Christi lehnte er ab. Das einzige wahre Bild Gottes sei sein Logos und das Bild des Logos sei der Mensch: »Niemand als der […] ›kunstreiche Werkmeister und Vater‹, hat ein solches beseeltes Gebilde, uns, den Menschen, geschaffen. Euer Olympischer Zeus aber, Abbild eines Abbildes, gar weit entfernt von der Wahrheit, ist ein stummes Werk Attischer Hände.« Allerdings relativiert Clemens die Menschengestalt, die er als Knechtsgestalt abwertet und die deshalb ebenfalls nicht dargestellt werden sollte. Dazu kommt, dass der verklärte Leib Christi ohnehin nicht darstellbar sei. In einer Erörterung darüber, wie sich die Siegelringe der Christen von jenen der Heiden unterscheiden sollten, listet Clemens um 210 die Symbole der frühchristlichen Kunst auf. Nicht Götterfiguren, Trinkbecher oder geliebte Mädchen und Knaben sollten die Ringe zieren, sondern Taube, Fisch (der Träger wird, wenn er Fischer ist, »an den Apostel denken und an die aus dem Wasser der Taufe emporgezogenen Kinder«), Leier, Schiff und Schiffsanker.

8.1.

Clemens, Prot. X, 98

Thümmel 1992, 31

Clemens, Paidag. 3,59,2

Der bedeutendste alexandrinische Lehrer und Theologe war Origenes. Sein Name soll sich vom ägyptischen Horus ableiten lassen. Origenes gründete um 330 in Cäsarea eine wissenschaftliche Akademie, in der ein paganes Ausbildungsprogramm mit einer christlichen Theologie vermittelt wurde. Im Mittelpunkt stand die Kommentierung der Bibel.

Origenes

Er, der möglicherweise denselben Lehrer hatte wie Plotin und Ammonios Sakkas, stand für eine klare Christozentrik und – mit Anleihen aus der Gnosis – für das Verlangen nach Selbsterkenntnis und den Kampf gegen die Gefährdungen durch die Welt und die weltlichen Leidenschaften. Selbst in der Sprache könne eine zu große Anmut der Poesie uns ablenken und uns an der Erfahrung des Göttlichen hindern. Origenes – berühmt wegen seiner brillanten Apologie gegen den antiken, das Christentum polemisch kritisierenden Platoniker des späten 2. Jh.s Celsus (Contra Celsum) – entwickelte einen mystischen Weg der Gotteserkenntnis. Eine besondere Nachwirkung hatte seine gnostisierende Apokatastasislehre (Wiederherstellung) mit Berufung auf Apg 3,21. Nach Origenes’ Deutung kehren alle Wesen, sogar der Teufel, zu ihrem Ursprung im Guten und Göttlichen zurück. Es ist die Vision der Wiederherstellung des makellosen Zustandes der Schöpfung. Weil damit das Böse der Hölle in Frage gestellt wurde, verurteilte das 5. Ökumenische Konzil 553 in Konstantinopel diese Lehre. Sie lebte aber über Jahrhunderte in vielen Köpfen weiter.

Thümmel 1992, 32ff

In der Bilderfrage war Origenes streng. Die Vorwürfe des Celsus, der den Christen die Ablehnung von Bildern, Tempeln und Altären vorhielt, spornte Origenes in seiner Polemik gegen das Bild noch an. Dies hing vor allem mit der Abneigung gegenüber dem Materiellen zusammen. Inkarnation wurde hier wie generell im Osten als Erniedrigung verstanden und eine solche durfte man nicht darstellen. Er lobte die Juden, weil keine Künstler unter ihnen gelebt hatten, und bekräftigte das jüdische Bilderverbot.

