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1.1. Vom Heidentum zum Christentum

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Sakralisierung des Kaisertums

Fögen 1997

Zugleich begann nach ersten entsprechenden Vorstößen (Aurelian, Elagabal) mit Diokletian endgültig die Sakralisierung des Kaisertums. Die Kaiser trugen den Namen Jupiters (Iovier), die Caesares jenen des Herkules (Herculier). Marie Theres Fögen hat in einer schlüssigen Studie darauf hingewiesen, wie innerhalb weniger Jahrzehnte die alten Interaktionstechniken zwischen Menschen und Göttern, Wahrsagerei und Magie, zugunsten des Primats der Kaiser in die Illegalität abgedrängt wurden. Zukunftswissen wurde zu einem exklusiven Geschäft des Kaisers.

Pfeilschifter 2014, 34

Das Hofzeremoniell wurde differenziert und verschärft. Purpur war die Farbe der kaiserlichen Kleidung. »Der Thronsaal war durch Vorhänge verhüllt, um den Kaiser herrschte erhabene Stille, alles, was er anfaßte, durften die Diener nur mit verhüllten Händen berühren.«

Christenverfolgung

Die lange Bindung der römischen Kaiser an die alten Kulte war eine der Ursachen für die Christenverfolgungen. Eine heftige hatte unter Kaiser Decius stattgefunden, der dafür als restituor sacrorum (Wiederhersteller des Heiligen) gefeiert wurde. Sie erschütterte sowohl die junge Kirche als auch das Reich. Kaiser Gallienus schien resigniert zu haben. Er stellte die Verfolgungen ein und gab den Christen die Kirchen zurück. Ein letztes energisches Bemühen um Herstellung der alten Ordnung begann 303, zum 20. Regierungsjubiläum Diokletians. Man zieh die Christen der Leugnung der Staatsgötter (crimen sacrilegi), was gleichbedeutend mit einem Angriff auf den Staat war. Die Christen wandten sich entschieden gegen jeden Kaiser- und Götterkult und lehnten damit die von den Kaisern zur Stabilisierung und Sinnstiftung ihres Regimes geförderten Kulte ab. Zu drastischen Verfolgungen, inklusive Todesstrafe, kam es freilich nur an wenigen Orten, besonders schlimm wüteten Diokletians Schergen an seinem Regierungssitz Nikomedia.

Sloterdijk 1993, 183

Diefenbach 2007, 26

Diese Strategie harter Unterdrückung scheiterte bald an der neuen Martyriums-ideologie, die ein wichtiges identitätsstiftendes Unternehmen der Christen wurde. »Um die frühen Christen schwebt eine schon ihren Zeitgenossen verdächtige, ja unheimliche Stimmung, in der sich Bekenntnismut von Todeslaszivität nicht immer klar unterscheiden läßt.« Eines der wichtigsten Elemente dabei war die Gewalt. »Durch die Thematisierung von Gewalt – eines Phänomens, das jenseits aller kulturanthropologischen Differenzierungen als eine der radikalsten Ausdrucksformen von Abgrenzung einzustufen ist – gewann auch die Identität des Christlichen in der Person des Märtyrers eine scharfe Ausprägung.«

Auf der anderen Seite bemühten sich christliche Schriftsteller wie Tertullian unter Bezugnahme auf ein Pauluswort (Röm 13,1,7) um Klarstellung der Loyalität der Christen gegenüber den Kaisern. Einzig die kultische Verehrung der Kaiser sei ihnen wegen ihres exklusiven Monotheismus nicht möglich. Schließlich setzte sich auch gegenüber dieser neuen Religion die Toleranz der spätantiken Gesellschaft durch. Ein Toleranzedikt des harten Christenverfolgers Galerius, der damit eine späte Kehrtwende vollzogen hatte, 311 in Serdica (Sofia) ausgestellt, das von den Kaisern Licinius und Konstantin 313 in Mailand in einem Zirkularschreiben bestätigt wurde, beendete die Verfolgung der Christen. Es sicherte die Freiheit jedweden Glaubens (»welche Gottheit auch immer im Himmel wohnen mag«).

III.3.3.2.2.

305 dankten Maximian und Diokletian (dieser offenbar aus freien Stücken) zugunsten von Constantius und Galerius (die Caesaren rückten also nach) und den neuen Cäsaren Severus und Maximinus Daia ab und zogen sich ins Privatleben zurück. Vom Alterssitz Diokletians, seinem sich an einem römischen Militärlager orientierenden Palast in Split, war bereits die Rede.

