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1.5.4. England

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England profitierte von seiner Lage am Atlantik. Lange Zeit an den Rand gedrängt, fand es sich plötzlich in vorderster Position und rivalisierte mit alteingesessenen Ländern wie Spanien und Portugal um Interessenssphären in Übersee.

Die Zeit Heinrich VIII., der in der Forschungsliteratur sehr divergierende Einschätzungen erfährt, war aufregend. Weil der Vatikan die Auflösung seiner Ehe verweigerte, spaltete er die Kirche in England von der römischen ab und gründete sie als anglikanische Kirche neu. Die Regierungszeit seiner Tochter aus zweiter Ehe, Elisabeth I., ging als Elisabethanisches Zeitalter in die Geschichte ein. Diese zweite Hälfte des 16. Jh.s war eine Zeit politischer Stärke und kultureller Blüte. Die zahlreichen Theater mit den ersten Berufsschauspielern an stehenden Häusern, die sich formierten, waren nicht mehr an religiöse Themen gebunden. Geerdet mit dem um sich greifenden Empirismus, konnte die ganze Breite des Lebens auf die Bühne gebracht werden. William Shakespeare war der genialste Umsetzer dieser neuen Sicht auf die Welt. Neben ihm brillierten Christopher Marlowe oder Ben Jonson. Um die Mitte des 17. Jh.s hatten freilich die sittenstrengen Puritaner den sündigen Theatern wieder den Garaus gemacht und die Kultur unter ihrer verqueren Ideologie erstickt.

Dynamischer als die Kultur entwickelte sich das wirtschaftliche Leben. Der protestantische Geist Englands, der Erfolg als Zeichen göttlichen Segens adelte, war ein wesentlicher Katalysator des entstehenden kapitalistischen Systems. England veränderte sich von einem altertümlich regierten Königreich mit Ackerbau und Textilwirtschaft zu einer kapitalistischen Oligarchie, mit Überseehandel und starker wirtschaftlicher Macht, die zunehmend die militärische Stärke ergänzte. Ende des 18. Jh.s begann in England als dem ersten Land Europas die industrielle Revolution. Der kapitalistische Geist hielt sich bis ins 19. Jh. und bildete den Nährboden für die sozial-revolutionären Bewegungen.

Dazu kam ein Umbau des politischen Systems. In einer friedlichen Revolution wurde aus einer absolutistischen eine konstitutionelle Monarchie. Dies war eine Wende, die man überall in Europa ab der Mitte des 17. Jh.s (nach) vollzog. 1776 verlor England dreizehn Übersee-Kolonien, deren teilweise ungeregelte Ausdehnung nach Westen Kriege gegen die Ureinwohner und gegen die zweite amerikanische Kolonialmacht Frankreich nach sich zog. Es waren europäische Stellvertreterkriege. England konnte Frankreich auf kleine Gebiete zurückdrängen, wollte weitere Kriege gegen die ansässige Bevölkerung aber vermeiden. Frankreich wurde von den Kriegskosten in den Bankrott getrieben – eine der Ursachen für die Revolution 1789 – und England geriet bei den Siedlern in Verruf. Diese erkämpften sich schließlich die Unabhängigkeit, die am 4. Juli 1776 ausgerufen wurde. 1787 wurde in Philadelphia die älteste einer heute noch gültigen republikanischen Staatsverfassung unterzeichnet, jene der Vereinigten Staaten von Amerika. Erster Präsident eines noch bescheidenen Landes mit wenig Geld, fehlendem Bankwesen, schlechter Infrastruktur und praktisch ohne Bildungseinrichtungen wurde George Washington.

1666 hatte ein Brand große Teile Londons vernichtet. Der Wiederaufbau bescherte der Hauptstadt in der St. Paul’s Cathedral (1675–1711) die erste Kuppel durch Christopher Wren, der 1665 in Paris mit Bernini zusammengetroffen war und sich bei seinem Bau an Michelangelos Entwurf des Petersdoms orientierte. Mit Wren setzte sich der römische Renaissance-Klassizismus, jetzt ins Barocke weitergeführt, in England durch. Auch in den Neuengland-Staaten wurden Wrens Kirchen gerne nachgeahmt. Grundsätzlich gilt allerdings, dass trotz der führenden Rolle, die England bei der Entdeckung der Antike spielte, es zu keinem ausdrücklichen Klassizismus kam. »Die allzu wörtlichen Kopien griechischer Monumente durch James Stuart waren im ›Pittoresken‹ steckengeblieben; dies gilt auch für das ›Gothic Revival‹ eines Horace Walpole.«

Kruft 1985, 370

Philosophisch dominierte der Empirismus. Die Royal Society (1660) in London entwickelte sich zum glänzenden Juwel einer auf empirischen Grundlagen operierenden Wissenschaftsinstitution. Aus Faszination gegenüber den neuen Wissenschaften schenkte Hans Sloane seine Bibliothek und Kunstsammlung dem »englischen Volk«. Zusammen mit der Ägyptensammlung George III. bildete dies die Grundlage für das 1759 eröffnete British Museum, nach dem Ashmolean Museum in Oxford das zweite Museum Englands. Auch der kulturgeschichtliche Dauerbrenner um Genie und Regel wurde in England im Geist des Empirismus abgehandelt. 1768 entstand die Royal Academy of Arts, deren erster Präsident Sir Joshua Reynolds war, der sich – selbst von 1750–1752 in Rom – ganz der Carracci-Schule verpflichtet wusste und auf feste Regeln des Geschmacks vertraute. Beachtenswert ist der Hinweis, dass England damit eine kontinentale Kunsttradition übernahm, die auf der Insel niemals eine vergleichbare Verwurzelung erfuhr, weshalb dort auch am schnellsten eine Erosion der tradierten Bildersprache auftrat. Die Lehre war geprägt von der Überzeugung der Existenz von Regeln, der Autorität der Meister und dem ethischen Anspruch eines erfundenen Bildes. Vorbildliche Schönheit gibt es nicht in der Natur, sondern nur in der regelgeleiteten Inspiration des Künstlers. Eine regelgeleitete Inspiration setzt die »intuitive Kenntnis dieser großen Prinzipien im Künstler« voraus. Wie bei Platons Demiurgenmythos ist der künstlerische Prozess durch vorgegebene Muster programmiert. Eine solche Nachahmung hat nach Reynolds einen moralischen und pädagogischen Effekt. Reynolds, der Akademievorträge zu einer der ersten englischen Abhandlungen zur Malerei versammelte (Discourses on Art), fand die Historienmalerei als dieser Kunstgattung einzig angemessen. Dort gehe es darum, das ideale Menschliche herauszuarbeiten, und zwar in handwerklicher Wahrheit und nicht durch rhetorische Ornamentik verbrämt. Gegen diese Tradition stand, gewissermaßen als Caravaggist, Thomas Gainsborough, der das Atmosphärische und den Augenblick festhielt und die Landschaft frei komponierte, um Stimmungen zu erzeugen.

4.2.2.

Busch 1993, 11

Kohl Stephan in ÄKPh, 663

Kunstphilosophie und Ästhetik

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