Eusebius von Cäsarea

Beck 1994, 96

Frend 1984, 523

Thümmel 1992, 53

Eusebius von Cäsarea Maritima war einige Zeit ein Verteidiger des Arius, unterzeichnete dann aber in Nizäa vorbehaltlos die antiarianischen Dokumente. Der oft als »Vater der Kirchengeschichte« bezeichnete Eusebius verfasste eine große Biographie zu Konstantin und entwarf eine philosophische Kaiserideologie, die den Kaiser als Abbild (eikon) des Universums und Gottes verstand. Inwieweit dies auch kunstphilosophische Bedeutung erlangte, ist unklar. Eusebius lehnte jedenfalls ein Bild Christi strikt ab. Constantia, die Schwester Konstantins, war angeblich bei ihm mit dem Wunsch nach einem Bildnis Christi vorstellig geworden. Unwirsch soll der Hoftheologe dieses Ansinnen zurückgewiesen haben (Teile des Antwortbriefes sind erhalten): Das göttliche Wesen Christi sei nicht darstellbar und eine Darstellung der menschlichen Erscheinung gliche einem heidnischen Götzenbild. Einzig die eucharistischen Gaben seien Abbilder (eikones) Christi. Für die Nachwelt ist Eusebius zusammen mit Irenäus von Lyon einer der ersten, der die Existenz von Christusbildern zu seiner Zeit bestätigte. In seiner Vita Constantini berichtet er von zahlreichen symbolischen Darstellungen in Konstantinopel, die sich auf Christus bezogen. Der Ton ist hier wesentlich versöhnlicher als im Brief an Constantia.

Athanasios von Alexandrien

Athanasios, Contra gent. 34

Athanasios von Alexandrien sprach in antiarianischer Ambition viele Themen der Christologie an, darunter war auch eine Trinitätslehre. Zur Schönheit äußerte sich der Bischof von Alexandrien in platonischer Üblichkeit. Man könne »durch die Erscheinungswelt zur Erkenntnis Gottes gelangen, da die Schöpfung Schriftzügen gleich durch ihre Ordnung und Harmonie ihren Herrn und Schöpfer anzeigt und laut verkündet.« Kyrillos von Alexandrien, ein Kämpfer gegen den Nestorianismus, war eine treibende Kraft für die Verurteilung dieser Lehre auf dem Konzil von Chalcedon 451 und damit ein Fürsprecher für die Gottheit Christi.

Kappadokien

Ephräm, zit. nach Heldt 2008, 50

Janes 1998, 72

Thümmel 1992, 57

Neben Alexandrien war im oströmischen Reich Kappadokien mit seinem wichtigsten Bischofssitz Cäsarea in Zentralanatolien ein erstklassiges Zentrum christlicher Theologie. Drei bedeutende orthodoxe Kirchenlehrer stammen von dort: Basilius der Große von Cäsarea (Kaisareia), sein von den Idealen des östlichen Mönchtums beeindruckter Bruder Gregor von Nyssa, der in der Trinitätslehre origenistische Einflüsse verarbeitete, und ihr gemeinsamer Freund Gregor von Nazianz. Sie griffen Anregungen ostsyrischer Autoren auf, die – anders als im westsyrischen Antiochien – traditionell jüdisch und persisch argumentierten und das Griechische ablehnten. Ephräm der Syrer etwa lehnte jede Theologie, vor allem aber die (griechische) Philosophie ab. Christus sei in die Welt gekommen, um »zu erleuchten, nicht um von der Welt erforscht zu werden.« Für die göttliche Erkenntnis griffen die »Kappadokier« auf die Licht- und Erosmetapher zurück. Gregor von Nazianz liefert uns eine literarische Quelle für die Gleichsetzung der Kuppel mit dem Himmel als Heimat des ewigen Lichts und Gregor von Nyssa setzte Gott mit dem Licht gleich. In der Gotteslehre bedeutete Gotteserkenntnis für sie Einswerdung mit Gott. Gregor von Nyssa schildert zustimmend eine Martyriumsszene in einer Gedächtniskirche. Hans Georg Thümmel hält diese Schilderung aus dem Jahr 381 für die »älteste anerkennende Erwähnung einer wirklich vorhandenen christlichen Darstellung.« Offenbar tat man sich bei solch erzählenden Bildern leichter als mit dem Christusbild.

