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Magdaleine von Scuderi

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Abb. 3: Porträt der französischen Schriftstellerin Madeleine de Scudéry, gezeichnet von Henri Louis Aimé Pottin (1820–1864)

Magdaleine von Scuderi ist die TitelfigurTitelfigur von Hoffmanns Novelle. Die 73 Jahre alte adelige Dame (S. 19) ist eine in der Gesellschaft und auch bei Hofe hoch angesehene Schriftstellerin. Sie wohnt in einem kleinen Haus in der Straße St. Honoré, das ihr der König als Zeichen seiner Bewunderung überlassen hat (S. 3). Ihr Haus ist einer der Schauplätze der Novelle, hier beginnt die Handlung und hier offenbart Olivier ihr Cardillacs dunkles Geheimnis. Die Scuderi ist, wie die Anrede »Fräulein« bereits zeigt, nicht verheiratet und lebt nur mit ihren Bediensteten zusammen.

Angesehene SchriftstellerinIhre Verse, die sie regelmäßig im Salon der Marquise de Maintenon, der Mätresse des Königs, häufig auch in dessen Beisein, vorträgt, dienen zur Unterhaltung der höfischen Gesellschaft. Welch großen Wert der Wertschätzung des KönigsKönig selbst auf ihre Meinung legt, zeigt sich bereits zu Beginn der Handlung, als er sie nach ihrer Einschätzung der von den verängstigten Liebhabern geäußerten Bitte um verschärfte Sicherheitsmaßnahmen fragt und ihre Worte letztlich für ihn handlungsweisend werden (S. 18). Ihr Stand gewährt ihr auch Zugang zu den Entscheidungsträgern der Justiz, was es ihr beispielsweise ermöglicht, sich über die Ermittlungen im Mordfall Cardillac zu erkundigen – Interna, die üblicherweise nicht preisgegeben werden:

»Wohl mag es nicht meines Amts sein, jedem, der mich frägt, den Gang eines Kriminalprozesses zu entwickeln. […] Aber vor Euch, mein würdiges Fräulein, möcht ich nicht für ein Ungeheuer gehalten werden« (S. 36 f.).

Sie wird als »die Würde, Anmut, TugendWürde, […] die Liebenswürdigkeit, die Anmut selbst« (S. 21) beschrieben, ihr wird darum uneingeschränkter Respekt entgegengebracht. Sich selbst bezeichnet die Scuderi als tugendhaft und fromm (S. 20). Umso mehr kränkt es sie, als »Die Unsichtbaren« ihre beim König geäußerten Zeilen gegen sie verwenden und sich bei ihr für den Schutz vor schärferer Verfolgung bedanken: »[O] der Kränkung, o der tiefen Beschämung! Muss mir das noch geschehen im hohen Alter! […] O Gott, sind Worte, halb im Scherz hingeworfen, solcher grässlichen Deutung fähig!« (S. 19 f.) Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, dass ebendiese spontanen Zeilen (»Un amant qui craint les voleurs / n’est point digne d’amour«, S. 18), die vom KlugheitIntellekt der Scuderi zeugen, die Aufmerksamkeit Cardillacs erregt und die Scuderi somit in das Geschehen involviert haben. Auch erweist sich die Scuderi als äußerst Bescheidenheitbescheiden. So beschreibt sie sich als »Person […], die mittelmäßige Verse macht, welche niemandes Neid erregen können« (S. 19).

Neben ihren dichterischen Fähigkeiten und ihrer Redegewandtheit, die ihr schlussendlich auch dabei hilft, den König davon zu überzeugen, sich ihres Gnadengesuchs für Olivier anzunehmen (S. 74), sind einige weitere Aspekte bei der Betrachtung der Hauptfigur besonders relevant: zum Intuition und Empathieeinen ihre Intuition und zum anderen ihre Empathiefähigkeit, ihre Hilfsbereitschaft und Güte, ihr unbedingter Wille, für das Einsatz für das GuteGute zu kämpfen, wie aussichtslos es auch scheinen mag.

