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Repräsentation von Herrschaft

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Antike Herrschaftsrepräsentation

Macht, geographischer Raum und kartographische Erfassung waren spätestens seit den Römern eng miteinander verbunden. Bereits Augustus soll seinen Vertrauten Marcus Vipsanius Agrippa (um 63 v. Chr.–12 n. Chr.) damit beauftragt haben, die Ausdehnung des Imperium Romanum mit all seinen Kolonien in Marmor festzuhalten. Die daraus entstandene gemeißelte oder gemalte Karte dokumentierte an der Porticus Vipsania, den nach Agrippa benannten und für alle Bürger zugänglichen Kolonnaden, die Größe des beherrschten Territoriums und die Vielzahl unterworfener Völker. Auch wenn, wie Plinius in seiner Naturkunde bemerkte, Agrippas Angaben für die südspanische Provinz Baetica rasch überholt waren, zeigt das Beispiel, dass Kartographie für Herrschaftszwecke eingesetzt und von Obrigkeiten beeinflusst wurde. Große Formate eröffneten zudem die Möglichkeit, Herrschaft öffentlich zu inszenieren. Auch wenn diese eine Karte längst verloren ist, können wir also von einer diskursiven Konstruktion von Herrschaft durch Kartieren ausgehen.

Mappa mundi in Westminster

Auch im Mittelalter wurden geographische Vorstellungen auf Herrschaft bezogen. Einhard schreibt, dass sich im Nachlass Kaiser Karls des Großen ein silberner Tisch mit Weltkarte befunden habe. König Heinrich III. von England (1207–1272) soll für die große Halle von Winchester Castle und den Londoner Westminster-Palast jeweils eine heute nicht mehr erhaltene mappa mundi in Auftrag gegeben haben. Im sogenannten Painted Chamber von Westminster war sie Teil eines Bilderarrangements, das biblische Erzählungen, die Regentschaft des heiliggesprochenen englischen Königs Eduard und christliche Tugenden visualisierte. Die raffinierte Verbindung aus Geographie, königlicher Dynastie der Plantagenêts und christlicher Heilsgeschichte sollte die Legitimität des Herrschaftsanspruches, die Frömmigkeit und Weisheit Heinrichs III. betonen. Das Painted Chamber, zugleich Schlafgemach, Empfangssaal und Versammlungsort der ersten Parlamentssitzungen, bot hierfür den geeigneten Raum.

Herrschaftsrepräsentation in Städten

Die Zur-Schau-Stellung raumbezogener Herrschaft mittels Kartographie beschränkte sich nicht nur auf königliche Interieurs, sondern wurde auch im städtischen Milieu genutzt. So fertigte der Maler Ambrogio Lorenzetti (um 1290–1348) für den Ratssaal des Palazzo Pubblico in Siena eine heute ebenfalls verlorene mappa mundi, die im Zusammenspiel von militärischen Ruhmestaten und patrizischen Besitzungen das stadtrepublikanische Selbstbewusstsein zum Ausdruck brachte. Mit der Installation ganzer Kartenräume wie in der Galleria delle carte geografiche im Vatikan, im Dogenpalast in Venedig oder im Florentiner Palazzo Vecchio erreichte die politische Kontextualisierung ihren Höhepunkt in der Renaissance. In repräsentativen Empfangszimmern oder Wandelhallen symbolisierten die Welt- und Regionalkarten sowie aufgestellte Globen die stete Verfügbarkeit von geographischem Wissen über die gesamte Welt und banden den eigenen Herrschaftsanspruch in heilsgeschichtliche und politische Ordnungsvorstellungen ein.

Erfassung von Raum

Nicht nur der Besitz von Karten brachte politischen Willen zum Ausdruck, sondern auch das Kartenbild selbst, in dem sich herrschaftliche Ansprüche, politische Konzepte und veränderte Herrschaftsstrukturen verorten ließen. Denn Kartieren diente der Erfassung und Durchdringung von Raum. Schon früh- und hochmittelalterliche Produkte, wie die Balchi-Weltkarte und die Europakarte des Lambert de Saint-Omer, zeigen Grenzen von Provinzen oder Reichen, die weder exakt noch aktuell sein mussten. Das Ziel der Kartenzeichner bestand nicht darin, Herrschaften als geschlossene politische Gebilde zur Anschauung zu bringen, sondern richtete sich darauf, die Lage einer Region durch ihre Nachbarschaft zu anderen zu umschreiben. Deshalb benötigten Herrschaftsräume nicht unbedingt sichtbare lineare Abgrenzungen. In spätmittelalterlichen Portulankarten bezeichnen etwa Herrschaftssymbole wie Kronen, Wappen und Fahnen politische Ordnungssysteme. Nicht selten ist auch der Herkunftsraum des Kartenzeichners oder Auftraggebers entweder größer oder farbiger als andere Regionen abgebildet. Ob damit immer politische Ansprüche einhergingen, ist im Einzelfall zu prüfen. Jedenfalls weist die Symbolik, selbst bei mythischen Herrscherfiguren wie den Heiligen Drei Königen und dem Priesterkönig Johannes, auf die Qualität, Wertstellung, Herkunft und Legitimität von Macht zurück.

Dass sich Herrschaft und Mythos gegenseitig ergänzen, zeigt die nach dem zeitweiligen Besitzer benannte Gough-Karte von Großbritannien, die auf die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert wird. Einerseits sind Städte, Klöster und Straßenverbindungen Ausdruck königlicher Hoheits- oder Sonderrechte in England und Schottland. Andererseits erkennen wir Schauplätze der Artus-Legende und der Sage um den Enkel des Äneas, der zusammen mit weiteren Flüchtlingen auf der Suche nach der verheißenen Insel in England den Grundstein für ein neues Troja gelegt haben soll. Nicht nur die Rechtshoheit über konkrete Stätten, sondern auch die Berufung auf Vorbild und Herkunftsmythos eigneten sich, um die Autorität des englischen Königtums zu stützen.

Arabische Kartographien

Neueste Forschungen haben ergeben, dass sich politische und wirtschaftliche Konzepte, wenngleich weniger ausgeprägt, auch in arabischen Kartographien spiegeln. Die schematische Mittelmeerkarte im »Buch der Kuriositäten«, die vordergründig weder Herrschaft noch Religion zu erfassen scheint, ist erst im Kontext der politischen und maritimen Ambitionen der Fatimiden zu verstehen. Die das Meer umgebenden Städte stehen weniger für den Handel, sondern sind Militärhäfen. Gerade weil weder Grenzen noch politische Entitäten durchscheinen, wird das Mittelmeer zu einem einheitlichen fatimidischen Herrschaftsraum stilisiert. Im Zusammenspiel mit Regionalkarten zu Sizilien und Zypern verdichtet sich ein Handels- und Politiknetzwerk im östlichen Mittelmeer um die fatimidischen Hafenstädte Mahdia im heutigen Tunesien und Tinnis in Ägypten.

wbg Weltgeschichte Bd. III

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