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1.5.3. Frankreich

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Frankreichs Glanzzeit, die gewissermaßen jene in Spanien ablöste, kulminierte in der Regierungszeit Ludwigs XIV., die 1643 begann. Gemeinsam mit seinem Berater Jean-Baptiste Colbert verstand Ludwig Architektur und Kunst als Medien zur Widerspiegelung der Macht des absolutistischen Staates. Ähnlich wie im Fall der Kirche dienten auch hier Kunst und Architektur dazu, dem absolutistischen Hof einen Körper zu geben.

Bereits unter Heinrich IV. hatte eine Erneuerung von Paris begonnen, nach dem Vorbild von Rom und unter den Vorzeichen der Rationalität. Auch Paris erhielt ein von einem zentralen Punkt (Place Dauphine) ausgehendes Straßensystem im Sinne des Rationalismus, wie ihn einige Jahrzehnte später Leibniz philosophisch formulierte. Diese Ansätze wurden weniger von seinem Nachfolger Ludwig XIII., sehr beherzt aber dann von Ludwig XIV. weitergeführt, der einer der größten Förderer der Kunst in allen ihren Genres gewesen sein dürfte. Frankreich war zur Zeit Ludwigs das bevölkerungsreichste Land und verfügte über das mit Abstand größte Heer in Europa. Im Zuge der Stadterneuerung wurde beinahe ein Drittel der Stadthäuser neu gebaut oder gründlich saniert, Prachtstraßen um den Champs Elisées angelegt, Theater und die Oper errichtet.

Erneuerung von Paris

Rudé 1983, 131

Ludwig XIV. war der Inbegriff eines Barockfürsten und mit seinem Hof geradezu eine Verkörperung des Systembegriffs von Leibniz. Der König stand wie eine Generalmonade an der Spitze, wie es der ihm (freilich erst zweihundert Jahre später) zugeschriebene Satz L’État, c’est moi! (Der Staat bin ich) treffend ausdrückte. Er verwirklichte die »unité morale, sociale et politique de la France«. Die Legitimität des Königs leitete sich direkt von Gott ab und war – nach Cardin Le Bret, dem Unterstützer Kardinal Richelieus – »ebenso unteilbar wie der Punkt in der Geometrie«. Das goldene Zeitalter Frankreichs glänzte anfangs freilich mehr als zu Ende der Regierungszeit Ludwigs. Es herrschte ein gewaltiges Interesse an Literatur, Philosophie, Wissenschaft und die feingeistige und vornehme französische Kultur verbreitete sich über ganz Europa. Sie hinterließ auch sprachliche Spuren, die sich bis ins 20. Jh. hielten.

Hager 1968, 13

Tapié Victor-Lucien in

PWG VII, 296

Der hochkultivierte Hof Ludwigs löste eine kulturkritische Gegenreaktion aus. Jean Jacques Rousseau stilisierte den edlen Wilden und seine einfache Lebensweise gegen die Affektiertheit des Hofes. Diese provokante Umkehrung des Verhältnisses von Hoch- und Primitivkultur basierte auf Rousseaus Absage an jede Kultur, die sich über die Natur erhob. Dem lagen nicht zuletzt die zahlreichen Entdeckungen von »primitiven« Kulturen in den überseeischen Gebieten zugrunde. Bereits bei Michel de Montaigne dienten die Ureinwohner Brasiliens für eine kulturkritische Polemik gegen die europäische adelige Gesellschaft.

7.1.

In Frankreich tobte besonders nachhaltig der Streit zwischen Alten und Modernen. Diese Querelle bildete das Scharnier, das die Renaissance mit dem neuen barocken Stil verband und zugleich davon abhob. Schon das ursprüngliche Verhältnis der Renaissancekünstler zur Nachahmung der Antike barg den bekannten Streit in sich. Dieser erhielt im 17. Jh. durch das von Renè Descartes formulierte Selbstbewusstsein des vernünftigen Subjekts einen neuen Schub. Gemeinhin galten die Italiener als treue Vertreter der Klassik. Ihr Programm wurde in den französischen Akademien hochgerüstet und vermeintliche Abweichler wurden bekämpft. Frankreich war der Ort der Akademien. 1635 gründete Richelieu, einer der vehementesten Zentralisten, die Académie français für Literatur, die als Wächterin über die französische Sprache fungierte. 1648 war die Akademie für Malerei und Bildhauerei entstanden, die Académie Royale de Peinture et de Sculpture. 1661 ließ der begeisterte Tänzer Ludwig die Académie Royal de Danse errichten. Das war die Geburtsstunde des klassischen Tanzes, in dem ebenfalls – wie in der Bildhauerei – die klassischen Formen umgesetzt wurden. Hundert Jahre später bedrängten außerhalb der Akademie entstandene Reformbestrebungen die Akademiedoktrin. Der Tanz sollte eine erzählerische Komponente erhalten, nicht zuletzt um damit in den Paragone der Künste einzusteigen. Dieser Paradigmenwechsel erlöste die Körper der Tänzer und Tänzerinnen aus ihrer klassischen Starre.

