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1.5.5. Die Niederlande

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Die Niederlande (zu denen damals auch das heutige Belgien und ein kleiner Teil des nördlichen Frankreich gehörten) wurden nach dem Ende der spanischen Vorherrschaft auf See ein bedeutender Mitspieler im europäischen Kontext. 1602 gründeten die Holländer (ähnlich wie England, Schweden und andere) eine Ostindische und 1621 eine Westindische Kompanie. Vielleicht war es die Weltläufigkeit des Handels, sicherlich jedenfalls der Geist der Renaissancehumanisten Erasmus von Rotterdam und Hugo Grotius, der die Niederlande zum Land der Toleranz und Meinungsfreiheit werden ließ. Es war ein Asylland für anderswo verfolgte Intellektuelle, wie René Descartes, (zeitweise) Samuel Pufendorf, John Locke oder Pierre Bayle. Die Universitäten blühten in diesem günstigen Klima geistiger Unabhängigkeit. Im 17. Jh. entfaltete sich die Barockmalerei, die vermutlich den Höhepunkt niederländischer Kunst überhaupt darstellt. In den reichen Handelsstädten Antwerpen, Haarlem, Amsterdam (lange Zeit der größte Güterumschlagplatz der Welt) oder Utrecht (mit einem nennenswerten katholischen Bevölkerungsteil) gab es viele wohlhabende Familien im Umkreis der Handels- und Bankhäuser, welche die Kunst förderten. Das Land war calvinistisch, die Kirchen schmucklos, im Vordergrund standen daher profane Aufträge.

Der römische Barock war mit dem 1577 in Siegen in Westfalen in eine flämische Familie hineingeborenen Peter Paul Rubens in die Niederlande gelangt. Die calvinistischen Eltern mussten aus Antwerpen nach Siegen emigrieren. Rubens wurde schon früh mit den Religionskriegen und einer in einen katholischen (unter spanischer Herrschaft) und protestantischen Teil zerrissenen Heimat konfrontiert und er sparte – vielleicht unter dem Eindruck dieser Lebenserfahrung – in seinem OEuvre nicht mit politischen Kommentierungen. Der welt- und sprachgewandte Maler, der auch diplomatische Missionen erfüllte, gilt als Verkörperung des Barock schlechthin. Er reiste 1600 nach Italien und Spanien, war in Venedig, Mantua – dort trat er kaum fünfundzwanzigjährig in den Dienst des Herzogs Vincenzo Gonzaga –, Rom, Genua und Madrid. Ob der besonnene und angenehme Rubens in Rom den Heißsporn Caravaggio traf, ist unklar, aber nicht unwahrscheinlich. Beide stehen auf der Seite der Naturalisten und gegen den Klassizismus der Carracci. In der Kunstgeschichte gilt diese lange Künstlerreise Rubens’ als herausragendes Ereignis für die Entwicklung der Kunst. Rubens fühlte sich allein der treuen Wiedergabe des Gesehenen verpflichtet, die er mit großer Sinnlichkeit zelebrierte. Er leitete ab 1610 in seinem Wohnhaus (mit einer der größten Bibliotheken der Stadt) in Antwerpen das größte Künstleratelier der damaligen Zeit und beschäftigte eine große Zahl von Assistenten. Man könnte beinahe von einer arbeitsteiligen Produktionsfirma sprechen. In den Verträgen wurde verschiedentlich festgehalten, dass der Meister selbst das Auftragswerk noch einmal eigenhändig überarbeitet und es wurde angegeben, wenn Teile eines Bildes von anderen Spezialisten stammten. Unter seinen Mitarbeitern gab es Kupferstecher, die von den Gemälden Kopien anfertigten und diese zu Katalogen banden, die für den Vertrieb der Kunstwerke warben. Der Kupferstich galt als billiges Verfahren, das sich für solche Zwecke nützen ließ. Stahlstich und Radierung hingegen erreichten bald den Status einer eigenständigen Kunsttechnik, vor allem bei Rembrandt. Rubens wurde zum berühmtesten Künstler Europas, der aus den verschiedensten Ländern Aufträge erhielt. Sein symbolträchtiger Widerpart war der Klassizist Nicolas Poussin. Man sprach dann vom Streit der Rubenisten gegen die Poussinisten, wenn man Genie gegen die Regel stellte. Viele niederländische Künstler waren im Ausland aktiv und fanden dort bedeutende Fortsetzer mit einer eigenen Schulidentität. Etwa beim wichtigsten Rubens-Schüler, dem Flamen Anton van Dyck, der sich zunächst in Antwerpen in einer eigenen Werkstatt selbständig machte und 1632 nach England ging. Seine sensiblen Naturstudien und die Porträts wurden zum Vorbild für die englischen Porträtisten des 18. Jh.s. Rembrandt Harmensz van Rijn, einer der bedeutendsten Maler überhaupt, und Frans Hals werden häufig als Beispiele für das aufbrechende Interesse am Ich, an der eigenen Identität, genannt. Rembrandt hat sich öfter dargestellt als irgendjemand sonst. Man geht heute von etwa 37 Selbstbildnissen aus.

Peter Paul Rubens

4.2.


471 Rembrandtstatue (1876) umgeben von Figuren (2006–2009), welche Die Nachtwache darstellen; Amsterdam

Dabei ging es nicht um eine Selbstanalyse im Sinne Sigmund Freuds, sondern um eine Übung für einen lukrativen Geschäftszweig, der aus dem Interesse am Individuum aufgebrochen war und das Porträt zum wichtigsten Kunstsujet gemacht hatte. Wie es die Caravaggisten vormachten, war ihm die Wahrheit wichtiger als Schönheit und Harmonie. Dafür wurde er noch von Zeitgenossen – man schreibt die Verunglimpfung dem Schriftsteller Andries Pels zu – als pictor vulgaris, als ungebildeter Maler, geschmäht.

van Wetering 2005

Jan Vermeer van Delft war für die Genremalerei berühmt, Jacob van Ruisdael für die Landschaftsmalerei, in der der wohl größte Meister dieses Genres im 17. Jh., der Lichtmagier Claude Lorrain, den Standard gesetzt hatte.

Obwohl in calvinistischen Ländern die Malerei häufig auf die Porträtkunst reduziert wurde, waren die Niederlande auch ein Hort des Genre- und – durchaus mit erzieherischer Ambition – des Gesellschaftsbildes (Lucas Cranach, Pieter Brueghel d.Ä.).

Kunstphilosophie und Ästhetik

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