Читать книгу Hatschepsut - Heike Rüster - Страница 14

11. Kapitel

Оглавление

„Wow, also das ist… in welcher Etage wohnst du nochmal?“, schnauft mir Ahmed ins Gesicht. Schwer atmend stützt er sich auf das wackelige Geländer. Dabei befürchte ich fast, er würde samt diesem Gestell in die Tiefe rauschen. Doch dann richtet er sich wieder auf, holt noch einmal tief Luft und macht sich an die nächsten Stufen.

„Im fünften Stock. Komm schon, das ist gleich hier. Nur noch eine Treppe.“ Mit einem aufmunternden Lächeln zeige ich auf meine Wohnungstür. „Da ist sie, siehst du?“

„Gott sei Dank! Ich dachte schon, wir kommen nie mehr an.“

Mit einem Grinsen im Gesicht und schüttelndem Kopf klopft Annabel ihrem alten Freund auf die durchgeschwitzte Schulter. „Hey alter Mann, das ist doch nicht schlimm. Wir Frauen wissen ja, dass es euch Männern immer mindestens doppelt so schlecht wie uns geht.“

„Also was soll das denn heißen? Alt bin ich ja wohl wirklich nicht!“, wehrt sich unser Begleiter und steht prompt wieder fit wie ein Turnschuh vor uns.

Währenddessen habe ich rasch die Tür aufgesperrt und winke beide herein. „Na los. Wozu sind wir denn hier?“

Voller Hoffnung, ein wenig Licht in die ganze Sache bringen zu können, führe ich beide sofort zu meinem Spiegel.

„Das ist… also ich möchte dir nicht zu nahe treten Joanna, aber…“ Annabel sieht mich mit einer Mischung aus Zweifel und Sorge im Gesichtsausdruck an.

„Ja also es tut mir wirklich sehr leid, dass ich das so sagen muss, aber hier steht nichts in einer fremden Sprache. Schade eigentlich. Ich habe mich schon auf eine Herausforderung gefreut. Aber das hier ist…“

„… deutsch“, beendet Joanna selbst den Satz von Ahmed. „Das kann doch nicht sein. Das kann nicht sein. Leute, ich schwöre es euch, das da stand heute Morgen noch nicht so da!“

Was wir dort zu sehen bekommen, hat nichts mehr von dem, was mich heute Morgen so in Erstaunen versetzt hat. Es handelt sich nicht einmal mehr um einen vollständigen Text. Stattdessen hat jemand Zahlen an meinen Spiegel geschrieben und dazu eine kurze Notiz. Die Schrift ist ziemlich krakelig und offensichtlich nicht von einem sehr geübten Schreiber verfasst. Es sieht sogar fast so aus, als seien die Buchstaben nicht geschrieben, sondern gemalt, abgemalt. Der Schreiber ist offensichtlich kein Deutscher, oder doch zumindest kein Muttersprachler.

Annabel liest laut vor, was jetzt auf meinen Spiegel gekritzelt steht: „‘Wenn Du mehr erfahren willst, dann kontaktiere Sam: 0176/3356734‘. Na schön! Also immerhin hat er oder sie eine Telefonnummer zurückgelassen.“

„Super!“, genervt und gleichzeitig leicht panisch fahre ich mir mit meinen Händen durch die Haare. „Annabel, ich versichere dir, dass ich das nicht selbst geschrieben habe!“

„Das glaube ich auch nicht. So abgebrüht schätze ich dich nicht ein. Nur Verrückte oder Menschen mit einem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit schreiben einen komischen Text an ihren Flurspiegel und erzählen dann ihrer Freundin so eine abgefahrene Geschichte.“

Ich verdrehe die Augen. Mir ist gleich klar, dass das eine Anspielung auf unsere gemeinsame Freundin Cloe war. Vor etwas mehr als zwei Monaten kam sie ganz aufgebracht zu uns beiden und wollte uns doch tatsächlich erklären, jemand verfolge sie. Wir konnten sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Bis heute ist sie davon überzeugt, jemand habe ihr aufgelauert. Seither läuft sie nur noch mit Pfefferspray alleine durch die Stadt, obwohl die Verfolgung aufgehört habe, seit uns diese Geschichte in dem Laden damals passiert ist. Mir wird übel…

Könnte doch etwas an der Sache dran gewesen sein?