4.2.2.

Akademien

1666 wurde die Académie royale de Musique gegründet. Drei Jahre später folgte die Académie Royale des Sciences. Die Wissenschaft war inzwischen eine angesehene Institution. Die Herrscher umgaben sich gerne mit Wissenschaftlern. An der Wissenschafts-Akademie wurden auch die theoretischen Grundlagen des Festungsbaus gelehrt. Die Militärarchitektur hatte sich im 17. Jh. von der Zivilarchitektur getrennt, zu sehr erforderten die Fortschritte der Militärtechnik eine eigenständige Behandlung solcher Bauten. Aus der Militärarchitektur leitete sich der Titel Ingenieur ab und eine größere Zahl von speziellen Schulen wie die 1748 entstandene und für den Festungsbau zuständige École du Génie entstanden in den folgenden Jahrzehnten. 1671 schließlich gründete Colbert die Académie Royale d’Architecture, die erste theoretische Einrichtung ausschließlich für die Architektur. 1666 wurde eine französische Akademie in Rom gegründet, die Académie de France à Rome, eine augenscheinliche Demonstration der erfolgten Verschiebung kultureller Kompetenz von Italien nach Frankreich. Die klassische Akademieästhetik war eine Sache geworden, für die vor allem Paris als »zweites Rom« – ausgestattet mit theoretischer Hochrüstung der Renaissancetheorien – verantwortlich zeichnete.

Erben 2012, 114

Die Akademien in Frankreich waren politisch instrumentalisiert und begünstigten die Künstler im Dienst des Königs gegenüber jenen in den freien Zünften. Das gewährte Künstlern und Architekten zwar eine hohe soziale Stellung, andererseits sicherte sich der Staat über ein enges Regelwerk und durch die Berufung von Mitgliedern und Direktoren die Kontrolle über Kunst und Wissenschaft. Institutionalisierung ist dabei in doppeltem Verständnis von »behördlicher Organisation und Verhaltensroutine« zu verstehen. In der einschlägigen Forschungsliteratur ging man lange davon aus, dass das klassizistische Stilideal als Instrument diente, »um Anspruch, Macht und Ruhm des Königs sichtbar werden zu lassen […].« Gesucht wurde nach einer Generalregel (ordre général) als Ausdruck einer universellen Schönheit (beauté universelle). Neuere Forschungen, insbesondere die ebenso verdienstvolle wie außerordentlich aufwendige Herausgabe der Konferenzprotokolle der Akademie, haben indes diese Meinung relativiert. Demnach waren die Diskussionen in der Akademie erstaunlich offen und kritisch.

Ebd., 106

Pochat 1996, 352

Conférences 2007 etc.

Insgesamt waren die Akademien eine Erfolgsgeschichte. Sie waren Ausbildungsstätten und übten beratende Tätigkeiten aus. Als Horte von Regeln, Disziplin und Ordnung waren sie cartesianisch grundiert. Rationale Grundlage für die Schönheit war die Geometrie. Diese wiederum basierte auf einer normativen Antikenverehrung, die unter ausdrücklicher Auslassung des Mittelalters von Vitruv bis in die Renaissance reichte. Die Architekturakademie gab die Diskussionsergebnisse in Form von Resolutionen einer normierten Ästhetik heraus, immer auch verstanden als ausdrückliche National-Ästhetik. Colbert hatte gar 1671 einen Wettbewerb für die Entwicklung einer französischen Ordnung ausgeschrieben, den er selbst gewann. In jedem Fall stärkten die Akademien den Kunst- und Architekturstandort Frankreich gegenüber der alten Konkurrenz Italien erheblich. Ludwig XIV. ließ gegen Ende seiner Regierungszeit mehr und mehr Distanz zur rigorosen Strenge der Akademiemalerei erkennen und forderte eine heiterere Kunst. Maler wie Jean-Antoine Watteau kamen diesem Wunsch entgegen. Watteau malte die üppigen Feste des Barock und fing das Lebensgefühl der Zeit ein. Er traf den Geschmack der vornehmen Gesellschaft in Paris ebenso wie eine Generation später Jean-Honoré Fragonard. Beide gelten als Maler des Rokoko, die aus dem Regelkanon der Akademie ausbrachen.