Von Anfang an ist die Scuderi davon überzeugt, dass der verhüllte Jüngling, der sich später als Olivier herausstellt, nichts Böses gegen sie im Schilde führt – ganz gleich, wie bedrohlich die Martiniere sein nächtliches Eindringen ins Haus beschreibt (S. 19). Auch bei Cardillac trügt sie ihr Gespür nicht. Trotz seines tadellosen Ansehens in der Pariser Gesellschaft und seines überaus ehrerbietenden Verhaltens ihr gegenüber (S. 25 f.) überkommt sie nach der Begegnung eine dunkle Vorahnung, die sich im Verlauf der Handlung ebenfalls als richtig herausstellt:

»Und nun hat selbst Cardillacs Betragen, ich muss es gestehen, für mich etwas sonderbar Ängstliches und Unheimliches. Nicht erwehren kann ich mir einer dunklen Ahnung, dass hinter diesem allem irgendein grauenvolles, entsetzliches Geheimnis verborgen« (S. 28).

Es ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Persönlichkeit, sich immer auf ihre Intuition und Menschenkenntnis verlassen zu können.

Umso schockierter ist sie auch, als sie zu erkennen meint, sich in Olivier getäuscht zu haben: »So bitter noch nie vom innern Gefühl getäuscht, auf den Tod angepackt von der höllischen Macht auf Erden, an deren Dasein sie nicht geglaubt, verzweifelte die Scuderi an aller Wahrheit.« (S. 40 f.) Kurzzeitig lässt sie sich auf die falsche Fährte führen und hält nun auch eine Mitschuld Madelons für möglich. Sie fühlt die Grundfeste ihrer Weltsicht erschüttert: »Sie klagte das Verhängnis an, das in bitterm Hohn ihr so viele Jahre vergönnt, ihren Glauben an Tugend und Treue zu stärken, und nun in ihrem Alter das schöne Bild vernichte, welches ihr im Leben geleuchtet.« (S. 41 f.) Im weiteren Verlauf der Handlung zeigt sich, dass sie den Verlust ihres Gespürs zu Unrecht beklagt hat und ihr ursprünglicher Eindruck der richtige gewesen ist. Sie erkennt, dass es sich bei Olivier nicht um einen Mörder handelt. Aller Aussichtslosigkeit zum Trotz wird es für sie zur persönlichen Herzensangelegenheit, Olivier – und somit auch Madelon – zu retten, was ihr mitfühlendes Wesen hervorhebt. Bereits der Umgang mit Oliviers Mutter, Anne Guiot, »die sie, wie die Mutter das liebe Kind, erzog mit aller Treue und Sorgfalt« (S. 45), zeigt ihre Hilfsbereitschaft und ihren Einsatz für Schutzbedürftige. Die Gesellschaft zollt ihr Anerkennung für ihre gelebte Nächstenliebe: Als sie Madelon vor der Bedrängnis der Polizei bewahrt und mit zu sich nimmt, läuft »[e]in dumpfes Murmeln des Beifalls« durch die umstehende Menge, »Segnungen der würdigen Dame« (S. 33) sind zu vernehmen. Vertrauenswürdigkeit

Ihre redliche, mitfühlende und besonnene Art ist es auch, die Olivier und den Grafen von Miossens dazu veranlasst, sich der Scuderi anzuvertrauen. Aufgrund ihrer Vertrauenswürdigkeit kommt es also überhaupt erst zur Klärung des Falles Cardillac und der Juwelenmorde.

Das Fräulein von Scuderi ist der Dreh- und AngelpunktDreh- und Angelpunkt der Novelle. Bei ihr laufen die Fäden zusammen, die anderen Figuren sind auf unterschiedliche Weise alle mit ihr verbunden, und sie ist es, die letztlich die Aufklärung des Falls bewirkt. Die Wahrheit über die Juwelenmorde behält sie dabei für sich, um Olivier und Madelon zu schützen. Hoffmanns Protagonistin hat ein reales Reales VorbildVorbild. Madeleine de Scudéry, genannt Mademoiselle de Scudéry, war eine französische Schriftstellerin, die von 1607 bis 1701 lebte.

Das Fräulein von Scuderi von E.T.A. Hoffmann: Reclam Lektüreschlüssel XL

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