Könnte das alles irgendwie miteinander zu tun haben?

Nur Zufall, schüttele ich diesen Gedanken schnell wieder ab.

Dann meldet sich endlich auch wieder Ahmed zu Wort: „Wenn ich auch leider keinen fremden Text zu entziffern hatte, kann ich euch vielleicht doch weiterhelfen. Wisst ihr, diese Telefonnummer, die kommt mir bekannt vor.“ Er greift in seine Hosentasche und zückt sein Handy. Nach einem kurzen Moment Herumgetippe scheint er fündig geworden zu sein.

„Hab ich es doch gewusst. Die Nummer kenn ich, allerdings ist mir der Name Sam in dem Zusammenhang fremd. Die Nummer gehört einem ehemaligen Kollegen von mir. Er und ich haben gemeinsam gearbeitet im Ägyptischen Museum in Kairo. Er ist Professor für Ägyptologie und wir haben zusammen in der Antikenverwaltung unseres Landes gearbeitet. Dann war er irgendwann verschwunden, hat wohl gekündigt. Auf jeden Fall habe ich lange Zeit nichts vom ihm gehört.“

„Lange Zeit, heißt das, du weißt jetzt, was mit ihm passiert ist?“, will Annabel interessiert wissen.

Ahmed schüttelt den Kopf: „Nicht direkt. Es gab da viele Gerüchte. Er soll in einige Dinge verwickelt gewesen sein, die mit seiner Arbeit nicht mehr vereinbar gewesen sein sollen. Jedenfalls sei er wohl von der Leitung des Museums gekündigt worden. Allerdings habe ich niemals erfahren, was da tatsächlich geschehen ist.“

Während Ahmed uns diese eigenartige Geschichte erzählt, schreibe ich schnell die Telefonnummer und den Namen vom Spiegel ab und stecke den Zettel in meine Handtasche. „Das klingt wirklich mysteriös. Ich frage mich gerade weniger, wer sich wohl hinter der Nummer verbirgt, sondern eher wie diese Person in meine Wohnung gelangt ist. Beim Aufschließen ist mir nichts an meiner Tür aufgefallen, was auf einen Einbruch hindeutet. Und wenn wir keinerlei Hinweise von dem Einbrecher feststellen, wie er sich Zutritt zu meiner Wohnung verschafft hat, woher kann ich wissen, dass er nicht noch hier ist?“

Plötzlich scheint auch meinen beiden Freunden bewusst zu werden, dass der Verfasser dieses Textes womöglich noch in meiner Wohnung ist und wir damit in Gefahr sein könnten. Kaum dass wir alle diese Möglichkeit in Erwägung gezogen haben, höre ich hinter uns ein leises Geräusch. Ruckartig wirbele ich herum und sehe, wie meine Eingangstür langsam ins Schloss fällt.

„Da ist jemand!“, schreie ich panisch und stürze zur Tür. Mit meiner ganzen Kraft reiße ich sie auf, bereit dazu, mich gegen einen Angreifer zur Wehr zu setzen.

Doch im Treppenhaus herrscht absolute Stille, keine hastigen Schritte auf der Treppe oder wenigstens das Knallen der zufallenden Haustür. Egal, ob sich die Person hätte verstecken wollen oder fliehen, sie hätte dazu nicht genügend Zeit gehabt, ohne dass ich nicht wenigstens ein kleinstes Geräusch gehört hätte.

„Das gibt‘s doch nicht“, stammelt Annabel hinter mir. „Du hattest tatsächlich Recht, der Typ war noch in der Wohnung. Hast du was gesehen?“

„Nichts. Nicht einmal Schritte. Das kann nicht sein. Der hat sich einfach in Luft aufgelöst.“

„Ladies, wir müssen die Polizei verständigen!“

Hatschepsut

Подняться наверх