Kruft 1985, 145f

Burbaum 2003, 50

3.6.

Blieben die Akademien eher der Theorie verhaftet, fand die praktische Arbeit in den staatlichen Werkstätten (gobelins) statt. In ihnen wurden auch die einzelnen Kunstrichtungen koordiniert, was zur erfolgreichen Umsetzung jenes »Gesamtkunstwerks« führte, das den Barock auszeichnet, auch wenn in der Zunft der Kunst-historikerinnen an dem aus der Romantik stammenden Begriff einige Kritik geübt wird. Beispielgebend für ein solches Gesamtkunstwerk ist die Anlage von Versailles. Sie wurde in ganz Europa zu einem Synonym für unendliche Machtfülle, Prunk und künstlerische Genialität. Ursprünglich ein kleines Jagdschloss seines Vaters in sumpfiger Gegend, ließ es der König durch die Architekten Louis Le Vau und Jules Hardouin-Mansart, den Maler und zeitweisen Direktor der Akademie Charles Le Brun und den Gartenbaumeister André Le Nôtre Stück für Stück in neuem Glanz erstehen. Der Glanz kostete Hunderten von Arbeitern das Leben und brachte Frankreich an den Rand des finanziellen Ruins.

3.4.

Versailles

Das Team (noch ohne Hardouin-Mansart) hatte sich durch das Schloss Vaux-le-Vicomte (1656–1661) empfohlen, das sich Staatsminister Nicolas Fouquet bei Melun hatte bauen lassen. Am 17. August 1661 wurde es unter den Auspizien König Ludwigs XIV. mit einem gewaltigen Fest eröffnet – mit allen Ingredienzien eines solchen barocken Ereignisses: Musik, Ballett, Theater, Feuerwerk, das Festmahl auf Silbergeschirr, alles in der von Le Nôtre angelegten Gartenanlage im Licht tausender Fackeln zwischen Wasserspielen und phantasievollen Pflanzenarrangements. Es war in der Tat das, was Pedro Calderón de la Barca 1655 in seinem allegorischen Schauspiel das »große Welttheater« (El gran teatro del mundo) genannt hatte und wo man in all der Pracht auch auf die Vergänglichkeit stieß. Solche Feste waren neben Theateraufführungen in der Barockzeit nicht zuletzt eine Gelegenheit, absolute Herrschaftsansprüche zu kommunizieren. Sie eröffneten einen Markt für Künstlerarchitekten zur Gestaltung und Organisation solcher »Events«. Giuseppe Galli Bibiena war kaiserlicher Theateringenieur am Wiener Hof Karls VI. und beschrieb in einem einschlägigen Traktat (Architettura e Prospettive) phantasievolle Szenographien für alle möglichen Anlässe, von den apparati funebri bis zu den teatri sacri.


468 Schloss Versailles, Spiegelsaal; Paris

Alewyn 1959

Grönert Alexander in

ATh, 158

Die Anlage Fouquets war der im Barock übliche Rahmen für Humanismus und Kunstsinn des Hausherrn. Der Minister versammelte führende Dichter, Komponisten und Künstler um sich, besaß eine Bibliothek, eine Gemälde- und Skulpturensammlung, Schmuck und Antiquitäten. Der von Le Nôtre gestaltete Garten gehörte in die Tradition des französischen Barockgartens, der als Neuinterpretation der italienischen villegiatura bis zum englischen Landschaftsgarten des 18. Jh.s in Europa den neuen Ton angab. Le Nôtre, dessen Vater bereits jardinier en chef du roi war, hatte 1679 Italien bereist. Vorbild für seine Vorstellung von der Gartengestaltung waren die in den Gemälden von Lorrain und Poussin ausgedrückte Fernwirkung sowie die dargestellten antiken Gebäude. Ein schönes Beispiel hat Ehrenfried Kluckert gefunden, wenn er auf die Ähnlichkeit des (freilich englischen) Gartens von Henry Hoare in Stourhead mit dem Bild von Claude Lorrain Äneas auf Delos von 1672 hinweist.

