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1.5.4 Sinnkonstitution

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Im Sinnbereich der Sozialwelt der alltäglichen Lebenswelt erkennen die Menschen sich selbst in ihren Mitmenschen. »Sinndeutung, ›Verstehen‹, ist ein Grundprinzip der natürlichen Einstellung mit Bezug auf Mitmenschen.« (Schütz & Luckmann 2017, S. 45)

Den Menschen erscheint die Lebenswelt als subjektiver Sinnzusammenhang und ihren Mitmenschen unterstellen sie, dass auch ihr Handeln in Sinnzusammenhängen geschieht und auch sie zielstrebig und subjektiv motiviert sind. Zugleich unterstellen sie ihren Mitmenschen sinnvolle Handlungen und sinnvolles Verhalten. Damit den Menschen das Verhalten ihrer Mitmenschen verständlich wird, greifen sie auf ihren eigenen Wissensvorrat zurück und reflektieren vor dem Hintergrund ihrer Wirklichkeit. Der Sinn ist das Ergebnis der Auslegung vergangener Erlebnisse und des Handelns, das im Jetzt reflektiert wird. Solange die Menschen im Erlebnis und im Handeln gefangen sind, ergibt für sie dieses Erleben keinen Sinn (Schütz & Luckmann 2017). Die Erlebnisse sind erst dann sinnvoll, wenn sie »[…] über ihre Aktualität hinaus erinnert, auf ihre Konstitution befragt und auf ihre Position in einem zuhandenen Bezugsschema ausgelegt werden. Demzufolge wird mir mein eigenes Verhalten erst in Auslegung sinnvoll.« (Schütz & Luckmann 2017, S. 44)

Der Sinn einer Handlung ist also die Selbstauslegung des eigenen Handlungsentwurfs. »Durch diese Auslegung ›verstehe‹ ich den Zweck des Werkzeugs, erfasse, wofür ein Zeichen steht, wie sich ein Mensch in seinem Verhalten an einer sozialen Einrichtung orientiert.« (Schütz & Luckmann 2017, S. 45)

Im Gegensatz zur Handlung, die im Sinn vorentworfen ist, werden das Verhalten und das Handeln in die Vergangenheit gerichtet reflektiert und erst dann sinnvoll. Da übergreifende sinnhafte Handlungszusammenhänge unterschiedliche Spannweiten haben und nur der Mensch selbst weiß, welchen Teil er reflektiert, muss der Sinn auf das subjektive Bewusstsein des Handelnden zurückgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Sinndeutung zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Auslegung variiert. Wird die Sinnstruktur erschüttert, werden Einstellungen, die auf der Wirklichkeit beruhen, aufgegeben (Schütz & Luckmann 2017).

Wieder übertragen auf das Pflege-Klienten-Geschehen und auf den Problemlöseprozess kann theoretisch begründet werden, dass Pflegefachpersonen die Interventionen nicht aus der Beobachtung der Handlungen der erkrankten Menschen ableiten können, sondern nur über das Erfahren der Menschen zu Rückschlüssen kommen. Wie bei einer Forschungsreise in unerschlossene Regionen sollten sich Pflegefachpersonen und psychisch erkrankte Menschen in der Lebenswelt des anderen besuchen. Auch wenn beide Lebenswelten Unterschiedlichkeiten aufweisen, stehen sie sich gleichwertig gegenüber. Vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit können die Unterschiedlichkeiten im Erleben verstanden und anerkannt sowie Gemeinsamkeiten erlebt werden, z. B. in den Grundfragen des Menschen. Das gegenseitige Lernen lässt Neuinterpretationen zu und veranlasst zu weitergehender Entdeckung. Die Grundvoraussetzung für die Pflegefachpersonen, in ihrer Funktion der Expeditionsleitung, ist wissenschaftlich fundiertes Hintergrundwissen.

Verstehen in der Psychiatrischen Pflege

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