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Die Konzeption der Natur

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Der zentrale Plan des ganzen Universums ist Evolution. Alles kooperiert im Laufe der Zeit miteinander, um die Welt zu einem gastfreundlicheren Ort für alle Geschöpfe zu machen. Der Plan der Natur ist für uns, die wir das Wort Ja lernen, ein Vorbild. Die Natur gestattet Wandel und fließt mit ihm. Die Natur ist geduldig und nicht nachtragend. Die Natur respektiert die wechselseitigen Verknüpfungen. Natur ehrt das Licht ebenso wie die Dunkelheit.

Der Ökologe Thomas Berry schreibt: „Unser neues Verständnis des Universums ist an sich eine Art von Offenbarungserfahrung. … Die natürliche Welt ist an sich das Primäre … die Gegenwart des Heiligen, des ursprünglichen moralischen Wertes … Die menschliche Gemeinschaft wird heilig durch ihre Teilhabe an der größeren planetarischen Gemeinschaft.“ Da wir zu der Natur in der Beziehung des Teils zum Ganzen stehen, bedeutet ganz und gar menschlich zu sein, ganz und gar natürlich zu sein. Der Begriff menschliche Natur besagt alles. Der heilige Antonius der Große, der der Natur nahe in einer Einsiedelei in der Wüste lebte, schrieb: „Meine Schrift ist die Welt der geschaffenen Dinge, und wann immer ich das Wort Gottes lesen will, liegt das Buch offen vor mir.“ Hier ist „das Wort Gottes“ eine Metapher für die Ganzheit des Menschen, die für Individuen nur erreichbar ist, wenn sie in ein globales Bewusstsein eintreten.

„Eine innere Ganzheit drängt uns ihre noch unerfüllten Forderungen auf“, schrieb Emma Jung so treffend. Ganzheit ist ein Drang der Psyche, eine motivierende Kraft im menschlichen Verhalten. Dieser Drang bildet die Grundlage des Selbstvertrauens. Er ist auch ein Anzeichen dafür, dass wir noch nicht vollkommen menschlich sind, dass wir noch nicht ganz verwirklicht sind. Deshalb ist Evolution ein spirituelles Projekt. In der Evolution geht es darum, wie der Drang zur Ganzheit erfüllt werden kann. Unsere spirituelle Praxis, unser Ja zu den Gegebenheiten des Lebens und unsere tugendhaften Entscheidungen sind unser Beitrag dazu. Nichts davon ist völlig individuell; wir sind eingebunden in eine kollektive Transformation des Bewusstseins. Ganzheit ist letztlich der Drang des Universums.

Die Natur schenkt uns eine Landkarte für die menschliche Reise zur Ganzheit, da sie nicht aus Individuen besteht, sondern ein Ökosystem ist, ein Netzwerk von Beziehungen. Die tägliche Geschichte des Kosmos führt uns die Themen eines jeden menschlichen Wesens vor Augen: Anfang, Ende, Verlust und Wiederherstellung, Metamorphosen von Licht und Schatten, vorhersehbare und unvorhersehbare Ereignisse, verlässliche Gesetzmäßigkeiten und Quantensprünge jenseits der Gesetzmäßigkeiten. Der Zen-Dichter Bashô sagt: „Alle, die wahre Vortrefflichkeit in einer Kunst erlangt haben, haben eines gemeinsam: Einen Geist, der der Natur gehorcht, der während aller vier Jahreszeiten eins mit der Natur ist.“ Individuelle Pläne sind daher zweitrangig gegenüber den größeren Zwecken eines fließenden Universums.

Da wir nicht lediglich passive Bewohner der Natur sind, sondern an ihr teilhaben, ist das innere Leben der Natur dasselbe wie unser eigenes inneres Leben. Anders gesagt: Mit der Natur eins zu sein heißt, mit der authentischen Tiefe unseres essenziellen Seins in Kontakt zu sein, mit dem Archetyp der inneren Göttlichkeit, der Lebenskraft der Wirklichkeit, der Liebe selbst.

Es handelt sich hier um eine Trinität: Die natürliche Welt, die menschliche Psyche und die göttliche Essenz – drei Aspekte einer einzigen zugrunde liegenden und allgegenwärtigen Wirklichkeit. Diese Gleichsetzung ist kein Pantheismus, sondern ein Vertrauen darauf, dass die unsere Menschheit bewegende Kraft dieselbe ist wie die, die das Universum antreibt. Göttlichkeit ist also unsere eigene lebendige Tiefe ebenso wie die des Kosmos’. Diese Vorstellung von Göttlichkeit bedeutet, die Psyche und ihre Psychologie, die Seele und ihre Spiritualität sowie die Natur und ihre Greifbarkeit als eine mystische Gleichung zu verstehen: Menschheit = Natur = Göttlichkeit.