Muscheler 2009, 157ff

Kluckert Ehrenfried in Toman 2009, 231f Kluckert 2008, 365–368


469/470 Gartenanlage, Villa d’Este; Tivoli

Um 1800 gab es bei Landschaftsliebhabern die Mode, mit einem »Claude-Glas« durch die Landschaft zu wandern. Dies war ein grauer konvexer Spiegel, in dem man die Landschaft im Rücken betrachtete. Leicht verschwommen und in einem Ausschnitt erschien sie im Spiegel wie ein Gemälde von Claude Lorrain. Der französische Garten wurde durch den Naturhistoriker Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville aus Paris theoretisch normiert. Seine Théorie et la Pratique du Jardinage (1709) war ein mehrfach aufgelegter und übersetzer Bestseller zur Gartentheorie des 18. Jh.s. Er beschrieb darin die Grundlagen eines gelungenen Gartens, hielt es für essentiell, dass man den Blick ungestört in den unendlichen Raum richten können müsse und dass sich die Kunst der Natur unterordne. Er gab auch Anleitungen zum Schnitt von Bäumen und Büschen, was man seit Plinius opus topiarium, die Kunst des Formschnitts (Topiari), nannte. Grundsätzlich entwickelte sich die Gartentheorie analog zur Architekturtheorie. »Der italienische und französische Garten des 16. und 17. Jahrhunderts war ein geometrisch angelegter Garten, der architektonische Gesetze auf die Bepflanzung anzuwenden suchte und Innenraumvorstellungen auf den Außenraum übertrug.«

Tabarasi 2007, 59

Die Prachtentfaltung von Vaux-le-Vicomte des Fouquet war für Ludwig XIV. eine Anmaßung einer allein dem König zustehenden Selbstdarstellung. Mit dem rauschenden Fest von 1661 hatte Fouquet offenbar eine rote Linie überschritten. Ludwig ließ ihn verhaften und betrieb seine Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen angeblicher Veruntreuung. Vaux-le-Vicomte wurde geplündert und Ludwig – und es war wohl tatsächlich sein persönlicher Einfluss auf die Gestaltung des Baus – realisierte seine Residenz in Versailles. Es entstand eine Schlossanlage, die als Höhepunkt des Schlossbaus gelten kann und in ganz Europa zum vielfach kopierten Prototyp wurde, meist als architektonisches Zeichen einer »perfekten Inszenierung absolutistischer Herrschaft […].« Versailles verstand sich »zugleich als Abbreviatur eines neuen Raumsystems, als Bedeutungsträger für eine neue Staats- und sogar Weltordnung.«

Kruft 1985, 292

Borngässer Barbara in

Toman 2002, 80

Kluckert 2008, 192

Im Schlossgarten von Versailles hatten Bildhauer wie François Girardon, Gilles Guérin, Jean-Baptiste Tuby, Balthasar und Gaspard Marsy und Antoine Coyevox weit in den Mythenvorrat der Antike gegriffen, um Parabeln für den Sonnenkönig zu kreieren. Inmitten dieser gigantischen Bühne agierte Ludwig in einer skurrilen Schauspieler-Rolle als Sonne. Sein Hof war Abbild des Kosmos, er selbst schlüpfte in Verkleidungen von Apoll und Jupiter. Sein gesamtes Leben spielte sich im Gleichklang der Sonne nach einem genauen Protokoll und in ständiger Präsenz des Hofstaates ab. Man partizipierte an der Sonne, wie es der Pharao in Ägypten praktiziert hatte. Man tut sich schwer, an den Ernst dieser Sache, wo jede Handlung symbolisch aufgeladen war, zu glauben. War dies alles nicht vielmehr ein großes Spiel, ein Theater und zeigte damit den Weg zu einer Ästhetisierung der Kunst, welche die Rückbindung an eine ontologische Basis mehr und mehr verlor? Dies auch wenn der König durchaus die Botschaft in die Welt senden wollte, »sich als neues Haupt einer christlichen Welt darzustellen […].«

Ebd., 192

Die geometrische rationalistische Anlage des Schlossgartens von Versailles spielte vermutlich in der Konzeption des Regierungsbezirks der 1790 gegründeten und nach dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten benannten Hauptstadt Washington durch den in Versailles geborenen Pierre Charles L’Enfant eine vorbildliche Rolle.

