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Der andere Räuber: der Wolf

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Der Wolf verkörpert ganz wie die Pest die extreme Panik, die von den zerstörerischen Kräften der Natur ausgelöst wird. Die Wölfe sind im Europa des Mittelalters und der Neuzeit eine tödliche Gefahr, gegen die man Jahrhunderte lang kämpfen musste. Zwischen der Pest und dem Wolf besteht eine gewisse historische Verbindung: Im Volksglauben war der Wolf die Personifizierung des Dämons der Krankheit, die am Ursprung der Pest stand. Man hat ihn jedoch nur selten beschuldigt, ein wirklicher Vektor der Ansteckung zu sein. Man vermutete eher, dass die streunenden Hunde und Hauskatzen die Pest brachten, und es kam vor, dass man sie zur Vorbeugung massakrierte. Heute weiß man dank der mikrobiologischen Entdeckungen, dass die Schuldigen die Ratten sind.

Doch im Gegensatz zur Pest ist die Beziehung der Menschen zum Wolf, diesem wichtigen Raubtier und mächtigen Symbol der wilden Natur, weit davon entfernt, ausschließlich negativ zu sein. Der Gründungsmythos von Rom erwähnt die von einer Wölfin genährten Zwillinge Romulus und Remus – eine Erinnerung, die während der ganzen Antike durch das Fest der Lupercalien wachgehalten wurde. Die Wölfe waren ein integrierender Bestandteil der Kultur der nordischen Gesellschaften am Beginn des Mittelalters. Odin war selbst eine Art Wolfsgott. Für die Wikinger und die Gallier versinnbildlichten die Wölfe die kriegerische Identität, woraus sich ihre anhaltende Präsenz in den Vornamen wie auch in der Heraldik erklärt.

Die ländlichen Agrargesellschaften des Christentums am Beginn des Mittelalters waren natürlich gegen die Wölfe feindlich eingestellt, die eine ständige Bedrohung für das Vieh und für die Menschen darstellten. Karl der Große schuf mit dem Kapitular von 813 zwei Luparii pro Grafschaft, die beauftragt waren, dem Kaiser alljährlich die Felle der getöteten Wölfe zu schicken, und dafür entlohnt wurden.

Die mittelalterlichen Chroniken erwähnen entsetzenerregende Wölfe, verantwortlich für den Tod von Dutzenden Menschen. Man findet gleichzeitig eine Fülle von Legenden über Einsiedler und Heilige, die diesen wilden Gegner zu besänftigen vermochten, wobei der berühmteste unter ihnen Franz von Assisi ist, der den Wolf von Gubbio zähmte.

Die Ambivalenz gegenüber den Wölfen wandelte sich allmählich in eine extreme Feindseligkeit. Am Ende des Mittelalters wurde der Wolf zum schlimmsten Feind des Menschen in der wilden Natur. 1395 erlaubte Karl VI. dem französischen Volk „jeglichen Standes, alle Wölfe und Wölfinnen zu töten und zu jagen“. 1583 verpflichtete Heinrich III. die Haushalte jeder Pfarrei, dreimal pro Jahr einen Mann zu schicken, um die Wölfe zu töten. Eine systematische Vernichtung dieses Tiers begann in Europa am Anfang der Neuzeit.

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