Normalerweise reagieren wir auf die Gegebenheit, dass das Leben nicht unseren Plänen gehorcht, mit trotziger Auflehnung – Furcht und Begehren, Auseinandersetzung und Tadel. Dass wir mit Gejammer reagieren, liegt wahrscheinlich an unserem aufgeblasenen Ego, welches darauf besteht, dass alles nach unseren Wünschen verläuft. Dies trägt zu unserem Leiden bei. Es ist das Gegenteil von demütiger Akzeptanz der irdischen Bedingungen, wie sie sind. Die freie Entfaltung der Dinge, wie sie sind, zu bejahen, dazu bedarf es demütiger Hingabe. Hier kommt die Natur wieder ins Spiel, da uns eine solche Demut der Erde näher bringt. Das englische Wort für Demut, humility, stammt tatsächlich vom Wort Humus ab. Demut ist nicht Selbsterniedrigung oder einfache Bescheidenheit. Es ist die Tugend, uns auf die Wirklichkeit einzustimmen. Demut ist ein Ja zu den irdischen Bedingungen, die das Leben so schwer, aber gleichzeitig auch aufregend machen. Diese Kombination von Gegensätzen mit einigem Humor zu sehen, macht die Dinge leichter und letzten Endes klarer. Es ist eine hilfreiche Praxis, nach dem Humor in einer jeglichen Gegebenheit, der wir begegnen, Ausschau zu halten.

Demut ist auch die Tugend, die uns hilft, wenn die Gegebenheit des Lebens, mit der wir uns konfrontiert sehen, Machtlosigkeit ist. Wenn beispielsweise unser jugendlicher Sohn drogenabhängig ist, bleiben wir verfügbar, um seine Entziehung zu unterstützen, und wir suchen nach Unterstützung für uns selbst, aber unser bedingungsloses Ja gilt unserer Machtlosigkeit. Das verlangt eine Reduzierung unseres Egos und Loslassen, wofür Demut das beste Rezept ist.

Die Bedingungen der Existenz sind unser „Sesam öffne Dich!“ zur Evolution: Die Gegebenheit, dass das Leben nicht nach Plan verläuft, führt zu einer Evolution des Planeten, die der Mensch niemals so gut entwerfen könnte. Deshalb spiegelt die Natur als unser Vorbild die Identität und die Bestimmung der menschlichen Psyche wider, sie ist unser Leitfaden und unser Zwilling, denn die Natur und unsere Psyche operieren auf der Basis derselben Axiome. Weder Wesenszüge noch Beschreibungen können meine Identität erschöpfend definieren. Ich bin mehr als man sagen, zählen oder wissen kann.

Die Natur und wir schließen sich zusammen, um ein bedingungslos Ja zu einer erweiterten Version der fünf Gegebenheiten zu sagen. Es folgt nun eine Liste, die zeigt, wie die Gegebenheiten des Lebens aussehen, wenn sie der Natur und in der Natur geschehen. Evolution ist der Plan der Natur, aber er ist nicht unbedingt erkennbar. Es gibt eine Ordnung und Balance in unserem Universum, die mit einer gewaltigen Unvorhersehbarkeit jenseits aller menschlichen Kontrolle koexistiert. Fragen Sie sich bei den folgenden Gegebenheiten, welchen Bezug eine jede von ihnen zu Ihrer gegenwärtigen Lebenssituation hat:

Alles verändert sich und wandelt sich von einer Form zur anderen.

Materie kann, wie auch der Geist, weder geschaffen, noch zerstört werden, sondern entwickelt sich in transformativen Zyklen von Anfang, Wachstum, Höhepunkt, Ernte, Sterben und Erneuerung.

Das Universum ist wie die menschliche Seele sowohl endlich als auch unendlich.

Es gibt keine einzige verlässliche Konfiguration dessen, wie Dinge sind oder wie sie sein sollen oder wie sie sich entwickeln werden. Stattdessen gibt es unbegrenzte und unendliche Möglichkeiten, und genau das bewegt auch unsere eigene Seele.

Ereignisse reihen sich nicht immer im Einklang mit der menschlichen Vorstellung von Ordnung aneinander.

Nichts und niemand ist wirklich getrennt; alles ist auf komplizierte Weise und notwendigerweise miteinander vernetzt.

Alles ist eifrig damit beschäftigt zu werden, was es ist. Alles wird zu dem, was es werden soll, ungeachtet aller Beeinträchtigungen und Konflikte.

Nichts ist jemals vollkommen oder fertig. Alles ist ein fortlaufender Prozess, besonders wir selbst.

Alle Wesen in der Natur sind aufgrund von Geburt und Tod der Zeit unterworfen.

Wir befinden uns in einer ständigen Entwicklung – nehmen das Neue an und lassen das Alte los –, um uns den wandelnden Bedingungen der Umgebung anzupassen. Wir entwickeln uns aufgrund von Geburt und Tod.

Die Vergangenheit von Dingen und Menschen beeinflusst stark ihre gegenwärtige Situation, doch muss sie nicht ihre Zukunft determinieren.

Liebe, Weisheit und Heilung haben sowohl in unseren menschlichen Geschichten als auch in der Geschichte des Universums als treibende Kräfte Bestand. Gleichzeitig wird die Natur von destruktiven Kräften gesteuert, die für das Überleben aller notwendig sind.

Wenn wir durch Intuition eine Wahrheit des Universums erkennen, spüren wir eine körperliche Resonanz: Es „fühlt sich richtig an“. Wir klinken uns in den archetypischen Code unserer Menschlichkeit ein, und dieser ist mit dem evolutionären Code des Universums kompatibel.

Das Zentrum sowohl des Universums als auch der Psyche ist ein einziger beweglicher Feiertag und die Peripherie ist nirgends auffindbar.

Fünf Dinge, die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht

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