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2.2 Lebenswelten und Milieus junger Menschen

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Spätestens seit dem achten Jugendbericht der Bundesregierung (BMfJFG 1990) gehört die Lebensweltorientierung zu den zentralen Paradigmen der Jugendhilfe, also auch der Jugendarbeit. Nach Grunwald und Thiersch betont die „Lebensweltorientierung [...] die Vielfalt der im Alltag zu bewältigenden Aufgaben und Probleme“ (Grunwald/Thiersch 2001: 1137), macht also deutlich, dass – im Kontext der Jugendarbeit – Jugendliche in höchst unterschiedlichen Lebenssituationen stecken. Dies betrifft ihre sozio-kulturelle Einbindung ebenso wie ihr Alltagserleben und ihre individuellen Problemlagen. Auf diese unterschiedlichen Wirklichkeiten weist auch die neue Milieuforschung hin. Die aktuelle Sinus-Milieu-Studie im Bereich der Jugendlichen identifiziert sieben unterschiedliche Milieus, in denen Jugendliche heute leben (Calmbach et al. 2012). Der Milieuansatz ist der Versuch, verschiedene Lebenswelten anhand demografischer Eigenschaften zusammenzufassen und so auch erfassbarer zu machen. Sowohl das Konzept der Lebensweltorientierung als auch der Blick auf die Milieus machen vor allem deutlich: Die Jugend gibt es nicht. Wir haben „es heute klassen-, schicht- und milieuspezifisch übergreifend mit einer Vielzahl und Vielfalt [...] globaler Jugendkulturen zu tun“ (Ferchhoff 2007: 61). Dieser Ausdifferenzierung jugendlicher Lebenswelten muss sich auch missionarische Jugendarbeit stellen. Missionarische Jugendarbeit ist dabei herausgefordert, nicht nur Jugendliche in ihrer Lebenswelt zu erreichen oder für konkrete Milieus attraktiv zu sein, vielmehr muss sie darum bemüht sein, die Botschaft, die sie vermitteln möchte, nicht allgemein zu verkündigen, sondern in den Lebenswelten und Milieus junger Menschen zu plausibilisieren. Sie muss in der Lage sein, auf konkrete Alltagsfragen junger Menschen Antworten zu geben und die Relevanz des Evangeliums in deren Lebenssituationen zu verdeutlichen. Allgemeingültige Phrasen oder vorgefertigte Antworten gehen an der Wirklichkeit junger Menschen vorbei. Konkret: Der Kernsatz mancher evangelistischer Verkündigung „Jesus Christus ist für dich am Kreuz gestorben“ geht am Verständnis- und Lebenshorizont der allermeisten Jugendlichen vorbei, wenn er nicht im Lebenskontext junger Menschen verortet wird. Eine solche „losgelöste“ Botschaft hat für sie sonst meist keine Relevanz und ist im Grunde nicht verstehbar. Vielmehr ist missionarische Jugendarbeit herausgefordert, gemeinsam mit Jugendlichen zu erarbeiten, welche Bedeutung Jesus Christus und dessen Kreuzestod in ihrer Lebenswelt hat, und muss, um relevant zu sein, Anknüpfungspunkte in dieser finden. Daraus ergibt sich, dass missionarische Jugendarbeit sich auf den Weg zu jungen Menschen machen muss (Geh-Struktur), um ihren Alltag und ihre Lebenswelt adäquat ernst zu nehmen. Dies ist auch theologisch zu begründen. „missio Dei“ bedeutet, dass Gott sich zuerst auf die Welt und die Menschen zubewegt hat, und ist damit auch die Begründung der Geh-Struktur einer missionarischen Jugendarbeit. Das bedeutet für die missionarische Jugendarbeit ein Aufsuchen junger Menschen in ihren Lebenswelten, um ihre Fragen und Sorgen zu teilen, ihnen ohne Vorurteile zu begegnen und offen zu sein auch für neue, vielleicht fremde, Lebensentwürfe, ohne diese unkritisch bejahen zu müssen.

Darüber hinaus betonen Thiersch und Grunwald, dass Lebenswelt stets erfahrene Wirklichkeit ist, also in Gänze nur subjektiv erfassbar ist (vgl. Grunwald/Thiersch 2004: 20). Um diese zu rekonstruieren, ist daher das Gespräch mit und der Einbezug von Jugendlichen in der missionarischen Jugendarbeit unerlässlich. Sie sind die Experten ihrer eigenen Lebenswelt und ihrer Milieus (vgl. Karcher 2013: 119) und nur mit ihnen gemeinsam können relevante Formen von missionarischer Jugendarbeit entwickelt werden.

Handbuch missionarische Jugendarbeit

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