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Kapitel 3: Bruderschaft von Naphal

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Hamburg

V.I.-Hauptquartier

22.1.03 4:12 a.m.

Ein Stockwerk weiter unten befanden sie sich auf der Krankenstation, in der es einen abgesonderten Bereich gab. Dieser Korridor war aufgebaut wie jeder andere, nur waren es keine üblichen Holztüren, die die Privatsphäre der Patienten schützen sollte, sondern zentimeterdicke Stahltüren, die mit Runen überzogen waren, so dass ein immenser magischer Aufwand nötig gewesen wäre, um sie ohne die Losung zu öffnen.

Es sei denn, man war Dr. Reikel. Sie selbst hatte eigene Runen mit angebracht, so dass die Türen, die für jeden unbeweglich schwer waren, für sie mit einer Hand aufzustoßen waren.

„Ah, Madame Skowalski“, begrüßte sie die Neuankömmlinge auf dem Korridor, ohne von ihrem Klemmbrett aufzusehen. „Und Sie sind?“, fragte sie in Kerinas Richtung gewandt.

„Kerina“, erklärte selbige.

„Aha“, erwiderte Reikel und stieß mit einer beiläufigen Bewegung die Tür zum Zimmer des Thuruls auf. Er lag völlig einbandagiert auf einem breiten Bett, die Flügel gespannt und von Halterungen getragen.

„Er hat diverse Brüche, von dem psychischen Knacks mal ganz abzusehen. Er ist bei Bewusstsein gewesen und hat sich ziemlich gewehrt, wobei das teilweise sicher an den Schmerzen lag. Also wurde er fixiert und ruhiggestellt. Soll ich ihn aufwecken?“, fragte sie. Sie blickte vom Klemmbrett auf. Jana nickte.

„Gut, Ihre Verantwortung, Sie haben etwas mehr als eine halbe Stunde, danach braucht er wieder Ruhe. Ich komme gleich wieder und bringe etwas mit, mit dem ich ihn wieder ruhigstellen werde. Sie befragen ihn bitte vorsichtig, ich kann spüren, wenn Sie Magie anwenden, also, benehmen Sie sich, nicht wie damals 1987, ja?“, erklärte Dr. Reikel und nahm eine Spritze. Sie verabreichte sie dem bewusstlosen Thurul in eine Stelle an seinem Flügel, wo vermutlich eine Ader herlief.

Danach verließ sie den Raum und verschloss die Tür. Es klackte mehrmals, als würden schwere Schlösser geschlossen. Dann herrschte Ruhe im Raum, bis auf das scharfe Aufatmen des Thurul. Er blinzelte benommen und langsam wurde sein Blick klar.

„Wo...“, flüsterte er. Er wirkte noch etwas desorientiert, Jana nahm an, dass es an dem lag, was man ihm gegen die Schmerzen verabreicht hatte.

„Sie sind in Gewahrsam der V.I., Sie werden medizinisch von uns behandelt“, erklärte sie ruhig.

„V... I...“, brachte er hervor. Er schien einen Moment über diese Buchstaben nachzudenken. Dann weiteten sich seine Augen, als ihm ein klarer Gedanke durch den Kopf schoss.

„Ich sage nichts“, erklärte er überzeugt. McGrath ging durch den Kopf, dass das immer jene zu sagen pflegten, die am ehesten auspackten. Die wirklich Verschlossenen, wie der Dareath vor einer Weile, die waren die harten Brocken.

„Wieso haben Sie mich angegriffen“, fragte Kerina. Sie wirkte bei dieser Frage sehr jung auf Rika.

Der Thurul schwieg. Er zeigte lediglich durch seine geweiteten Pupillen, dass er Kerina eindeutig wiedererkannte.

„Ich habe dich etwas gefragt“, sagte Kerina, wobei ihre Augen schwach zu glühen begannen. Rika spürte die Magie, die sie heraufbeschwor. Es war kein richtiger Zauber, es war viel mehr reine Magie, die Kerina benutzte, um den Willen des Thurul zu beeinflussen.

