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2 Nicht immer geht alles nach Plan

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Für alles, was gewesen ist: Danke!

Zu allem, was sein wird: Ja!

DAG HAMMARSKJÖLD, Zeichen am Weg

In den frühen 1940er Jahren war ein Highschool-Girl namens Doris Van Kappelhoff in der Nacht ihrer Graduierungsfeier in einen schweren Autounfall verwickelt. Sie hatte vor gehabt, nach Hollywood zu gehen, um Tänzerin beim Film zu werden, aber ihre Verletzungen machten eine solche Zukunft zunichte. Während ihrer langen Genesungszeit ans Haus gefesselt, begann Doris mit den Sängerinnen im Radio mitzusingen. Ihre Stimme wurde dadurch so gut geschult, dass sie ein Engagement in einer Band bekam und kurz darauf bekam sie Rollen in Filmen und änderte ihren Namen in Doris Day. Ihre ursprünglichen Pläne wurden durch ein tragisches Ereignis zunichte gemacht, doch dadurch fand sie ihre wahre Berufung. Die Dinge laufen nicht immer nach unserem Plan, aber eine Veränderung des Plans kann ein Beispiel für Synchronizität sein, jenes geheimnisvolle Zusammentreffen von zufälligen Umständen, das uns zu einer unerwarteten und ungebetenen Erfüllung unseres Lebens führt – was nur andere Worte für Gnade sind.

Wir machen Pläne und erwarten, dass wir die Kontrolle über das zukünftige Geschehen behalten werden. Möglicherweise fürchten wir natürliche Ereignisse, die bedeuten könnten, dass die Dinge anders verlaufen, als wir es uns gewünscht haben. Das Leben hat „seine eigenen Pläne“ und fordert uns dadurch heraus, von dem Verlangen, dass alles nach unserem Plan gehen möge, abzulassen. Auch hier geht es um Kontrolle. Wir können mit Genauigkeit und Selbstdisziplin agieren und erwarten, dass die Welt dem folgt und dafür belohnt.

Vollkommene Disziplin oder vollkommene Kontrolle ist die beste Weise, an der Freude des Lebens vorbeizugehen. Die widerspenstigen Gegebenheiten des Lebens geben uns die Erlaubnisse, nicht perfekt zu sein. Wir können uns in das natürliche Chaos des Lebens, das so unaufgeräumt, so unvorhersehbar ist, einklinken, oder wir können versuchen, das Leben vollkommen zu ordnen, indem wir sorgfältige Pläne schmieden. Doch wie der Dichter Robert Burns zu einer Maus sagt: „Die bestbedachten Pläne von Mäusen und Menschen gehen oft fehl und bringen statt der versprochenen Freude nichts als Kummer und Schmerz.“ Wir wissen, dass ein Ja zum Leben, ein Ja zu Kummer und Schmerz ist, denn alle Lebensumstände stellen Verluste und Enttäuschungen dar. Ja ist eine gesunde Antwort auf die menschliche Situation.

Pläne zu machen ist eine Beschäftigung Erwachsener, ein Zug eines gesunden Egos. Doch tatsächlich läuft in unserem Leben nicht immer alles nach Plan. Das sollte uns nicht entmutigen. Wir könnten vielmehr gespannt darauf sein, dass da etwas Spirituelles, also etwas, das vom Ego unbeeinflusst ist, im Anzug ist. Vielleicht glauben wir, das Universum habe einen Plan, der dem, was das Schicksal mit uns vorhat, eher entspricht als unsere eigenen Pläne. Vielleicht denken wir, dass es keinerlei großen Plan gibt und wir nur schulterzuckend sagen können: „So ist nun mal das Leben.“ Als Erwachsene trösten wir uns nicht mit Versprechen eines Silberstreifens an jedem Horizont oder eines Shangri-La in jedem Land. Unser Trost ist unsere Entschlossenheit, mit dem Geschehen umzugehen und das Beste daraus zu machen. Oder wollen wir etwa erbost darüber sein, dass die Gegebenheiten uns zwingen, erwachsen zu werden?

Erwachsen zu werden bedeutet, dass wir die Gegebenheiten des Lebens akzeptieren, wie sie sind, und das hilft uns, uns selbst so zu akzeptieren, wie wir sind. Erwachsen zu sein bedeutet, den Lebensumständen ihren Lauf zu lassen.

Möglicherweise sind wir nicht, was nach psychologischer Definition „gut angepasst“ heißt, oder uns war keine gesunde emotionale Entwicklung vergönnt. Wir hatten keine perfekte Kindheit oder perfekte Jugendzeit und wir haben auch keine perfekte Erwachsenenzeit. All unsere Investitionen zahlen sich nicht aus. All unsere Hoffnungen für die Zukunft verwirklichen sich nicht. Das Leben ist unvorhersehbar und lässt sich einfach nicht nach Wunsch dirigieren. Kann ein solches Leben genießbar sein? Können wir dies als etwas begrüßen, das uns dazu dient, Menschen von Charakter, Tiefe und Mitgefühl werden? Zu klagen würde dann heißen, den springenden Punkt verfehlt zu haben.

