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2.3 Innovationen im Rahmen von Marktwirtschaft

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Innovationen müssen also nicht zwangsläufig im Interesse der in der Praxis tätigen Pflegekräfte liegen. Sie sollen allerdings, so wird man hier einwenden, auch nicht primär deren Bedürfnissen dienen, sondern jenen der Pflegebedürftigen, die man gerne im Rahmen eines marktwirtschaftlich funktionierenden Systems als Kunden und Kundinnen ansieht. Pflege als Dienstleistung wäre demnach ein Produkt wie viele andere auch, das deshalb nachgefragt wird, weil es die bestimmten Bedürfnisse befriedigt. Es lässt sich allerdings die Frage stellen, ob Innovationen im Rahmen der Marktwirtschaft wirklich den Interessen der potenziellen Zielgruppe dienen oder nicht vielmehr den Interessen von Unternehmen, denen es darum geht, ihre Gewinne zu steigern, indem sie neue Absatzmärkte erschließen. Dies sollte man zum Beispiel bei der Einführung digitaler Technologien im Krankenhaus bedenken, von denen der Text im Kasten ( Kasten 2.1) eine durchaus denk- und realisierbare Möglichkeit beschreibt.

Kasten 2.1: Mehr Patientensicherheit durch die Digitalisierung der Pflege

Mit der Einführung eines neuartigen, halbautomatisierten Pflegeplanungssystems wird das Personal von aufwendiger Schreibarbeit entlastet und hat mehr Zeit für den Patienten. Das Assessment der Pflegebedürftigkeit erfolgt jetzt mit Hilfe einer standardisierten Checkliste, die alle relevanten Pflegeprobleme abdeckt. Es müssen nur noch Items zu einzelnen Beobachtungsdaten angeklickt werden und das Programm erkennt automatisch, welche Pflegeprobleme vorhanden sind. Die hierzu erforderlichen Cut-Off-Werte sind im System hinterlegt und beruhen auf den neuesten Erkenntnissen der Pflegeforschung. Auch die passenden Pflegemaßnahmen können bei vorhandener Problemfeststellung über ein Drop-Down-Menü abgerufen werden. Ihre Wirksamkeit wurde in pflegewissenschaftlichen Studien getestet. So kann unsere Einrichtung eine evidenz-basierte Standardisierung der Patientenversorgung gewährleisten. Durch regelmäßige Updates des Programms ist sichergestellt, dass stets die neuesten Studienergebnisse in die Planung der Maßnahmen einfließen.

Um auf die individuellen Wünsche unserer Patientinnen und Patienten einzugehen, sind die zentralen Funktionseinheiten unserer Stationen über ein digitales Telekommunikationssystem mit den Patientenzimmern verbunden. Unser akademisch gebildetes Leitungspersonal kann sich so jederzeit bei Bedarf mit den Patientinnen und Patienten in Verbindung setzen und ihre Wünsche erfragen. So können erforderliche Abweichungen von den standardisierten Maßnahmen sofort an die Pflegefachassistenz weitergegeben werden, die für die Durchführung der Pflegemaßnahmen verantwortlich ist. Das Telekommunikationssystem erlaubt darüber hinaus das Erkennen von potenziellen Pflegeproblemen durch das akademisch gebildete Pflegepersonal und die Kontrolle der von der Pflegefachassistenz durchgeführten Maßnahmen.

Die Antwort auf die Frage, ob die skizzierten Innovationen ( Kasten 2.1) im Interesse der zu behandelnden Kranken sind, ist zweideutig. Auf der einen Seite werden unnötige Schreibarbeiten abgebaut, neue Erkenntnisse aus der Forschung den Pflegenden direkt zur Verfügung gestellt und direkte Kontakte zwischen Kranken und hochschulisch gebildetem Pflegepersonal ermöglicht. Auf der anderen Seite erzeugt das evidenz-basierte Pflegeplanungssystem jedoch neue Abhängigkeiten, da es Entscheidungen in Bezug auf die zu wählenden Maßnahmen bereits vorgibt und die regelmäßigen Updates zum neuesten Stand der Evidenz natürlich kostenpflichtig sind. Die digitale Überwachung der Pflegefachassistenz durch hochschulisch gebildete Pflegepersonen verschärft nicht nur die pflegeinterne Hierarchie, sondern ermöglicht es auch, mehr kostengünstige Pflegekräfte einzusetzen. Je höher die Kompetenzstufe der Pflegenden, desto weiter entfernt sind sie vom Bett. Das skizzierte Modell ( Kasten 2.1) ist zwar bis dato noch eine Utopie und die Digitalisierung der Pflege muss auch keineswegs die dort beschriebene Form annehmen (vielmehr sind auch Programme denkbar, die Pflegefachkräfte dabei unterstützen, die Komplexität der Versorgungsprozesse zu erfassen und darzustellen), dennoch stellt sich die Frage, ob Innovationen im Gesundheitswesen den Bedürfnissen der erkrankten Personen dienen oder den ökonomischen Interessen von Unternehmen und Gesundheitsanbietern, die ihre Therapien vermarkten wollen und auf der Suche nach neuen Absatzmärkten sind.

Praxisentwicklung und Akademisierung in der Pflege

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