Gregor v. Nazianz, De pacis 14

Auch von Gregor von Nazianz gibt es einige Äußerungen zu kunstphilosophischen Fragen. Dem Bild stand auch er grundsätzlich kritisch gegenüber, berichtet aber von einem wundertätigen Heiligenbild, was mehr und mehr die Bilderskepsis unterminierte. Die Ablehnung leiblich-sinnlicher Schönheit entsprach der (platonischen) Abwertung des Sinnlichen und jeder Art von Mimesis. Schmucklosigkeit, ja (äußerliche) materiell-leibliche Hässlichkeit wurde geradezu zu einem Abbild (innerlich) seelischer Schönheit stilisiert. Zur Verherrlichung Gottes gehören die »folgenden schönen Anzeichen und Äußerungen eines Lebens in Gott: Die schweigenden Führer, das struppige, ungepflegte Haar, die bloßen Füße, welche es den Aposteln nachmachen wollen und nichts Irdisches tragen, […].«

Gregor v. Nazianz, De paup. 45

Thümmel 1992, 54f

Nur selten treten gesellschaftliche Begründungen auf wie etwa in der Rede Gregors über die Armut, wo er jeden Schmuck als zynisch gegenüber den sozialen Randgruppen ablehnt: »Sollen wir, während diese unter freiem Himmel dahinsiechen, in glänzendsten, mit verschiedenen Steinen geschmückten Häusern wohnen, welche in Gold und Silber, in Mosaik und bunten Gemälden leuchten und die Augen durch den Reiz täuschen?« Die kunstskeptische Einstellung schlug sich auch in Bilderskepsis nieder. Inwieweit insbesondere Basilius bilderfreundlich war, ist nicht ganz klar. Einerseits griff er öfters auf die Metaphorik des Bildermalens zurück, meinte damit aber das Nachahmen eines heiligmäßigen Lebens, das die Abwendung von der materiellen Welt bedeutet. Andererseits akzeptierte er die pastorale Funktion des Bildes.

8.3.

Basilius, Ad adol. 29

Die seelenverändernde Kraft der Musik zitierte Basilius in einem eindrucksvollen Beispiel: »Auch soll Pythagoras, als er unter betrunkene Zecher geriet, dem Flötenspieler, der den Zug führte, befohlen haben, die Melodie zu ändern und ihnen die Dorische Weise vorzuspielen; und diese Melodie soll bei jenen eine solche Ernüchterung bewirkt haben, daß sie die Kränze wegwarfen und beschämt nach Hause gingen.«

Dehnhard 1964

Baur 1917

V.7.2.2.3.

Basilius, Hex. 2, 7

7.2.

Ebd. 3,10

Das Anliegen des Basilius war die Verbindung des griechischen Geistes mit den Inhalten der Offenbarung. In seiner Ansicht über das Schöne mischen sich Elemente aus der neuplatonischen und frühmittelalterlichen Diskussion. Insbesondere seine Lichtspekulation im Hexaëmeron lässt sich auf Einflüsse durch Plotin zurückführen. Das Werk diente noch Robert Grosseteste als Vorlage für dessen Lichtphilosophie.Ist Schönheit eine bestimmte Anordnung und Proportion oder kommt Schönheit dem Einfachen zu? Basilius vertritt beides: Körperliche Schönheit beruht auf dem »Ebenmaß seiner Teile und in einer gesunden Farbe im Äußeren […].« Andererseits sind einfache Dinge auch wegen ihres Glanzes und Lichtes schön: »In dieser Weise ist ja auch das Gold schön, das nicht durch Übereinstimmung seiner Teile, sondern allein durch seine schöne Farbe Reiz und Entzücken für das Auge hat.« Ein ähnliches Argument taucht bei Plotin auf. Wenn Einzeldinge in eine harmonische Proportion eingeordnet sind, haben sie die Würde der Einheit. In Erinnerung an den Weltenordner Demiurg gibt es auch das Argument der Zweckmäßigkeit. So bedeute das Urteil Gottes über die gelungene Schöpfung in der Genesis, dass sie künstlerisch vollendet und auf »einen vernünftigen Endzweck eingestellt ist.«

Ebd. 4,1

Die Zweckbestimmung des Schönen wird in der Ästhetikkonzeption des philosophischen Realismus etwa eines Thomas von Aquin aufgenommen. Bei der Zweckmäßigkeit des Geschaffenen wird Gott zum Künstler und wir wandern durch seine Welt wie durch ein Atelier. Wir also, »die der Herr, der große Wundertäter und Künstler, zur Betrachtung seiner Werke zusammenberufen hat, ermüden, sie anzuschauen […]?«

Das Schöne weist uns hin auf die Vollkommenheit des Schöpfers. Das Motiv, das vom platonischen Demiurgen, damit von der ontologischen Stellung des Schönen, in dem sich das Gute darstellt, her bekannt ist, findet demnach breite Rezeption im frühen Christentum.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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