Gleichzeitig verlor in Frankreich der Mythos Versailles erstaunlich rasch an Attraktivität. Im 18. Jh. suchten die Fürsten eine intimere Architektur. Sie knüpften an der Form des Stadtpalais an. Louis de Rouvroy, der in Versailles geborene Herzog von Saint-Simon, qualifizierte die Anlage als geschmacklos. Er fühlte sich von der »Vergewaltigung der Natur« abgestoßen. Das zeigt, wie sehr sich die Kunst um die Jahrhundertwende ins 18. Jh. veränderte. Die Regulierung von Kunst und Architektur durch die staatliche Aufsicht begann zu erodieren, der künstlerische Regelkanon verlor an Attraktivität. Wiederum schielte man auf das Unregelmäßige, Asymmetrische, Überladene. Es bildete sich der Dekorstil des Barock, das Rokoko, heraus.

Keller 1971, 73

Dass dieses Rokoko möglicherweise bereits eine Ästhetisierung der Kunst bedeutete und damit den ersten langen Schatten der Moderne warf, ist eine interessante These und soll im Kapitel 3.6. ausführlicher gewürdigt werden. Hier bleibt nur festzuhalten, dass diesen Vorgang einzelne Ereignisse katalytisch begünstigt haben mögen. Im 18. Jh. waren die Glaubenskämpfe weitgehend überwunden. Die Aufklärung wurde öffentliche Meinung und richtete sich gegen die Reste religiöser Verfolgung. Voltaire goss seinen Spott über emotionale Frömmelei aus. Im gleichen Atemzug, in dem die religiöse Kunst zurückging, gewann die pagane Mythologie an Boden. Religiöse Motive und pagane Mythologie sind in der Tat (und bereits seit dem Mittelalter) »kommunizierende Röhren.«

Ebd., 13

Frankreichs kulturelle Vormachtstellung geriet um die Jahrhundertwende ins Wanken. 1715 starb der Sonnenkönig. Dennoch gab das Französische in Kultur und Lebensstil noch lange den Takt an. Es war aber eine veränderte Melodie. In das absolutistische Barockidyll mischten sich aufklärerische Töne. Kardinal André-Hercule de Fleury war neben Ludwig XV. der starke Mann im Staat und verfolgte eineinhalb Jahrzehnte lang eine tolerante, aufgeklärte und auf Frieden bedachte Politik. Prägnantere Botschaften sandten Figuren wie der Aufklärer und Polemiker gegen das ancient regime, Pierre Bayle aus dem Amsterdamer Exil oder Julien de La Mettrie, ein offenkundiger Atheist, der in Preußen Zuflucht fand.

Mit dem Entgleiten der Kontrolle über die Kunst verschob sich der Brennpunkt des kulturellen Lebens vom Hof in Versailles, der schließlich verfiel, zu den Salons in Paris. Überall, ob in Architektur und Ausstattung dieser Salons, wie auch in der Malerei, waren die Sitten freier und ungebundener. Eine Folge der Erosion staatlicher Aufsicht über die Regelwerke der Akademie war eine pragmatische und technische Ausrichtung des Bauwesens. Auch hier setzte Paris noch Maßstäbe in der Gründung neuer Schulen. Sie deckten alle Sparten der technischen Ingenieurskunst ab: 1718 entstand die École des Ingénieurs, 1747 die École royale des ponts et chaussées, 1765 die École du génie marin, 1783 die École des Mines und 1794 die École Polyetchnique.

die Salons

Frankreichs enorme Attraktivität im 18. Jh., durch die es Italien den Rang abgelaufen hatte, strahlte vor allem nach England aus, von wo aus vieles wiederum auf das Festland zurückreflektiert wurde.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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