Konstantin

Die Idee, die der Tetrarchie zugrunde lag, die Ablöse durch bestens vorbereitete Caesaren, überlebte allerdings seinen Erfinder nicht. Constantius starb 306. Freunde des Vaters und seine Truppen riefen (entgegen den Spielregeln, nach denen die Tetrarchie funktionieren sollte) seinen Sohn Konstantin als Augustus des Westens aus (Galerius erkannte ihn aber nur als Caesar an). Als dann auch noch der Sohn des Maximian, Maxentius, als Usurpator des Kaiserthrons auftrat, war das Experiment Tetrarchie zu Ende. Es begann ein Hauen und Stechen, aus dem ausgerechnet der Auslöser des Debakels, Konstantin, als Sieger hervorging.

Diefenbach 2007, 128

Baker 2006, 329f

312 besiegte er seinen Rivalen Maxentius, Kaiser in Rom, an der Milvischen Brücke. Maxentius hatte gewaltige Mittel flüssig gemacht, um Rom durch die Errichtung zahlreicher Bauwerke wieder zum Zentrum zu machen und es vor der drohenden Provinzialisierung zu bewahren. Von äußeren Ressourcen abgeschnitten, quetschte er die Bürger Roms aus. Dazu kam eine schwierige Versorgungslage. Üble Gerüchte berichteten von einem Schreckensregime (25 Jahre danach schlachtete der christliche Biograph Eusebius die Sache weiter aus), es wurde erstmals der Ausdruck Tyrann gebraucht. Das alles kam Konstantin sehr entgegen, denn der Sieg über Maxentius war nicht einfach ein klassischer Triumph, sondern konnte als Befreiung legitimiert werden.

Pfeilschifter 2014, 53

Baker 2006, 336

Konstantin, der als Augustus zuerst in Trier, einer der vier Hauptstädte des Reichs, residierte, nahm anscheinend um dieses Ereignis herum den neuen christlichen Glauben an. Der christliche römische Dichter Laktanz berichtet, dass Konstantin die Schilde seiner Soldaten nach einem entsprechenden Traum mit dem (griechischen!) Staurogramm (Chi-Rho/XP) bezeichnet habe. Solche Visionen waren in der Antike nichts Außergewöhnliches. Sie gehörten sowohl im paganen wie auch im christlichen Umfeld zur Idee der Gottesnähe: »Das Übernatürliche lauerte in der Antike überall, man suchte es geradezu.« Von Konstantin werden mehrere Offenbarungen berichtet, für die Sol, Apollo und eben auch Christus verantwortlich gemacht wurden. Vielleicht haben christliche Würdenträger (möglicherweise war Laktanz im Heer des Konstantin) die vor jeder Schlacht unvermeidlichen Omina und Zeichen in eine christliche Richtung gedeutet. Der Sieg Konstantins über Maxentius geriet somit zu einer Bestätigung des Christentums. »Vermutlich konnten die christlichen Priester ihr unglaubliches Glück zuerst gar nicht fassen. Jemand war geneigt, sich zu bekehren – und sie waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«

Diefenbach 2007, 82f, 95ff

Erbelding Susanne in Kat. 2013a, 114f

Spinola Giandomenico in Ebd., 119

Konstantin führte zwar in Rom die Bauprojekte des Maxentius in einer damnatio memoriae unter seinem eigenen Namen zu Ende, richtete dann aber sein Augenmerk auf den Bau christlicher Basiliken. Dies tat er an der Peripherie der Stadt (extra muros) – vermutlich eine Rücksichtnahme auf die pagane Aristokratie. Konstantin war Kaiser eines Reiches, das seinen Höhepunkt lange hinter sich hatte und die konservative Aristokratie erinnerte daran, dass Rom unter dem Schutz der alten Götter zur Weltmacht geworden sei, weshalb mitten in der Stadt, gegenüber der (alten) Peterskirche, die Elite Roms Grabmäler und Altäre für die alten Götter, darunter auch einen Tempel für die Magna Mater, errichtete. »Dieser Ort […] wurde so bedeutend, dass ein Kybele-Tempel in Lyon ›Vaticanum‹ und ein weiterer in Mainz-Kastel ›Mons Vaticanus‹ genannt wurden.«

Im Jahr 324 siegte Konstantin über den Augustus des Ostens, Licinius, den er zuerst durch eine arrangierte Ehe mit seiner Schwester Constantia auf seine Seite gezogen hatte, und wurde Kaiser des gesamten Reichs. Das war ein entscheidender Impuls nicht nur für den Sieg des Christentums, sondern auch für die Ausbildung einer christlichen Kunst. 321 führte Konstantin den christlichen Wochenrhythmus ein, beließ jedoch als Kompromiss gegenüber den Heiden die pagane Benennung der Tage.

