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NEUER UND ALTER WEG

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Die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich der reformatorische Geist in Zwinglis Bewusstsein zu regen begonnen UND ALTER hat, ist gewiss ziemlich bedeutend. Myconius macht WEG den Versuch, diesen Beginn mitten in das studentische Leben zu versetzen, was nicht nur reichlich übertrieben, sondern eigentlich erfunden ist. Als der junge Theologe 22-jährig die Universität verliess und in Glarus seine erste Priesterstelle antrat, war sogar seine theologische Bildung, wie Oskar Farner festhält, noch ein Torso. Dass er jedoch so intensiv und mit Liebe die antiken Philosophen und Dichter studierte, machte ihn gewiss zu einem aussergewöhnlichen Anwärter auf eine Pfarrei. Aber das Hauptgewicht im Studium lag gleichwohl auf der Scholastik, nicht, wie in mancher Biografie vorschnell behauptet wird, auf dem Humanismus. Eine Art Erasmianer wurde Zwingli erst im Laufe seiner Glarner Zeit durch intensive Lektüre römischer und griechischer Philososophie und vor allem durch Erasmus’ Herausgabe des Neuen Testaments.

Die Studentenzeit durchlebte er im Spannungsfeld von «via moderna» und «via antiqua», zwischen «neuem» und «altem» Weg, und er wird in beiden Richtungen unterrichtet worden sein, denn die beiden Lehren standen mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander. Der «alte Weg» postulierte die Einheit von philosophischer und theologischer Weltanschauung. Der «neue Weg» hingegen trennte Glauben und Wissen und behauptete die Unbeweisbarkeit der theologischen Wahrheiten. Zentrum des «alten Weges» war Paris, seine Anhänger waren vor allem die Universitäten in den südlichen Gebieten des Reichs. An erster Stelle stand da Tübingen. Von so enormer Wichtigkeit war dieser Richtungsstreit für den jungen Zwingli nicht, denn seine Entwicklung bewegte sich in den ersten Jahren seiner seelsorgerischen Tätigkeit in Glarus entschieden dem Humanismus eines Erasmus entgegen.

Der Drang vieler Biografen, den jungen Zwingli geistig zurechtzustutzen und ihn einer Schule zuzuordnen, ist zum Scheitern verurteilt, zu eigenständig war der Toggenburger Bauernsohn, intellektuell zu neugierig. Ein paar Jahre später liess er einen Blick in seine Haltung tun: «Nie habe ich mich im Laufe meiner Studien einem Lehrer und einer Lehre so angeschlossen, dass ich mich deswegen von den andern abgewandt und das zurückgewiesen hätte, was diese an Wert und Klarheit jenen voraus hatten. Ich habe die Gesamtheit aller Weisen und Formen, die jemals gelebt haben, als ein Gastmahl angesehen, zu welchem jeder seinen Beitrag zu liefern das Recht und die Pflicht hat.» Zwingli hätte auch sagen können: Nie war ich Dogmatiker.

Er äusserte sich auch folgendermassen: «Nie hat bei mir Platos Glanz und Erhabenheit so viel gegolten, dass ich darüber Aristoteles mit seiner Schärfe, seiner Klarheit und seinem Wissen gering geschätzt hätte. Vielmehr habe ich das eine Mal diesem, das andere Mal jenem den Vorzug gegeben, und zwar aus keiner andern Ursache, als weil keiner alles weiss, und weil, was jeder weiss, überall dem allgemeinen Besten dienen soll.»

Und an einer anderen Stelle sagte er: «Die Wahrheit ist für mich, was die Sonne für die Welt. Wie wir diese überall, wo sie aufgeht, freudig annehmen und durch sie zur Arbeit uns ermuntern lassen, so sehnt sich auch der Geist nach dem Lichte der Wahrheit und freut sich, wenn es ihm irgend entgegen strahlt.»

An anderer Stelle sagte er, er habe «von Kind auf die Sophisterei verachtet». Es ist denn tatsächlich früh sichtbar, wie dieser Bergler eine Weite seines Geistes beweist, und dazu eine Reichhaltigkeit des Wissens und eine Ungebundenheit und Offenheit, sodass er in mancher Charakterisierung als Eklektiker bezeichnet wurde. Zwingli war kein Mann, dessen Horizont an der nächsten Felswand seine Grenze fand.

Thomas Wyttenbach aus Biel, der vielleicht wichtigste Lehrer Zwinglis in Basel, war wohl der Erste, der frühe Ideen, die zum reformatorischen Denken führten, in den Geist des Studenten einpflanzte. In der Auseinandersetzung mit Luther erwähnt Zwingli viel später den Gelehrten Wyttenbach und dessen Polemik gegen den päpstlichen Ablass, welcher nicht aus der Heiligen Schrift zu begründen sei, woraus nun nicht zu schliessen ist, dass Zwingli schon als Student sich über diese Frage im Klaren gewesen war. Es sagt mehr über Wyttenbach aus, der schon zwölf Jahre vor Luther auf diesen zentralen Punkt der Kritik an der alten Kirche hingewiesen hat. Es war auch Wyttenbach, der seine Studenten zum Erlernen der griechischen Sprache ermuntert hat, um das Evangelium in den Urtexten lesen zu können. Der junge Zwingli plagt sich denn jahrelang mit dem Studium des Griechischen herum, in Glarus, dann in Einsiedeln, und auch noch in Zürich.

Schon als Student, aber auch als junger Theologe war er ein grosser Leser. Er hatte Zeit seines Lebens ein Netz von Freunden, Informanten und Anregern, die ihn mit Neuerscheinungen versorgten oder auf sie aufmerksam machten. Was an wichtigen Werken Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts erschienen war, das fand sich nach dem Tod des Reformators in seiner Bibliothek, sodass man annehmen kann, dass er einiges davon schon als Student in Basel besorgt hatte. Da waren vor allem die Werke von Homer, Demokrit, Plutarch, Cicero, Caesar, Livius, Seneca, Plinius, Tacitus, des Satirikers Lukian, natürlich Aristoteles, Demosthenes, Horaz, Josephus, Duns Scotus. Und dann vor allem einer seiner Lieblingsautoren, der Florentiner Pico della Mirandola, den er in seinen Schriften oft erwähnte, den er auch verehrte.

Solche Vorläufer der Reformation gab es in Europa Dutzende, in mehreren Ländern und Kulturen, selbstverständlich, denn die Reformation fiel ja nicht plötzlich 1517 oder 1519 vom Himmel auf Deutschland und die Eidgenossenschaft nieder. Da gab es ein breites, grosses Feld von mannigfaltigen Früchten, da gab es Dutzende Gelehrte, die an den Missständen kratzten und immer wieder Irrwege aufzeigten und fruchtbare Vorarbeiten leisteten. Ulrich Zwingli aber war ganz gewiss weit und breit derjenige, der diese frühen Früchte der Entwicklung am begierigsten und am aufmerksamsten beobachtete. Pico della Mirandola und Marsilio Ficino, dessen Lehrer, waren ganz wichtige Adressen, ihre Schriften nahmen in Zwinglis Studierstube zu allen Zeiten wichtige Plätze ein. Die Verehrung Mirandolas durch den jungen Geistlichen Zwingli ging in Glarus fast nahtlos in jene des Erasmus von Rotterdam über.

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