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Jan Fischer und das Blut des Spaniers

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Geboren am 1. August 1988, 4 Kilo und 80 Gramm schwer, morgens um 10:36 Uhr. Am Abend ging Dieter fröhlich, wie am Vortag abgemacht, zu Walter und Silvia gut essen und feiern. Im Innenhof des Spitals zündeten die Angestellten einige Vulkane, damit auch wir Insassen noch etwas von dem Feiertag hatten. Es war so brutal heiss in diesen Tagen, dass das Laken am Körper klebte. Meine Kräfte blieben weg und so bekam ich drei Säckchen Blut verschrieben. Der erste Beutel war kein Problem und der zweite bereitete schon etwas Schmerzen. Ich fühlte mich wie an einer Batterie aufgeladen und schon regelrecht fit und so fand ich, man könnte sich den dritten wohl sparen, aber nein, der musste auch noch in die Ader gelassen. Eine der Krankenschwestern fragte mich, wie das Blut des Spaniers denn wirke? Ich sah sie verdutzt an und meinte: „Ganz gut!“ Schüchtern fragte ich, ob das Blut wirklich von einem Spanier sei? Sie lachte: „…schon möglich“. Ich litt wie verrückt, denn meine Blutader war schon stark entzündet. Als ich das hinter mir hatte, war ich wieder zu Fuss unterwegs. Erstmals wickelte und badete ich dann meinen kleinen Jan. Die Babys schliefen nachts im Säuglingszimmer. Tagsüber durften wir sie im Zimmer haben, so lange wir mochten. Die Babys wurden bevorzugt auf den Bauch gelegt. Nachts brachten die Schwestern die Säuglinge alle in einem grossen „Wägelchen“, schön nebeneinander gereiht und hungrig schreiend. Jan`s Stimme hörte ich gut heraus! Er schien mir der lauteste und markanteste zu sein. Die Schwestern wollten den kleinen Jan nie auf Anhieb zu mir bringen, immerzu gingen sie zuerst auf die mollige und ältere Frau zu. Scheinbar traute mir niemand ein solch grosses Baby zu, grins! Auf unserer Station arbeitete eine alte Stationsschwester, die schon zum Inventar gehörte. Mir war sie trotz ihrer Autorität die sie ausstrahlte sympathisch. Bei der Nahtkontrolle war sie ganz entsetzt, als sie die meinige sah. Sie meinte, so was hätte sie noch nie gesehen und das hatte so seine Bedeutung, denke ich, wenn man ihr Alter bedachte! Ich bekam eine Eisbinde und die war sehr angenehm. Als wir eines Abends, im Säuglingszimmer den kleinen Jan für die Nacht parkierten, begegneten wir Eltern, die ihr Kind am selben Tag bekamen. Die Mutter fragte mich, wie den unser Kleines heisse und darauf meinte sie, dass sei ja lustig, denn ihr Junge hiesse fast gleich, nämlich „Kilian“. Als wir draussen waren, mussten wir lachen. Wie man weiss, befindet sich in den Windeln der Kleinen in den ersten Monaten, sehr dünnes Gut. Beim stillen lief Jan`s Windel aus und verkleckerte mein Bett. Die alte Hebamme sah das beschmutzte Laken und schimpfte mit mir. Ich erklärte, dass die Flüssigkeit nicht aus dem Mund des Babys kam, sondern aus den Windeln. Sie entschuldigte sich sofort und meinte, das sei natürlich was anderes. Wenn wir unser Bett verliessen, mussten wir immerzu die Bettdecke schön zurückschlagen, wegen der Bakterien, so wurde uns gesagt. Besucher durften sich nicht auf unser Bett setzten. Ich fand das übertrieben, aber ich fügte mich den Regeln. Auf unserer Etage gab es einen grossen Balkon mit Blick auf den Bodensee. Als wir draussen das Wetter genossen, bekamen wir ein Gespräch zwischen Eltern mit. Ein Vater und eine Mutter profilierten sich damit, dass sie ihren Jungen mit auf den Balkon nehmen dürften, weil er so kräftig sei. Dieter meinte darauf, ob wir unseren Kleinen auch holen sollten. Dieser offensichtliche Vaterstolz fand ich süss und erfreute mich!