Giebel 2002; Riedweg 1999 b

Insbesondere nach dem 1. Ökumenischen Konzil in Nizäa 325, das Konstantin selbst leitete, waren die Weichen für das Christentum endgültig gestellt. Unverzüglich begann der Kaiser in Italien und Nordafrika mit der Stiftung von Kirchen. Dazu wandte er enorme finanzielle Mittel auf. Diese Entwicklung ging auch nach dem Tod Konstantins und in den nach Theodosius (der de facto auch Herrscher über den Westen war) in West und Ost wieder getrennten Kaisersukzessionen unvermindert weiter. Auch der letzte »Heide« auf dem Kaiserthron, Julian II., dem die Christen den Spottnamen Apostata (der Abtrünnige) gaben, konnte diesen Gang nicht mehr stoppen. Julian, der in seiner Jugend vom Christentum wieder abgefallen war und sich der Begeisterung für die alten Götter hingab, ging es zunächst um eine Wiederbelebung der Religionsfreiheit, die in den Jahren der christlichen Kaiser zugunsten des Christentums mehr und mehr beschränkt worden war. Zuletzt versuchte er eine pagane Gegenkirche zu gründen. Er ging mit seinen Briefen, Reden und philosophischen Traktaten als wertvoller antichristlicher Polemiker in die Geschichte ein. Aus seiner Zeit sind einige Relikte alter Kulte erhalten wie ein bei Pausanias beschriebener Altar für Demeter und Kybele aus Phyla (Attika) oder ein Dionysos-Altar mit Satyrdarstellung aus Melos (beide um 360). Allenfalls auf dem Land hielten sich heidnische Kulte noch einige Jahrhunderte.

5.0.

Jensen 2000, 64–93

Milburn 1988

Finney 1994

Suzawa 2008

Ebd., 11

Der Siegeszug der neuen Religion sollte die Kulturgeschichte Europas und darüber hinaus der gesamten Welt prägen. Die Ursache für diesen Erfolg ist komplex und soll im Kapitel 3.0 ausführlicher zur Sprache kommen. Inwieweit das Christentum eine eigene Kunst und Ästhetik brachte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Am zutreffendsten erscheint die These, die in der christlichen Kunst eine Umcodierung antiker Vorlagen sieht. Ob dies nun eine geordnete »selektive Adaptation« oder ein eher unorganisierter Synkretismus war, darüber lässt sich ausgiebig diskutieren. Zwar scheint eine gesteuerte (zumindest im Sinne einer negativen Auswahl) Übernahme überzeugender zu sein, zumal ein ausgiebiger literarischer Reflexionsvorgang in der Literatur der Väter dazwischengeschaltet wurde. Allerdings versteht Yukako Suzawa unter Synkretismus eine Vermischung von Ideen, Praktiken und Bildern von Religionen und Traditionen in ihrem jeweiligen sozio-kulturellen Kontext. Das klingt insofern plausibel, weil damit auch die Entstehung der Theologie als ein solcher Prozess verstanden wird. Kunst ist demnach nicht mehr ein Unternehmen, das sekundär eine Übereinstimmung mit einer definierten Doktrin suchen muss, sondern ist Teil der Theologiewerdung der neuen Religion selbst. Das kommt dem Umfang, den ich mit dem Umcodierungsvorgang verbinde, sehr nahe: »[…] the image of Jonah represents a juxtaposition of the Jewish traditional image and a Christian symbol of death and rebirth in a biblical context. I consider this ›composite‹ meaning of the image of Jonah to represent syncretism of the Judaic tradition and the Christian symbol.«

Das bald entstehende – aus griechischem Hintergrund gespeiste – Bedürfnis, das Mysterium des Kreuzestodes und der Auferstehung Jesu als eine universelle Idee zu festigen, sie also philosophisch zu formulieren, öffnete dem Christentum die philosophisch-kulturellen Paradigmen der Antike. Zum anderen lag im Gedanken von der Menschwerdung Gottes ein starker Impuls, nicht nur das Göttliche, sondern auch die Kirche und ihre Symbole bildlich darzustellen.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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