Читать книгу Fünf Dinge, die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht - David Richo, David Richo, Дэвид Ричо - Страница 15

Älter werden: Das Bild im Spiegel ändert sich

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Auch unsere Persönlichkeit durchläuft verschiedene Phasen in unserem Leben. Unser gelegentlich arrogantes Ego der Jugend nimmt im frühen Erwachsenenalter noch an Ehrgeiz und dem Gefühl von Unbesiegbarkeit zu. Wir setzen unsere Markierungspunkte in der Welt und stoßen alles beiseite, um an die Spitze zu gelangen. Wir sind in der Lage, unseren Körper anzutreiben, ohne dass unsere Gesundheit darunter leidet. Wenn wir die Fünfundvierzig überschreiten, ändern sich die Dinge. Wenn wir diesen Wandel bejahen, gehen wir mit Leichtigkeit und Ausgeglichenheit durch ihn hindurch. Wenn wir jedoch dagegen ankämpfen oder versuchen, weiterhin im jugendlichen Stil zu leben, werden wir uns mit einer Midlife-Krise oder mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert sehen.

Die psychologische Herausforderung besteht darin, die Gegebenheit zu akzeptieren, dass unser Ego nur zeitweilig den Ton angegeben hat und letztlich dazu bestimmt ist, sich mit einer demütigeren Rolle zu begnügen. Das heißt nicht, dass wir nutzlos oder dem Untergang geweiht sind, sondern nur, dass wir in eine neue Phase des Lebens eintreten, eine Phase, die vielleicht weniger Glamour, aber dafür mehr Weisheit besitzt. Unser Leben geht vom Surfen am Waikiki-Strand zum „Goldenen See“ über.1

Als meine Sehschärfe beim Lesen nachließ, leugnete ich zunächst, dass meine Augen überhaupt schlechter geworden wären. Dann begann ich ein Vergrößerungsglas zu benutzen. Schon bald wechselte ich zu einer gängigen, beim Optiker erhältlichen Lesebrille, weigerte mich aber immer noch, einen Augenarzt aufzusuchen. Erst als ich Kopfschmerzen bekam, ging ich schließlich zum Augenarzt, der mir eine Brille verschrieb. Ich erinnere mich, wie ich ihn dazu brachte, mir zu versichern, dass ich die schwächste Gläserstärke bekäme und eine Brille eigentlich nicht wirklich notwendig wäre. Es war offensichtlich, dass er Typen wie mich kannte: Alternde Knaben, die zu leugnen versuchten, dass es Zeit zum Loslassen war. Mein Körper hatte bereits Ja gesagt, schon lange bevor mein Gemüt folgen konnte.

Unser Körper hilft uns, Ja zu sagen, weil er sich das ganze Leben hindurch in Form, Befähigung und Kraft verändert. Unser Körper verkündet energisch die edle Wahrheit der Vergänglichkeit. In gewisser Weise sind alle Gegebenheiten „edle Wahrheiten“: Sie erzählen die universelle Geschichte einer menschlichen Lebensspanne und laden uns ein, dem Fluss des Lebens zu folgen, statt zu versuchen, es nach den Wünschen des ewig unbefriedigten Egos umzumodeln. Im Prozess des Alterns können wir unserem Welken auf anmutige Weise zustimmen. Ein solches Ja befreit uns von übermäßiger Sorge um unser äußeres Erscheinungsbild. Die Natur kann dann unseren Fokus wieder auf die Weisheit lenken, auf etwas, das zu entdecken und zu teilen das Alter mit sich bringen kann. Je oberflächlicher unser Fokus bleibt, desto weniger wahrscheinlich wird dies geschehen. Dann versäumen wir es, dem Archetyp des weisen Führers für die kommende Generation gerecht zu werden.

Warum sind Menschen allen Alters gleichzeitig auf dem Planeten? Jeder spielt eine notwendige Rolle, die sich im Laufe des Lebens ändert. Erst bin ich der junge Türke und dann der alte Weise. Liegt mein Fokus auf dem Materiellen, so bin ich der alte Geizhals und verpasse die Gelegenheit, etwas beizusteuern. Liegt mein Fokus auf dem Physischen, bin ich der alte Narzisst und versäume die Gelegenheit, großzügig zu sein. Das heißt nicht, dass es falsch sei, wenn man so gut wie möglich aussehen will. Die Gefahr liegt darin, dass man von seiner äußeren Erscheinung dermaßen besessen ist, dass unsere Eitelkeit uns für unsere Bestimmung blind macht.

Unsere Gesellschaft ist dem Jugendwahn verfallen, und ohne ein spirituell reifes Bewusstsein fallen wir seinen verführerischen Verlockungen zum Opfer. Wie traurig wäre es, wenn wir das Ende unseres Lebens erreichten, ohne dass unsere natürliche Neigung zu Weisheit so weit wie möglich aktiviert worden wäre. Ein Ja zu der Tatsache, dass alle Dinge sich ändern und irgendwann enden, ist ein Ja dazu, dass die Natur sich in uns ihren Weg bahnt. Dies bedeutet meistens Falten und Weisheit. Irgendwie kommen sie gewöhnlich zusammen, auch wenn uns Weisheit in jedem Alter als Gnade zuteil werden kann … und natürlich können Falten auch mit wenig Weisheit in ihrem Kielwasser auftreten. Wir können den Prozess nicht kontrollieren oder eine Garantie auf Weisheit fordern, aber ein bedingungsloses Ja bringt uns in die bestmögliche Position, damit das Licht durchscheinen kann.

Fünf Dinge, die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht

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