Der Kinderarzt kam um die Frischgeborenen zu untersuchen. Bei Jan war alles soweit in Ordnung. Ich fragte den Arzt um Rat, im Falle einer notwendigen Wiederbelebung. Er erzählte mir, dass auch er vor Jahren ein Baby am Kindstod verlor. Er forderte beim darauf folgenden Kind aber kein Überwachungsgerät an, sondern sei mit seiner Frau regelmässig zu einem Psychologen gegangen. Ich fand diesen Gesichtspunkt einerseits sehr interessant, doch musste ich es für mich ablehnen. Meine Meinung war, wenn es schon eine Technologie gab, warum sollte ich sie dann nicht nutzen und ein Risiko eingehen? In Kombination vielleicht ja, aber auch das wollte ich nicht. Er zeigte mir, wie man ein Baby wiederbeleben könnte. Ich bekam für zu Hause ein Gerät zur Verfügung gestellt, was mich beruhigte. Mir war bewusst, dass es auch mit diesem Gerät keine hundertprozentige Sicherheit gab. Es nahm mir hauptsächlich die Angst vor dem allmorgendlichen Erwachen. Am sechsten oder siebten Tag verliess ich mit Jan die Klinik. Vergleichbar wie bei einer Hochzeit, trugen wir Jan über die Türschwelle in unsere Wohnung, was sich sehr belebend anfühlte. Der erste Abend zu Hause war ein wenig stressig, weil das Überwachungsgerät immer wieder ohne Grund Alarm schlug. Der Signalton war extrem laut und nicht einstellbar. Wir probten und legten das kleine Maträtzchen, das die leichten Bewegungen des Brustkorbes registrierte und nur etwa 12 x 12 Zentimeter mass, auf verschiedene Höhen von Jan`s noch kleinem Oberkörper. Dann legte ich es anstatt unter den Matratzenschoner nur noch unter das Lacken und so ging es dann ganz gut. Weil Babys am Anfang noch ruhig an Ort und Stelle liegen, funktioniert das einigermassen gut. Es gab Momente, in denen ich vor Glück weinen musste, vor allem wenn ich unseren süssen Kleinen im Arm hielt. Auch bei Jan verwendete ich Stoffwindeln, doch das machte ich nicht mehr lange mit und ich bestand darauf, dass wir Papierwindeln kauften. Ich probierte viele Marken aus und kam zu dem Schluss, dass die „Pampers“ die besten waren. Kaufte ich billigere, brauchte ich dafür auch um so mehr. Ich verabreichte Jan auf Empfehlung des Kinderarztes ein Mittelchen, das ähnlich wie Koffein wirkte. Es sollte den Atem, speziell die Lungentätigkeit anregen. Einzige Nebenwirkung die es haben könnte sei, dass Jan vielleicht später einmal gerne Kaffe oder Cola trinken würde. Ich brachte Jan für eine Nacht nach St.Gallen ins Kinderspital, denn nur dort machten sie spezifische Untersuchungen für gefährdete Kinder, dass heisst die Geschwister von Kindstod verstorbenen. Während Jan schlief, überwachten sie seine Herztätigkeit sowie sein Atem und der Sauerstoffgehalt in seiner Haut. Sie kontrollierten auch den Magenschliessmuskel, ob er gut funktionierte. Diese Untersuchung machten sie vorzugsweise mit sechs Wochen. Ich gab daraufhin etwas Muttermilch mit. Zuvor im Spital, genoss ich eine gute Stillberatung und hatte darum keine Probleme mehr beim Stillen. Ich stillte Jan vier Monate lang voll und baute dann langsam ab. Nach Jan`s Geburt fragte ich erneut meinen Bruder Philip, ob er Götti sein möchte? Er sagte ja und schlug vor, dass doch Fiona seine Gotte sein könnte. Wir liessen Jan in der Kirche Sitterdorf taufen. Während der Taufe hielt Jan seine Hände gefaltet und es sah aus, als würde der kleine Zwerg beten. Er machte während der Predigt immerzu: „Huhu“ und das fand ich so süss.

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