In einer Welt, in der ich nichts perfekt tun oder beenden kann oder etwas auf Dauer in Ordnung bringen kann, ist es sinnvoll, das Bedürfnis nach Perfektion loszulassen. In der Bhagavad Gîtâ heißt es: „Selbst ein kleiner Fortschritt ist vollkommene Freiheit von Furcht.“ Kann ich das als einen mich befriedigenden Ansatz gelten lassen? Solange ich meistens mein Bestes gebe, die Dinge geschehen lassen kann, wie sie geschehen, und dann das Beste daraus mache, bin ich ganz und gar Mensch – und das ist eine überragende Errungenschaft. Die Alternative ist Anmaßung: „Ich mache es immer richtig; ich bin besser als alle anderen.“ Erleuchtung ist Liebe zur Gewöhnlichkeit, Amor fati. Es sind die Worte: „Ich lasse das los, was mehr ist, als ein Schicksal tragen kann.“

Fehler und Irrtümer sind keine Tragödien. Sie die Zutaten neuer Entdeckungen und weisen uns den Weg zu diesen. Sie zeigen uns Wege, die uns demütig machen, uns in Staunen versetzen und uns neue Horizonte eröffnen. Sie müssen nicht zu Bedauern oder Scham führen. Wir sagen Ja zu unserer Unvollkommenheit und akzeptieren unsere Fehler. Wir lernen, es das nächste Mal anders zu machen. Fehler sind kein Zeichen von Dummheit. Sie sind die Art und Weise, auf die Menschen lernen. Wenn wir uns an die größten Fehler unseres Lebens erinnern, ist das ein Weg, demütig zu bleiben, die tugendreiche Blume, die aus der Knospe des Ja erblüht. Demut führt dazu, dass wir uns verpflichten, unsere Fehler anzuerkennen und Wiedergutmachung gegenüber denen zu leisten, die wir vielleicht verletzt haben. Eine solche Demut ist eine Brücke zum Loslassen von Bedauern.

Nur das Ego macht Fehler. Keiner unserer Fehler, keines unserer Verbrechen oder keine unserer unwissenden Entscheidungen befleckt die makellose Reinheit unseres Höheren Selbst, unserer Buddha-Natur, unseres Christus-Bewusstseins – oder wie auch immer wir das umfassendere Leben in uns, das das Ego transzendiert, benennen wollen. Jenes Leben jenseits aller Bedingungen bleibt unser ganzes Leben lang gesund und unfehlbar in uns. In Augenblicken der Achtsamkeit und des Mitgefühls haben wir Zugang dazu. Es kann von nichts und niemandem beherrscht werden. Dieses verlässliche innere Leben ist eine Form von Schutz und ruft ein immenses Vertrauen in unser grundlegendes Gutsein hervor. Dies ist eine andere Weise, auf die die Existenzbedingungen zur Freude der spirituellen Reife führen können.

Die Dinge sind nicht immer so, wie wir sie gerne hätten, noch gehen unsere Pläne so in Erfüllung, wie wir es uns wünschen. Der Umstand, dass wir nicht die Kontrolle innehaben, bedeutet, dass die angemessene Haltung für unser Leben auf dem kleinen Floß unserer Welt Hingabe ist, Hingabe an das, was ist, wie es ist, wo es ist und wann es ist. Wir können mit aller Macht darum kämpfen, das zu ändern, was sich ändern lässt, doch in Hinsicht auf das, was wir nicht ändern können, ist nur Hingabe sinnvoll. Der Umstand, dass wir nicht die Kontrolle besitzen und dass Dinge geschehen, die wir weder erstrebt noch geplant haben, bedeutet, dass Kräfte am Werk sind, die größer sind als unser Ego. Diese Gegebenheit schenkt uns deshalb eine Ahnung der Göttlichkeit – wie Emerson sagte: „So nah ist Herrlichkeit unserem Staub.“

Was ist das Göttliche? Etwas, das immer am Werke ist – wir wissen nicht wer oder was, wir wissen nicht wie oder wann, aber wir wissen, warum: damit wir unsere Bestimmung erfüllen und zu einem einzigartigen Exemplar an Liebe und Weisheit werden können. Das Göttliche ist die Lebenskraft des lebendigen Universums, das sich danach sehnt, sich in allen von uns auszudrücken. Das Endliche ist ein einzigartiger Augenblick der Fokussierung auf das zeitlose Unendliche. Wir existieren aufgrund einer seligen Vision: Das Göttliche fokussiert in Zeit und Raum hinein, und wir fokussieren zurück. Wenn das Göttliche hier ankommt, ist es Ich, und wenn es dort ankommt, ist es Du, und wenn es außerhalb meines Fensters landet, ist es der Feigenbaum, unter dem Buddha erleuchtet wurde, indem er lange Zeit still in einer bejahenden Haltung saß.

Fünf Dinge, die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht

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