„Frau Skolwaski, das ist nicht in Ordnung“, flüsterte Rika Jana zu. „Wir haben nicht die Befugnisse jemandes Willen zu brechen.“

„Er wird nicht gebrochen“, flüsterte Jana zurück und lächelte schief. „Er kann keine Magie anwenden, für Wochen vielleicht. Das heißt es ist eher eine... Beinflussung.“

Sie spielte damit auf eine gesetzliche Unterscheidung an, wann es erlaubt war, einem anderen Wesen, das sich mit Magie nicht wehren konnte, den eigenen Willen aufzuzwingen. Im Allgemeinen war es ein verabscheuungswürdiges Delikt, in der magischen Welt den Willen eines anderen zu unterdrücken, doch oft machte es die Arbeit der V.I. nötig, das zu tun. Deswegen gab es den Tatbestand der „Beeinflussung“, dass man zum Beispiel jemanden vergessen ließ, wie man aussah, wenn man neben ihm im Zug gesessen hatte. Oder wenn er aus den Augenwinkeln einen Gargoyle gesehen hatte. Es war ein schmaler Grat, auf dem sich jeder Venator dabei bewegte, und es hatte schon oft Jäger ihre Position gekostet, die moralische Grenze zwischen „Beeinflussung“ und Bruch des Willens zu überschreiten.

Was die Verringerung des Widerstandes des Thuruls anging, schien Jana Recht zu haben. Die Augen des Thuruls wurden glasig, er wirkte wie ein Betrunkener. Seine Stimme hingegen war völlig klar, als Kerina ihre Frage wiederholte und er antwortete.

„Wie ist dein Name?“, fragte sie.

„Mein Name ist Alexandro Tomres Lopez, ich bin ein Thurul der Bruderschaft“, erklärte er langsam mit schleppender Stimme.

„Bruderschaft? Was für eine?“

„Die Bruderschaft von Naphal, wir sind die Kinder des Jüngsten Tages“, kam langsam die Antwort.

„Wieso hast du gerade mich angegriffen?“, fragte Kerina.

Der Thurul zögerte einen Moment, bis er sagte: „Weil ich Ihnen Ihre magische Energie entziehen wollte.“

„Also war ich einfach die Nächstbeste?“, fragte Kerina. Der Thurul nickte langsam.

„Wofür wollten Sie es?“, fragte nun Jana. Der Thurul zögerte wieder.

„Was?“

„Die magische Energie, die Sie ihr abzweigen wollten, wofür?“, wiederholte Jana.

„Für meinen Meister.“

„Wer ist Ihr Meister?“

„Thanatos‘ Reinkarnation, sein Geist, wiedergeboren in einem Thurul. Er wird nach Naphal gehen und die Magie benutzen, um seine fleischliche Hülle wiederherzustellen“, erklärte Alexandro mit bedeutungschwerer Stimme. Stolz klang darin mit.

„Sie haben bereits mehrmals gemordet, ist das richtig?“, fragte nun Jana.

Der Thurul schüttelte den Kopf. „Nein, das war das erste Mal. Wäre es gewesen.“

„Gibt es noch weitere wie Sie, die magische Energie sammeln?“, fragte nun Rika. Der Thurul nickte. „Wir töten für Thanatos, für das neue Zeitalter.“

„Wo sind die anderen?“, fragte Jana.

Der Thurul blickte eine Weile scheinbar ins Leere, bis er hervorbrachte: „In einem geheimen Raum, hinter einer Reklamewand in Hoheneichen.“

„Sind Sie wahnsinnig?“, brüllte Dr. Reikel, während sie die Tür aufstieß. Sie war puterrot im Gesicht. „Es ist gegen das Gesetz“, keifte sie und nahm mit einer Handbewegung die magische Beeinflussung von Alexandro. Sein Blick wurde wieder normal. Dann zog sie eine Spritze aus ihrem Kittel und verabreichte sie ihm, woraufhin er das Bewusstsein verlor.

„Sein Körper ist schon belastet genug, und was tun Sie? Sie wirken magisch auf seinen Verstand ein, ist Ihnen eigentlich klar, dass schon bei einem geistig gesunden Menschen dabei Hirnblutungen entstehen können?“

„Dr. Reikel, er spürte keine Magie, es war nicht ansatzweise genug Magie, die hier eingesetzt wurde, um ihm zu schaden“, erklärte Jana. Doch Dr. Reikel schüttelte den Kopf.

„Ich sage Ihnen nicht, wen Sie verhaften sollen und wen nicht, also erklären Sie mir nicht, wie viel Magie nicht schädlich ist. Sie brauchen einen speziellen Antrag, der von hochrangigen V.I.-Mitgliedern unterzeichnet wurde, um den Willen eines Gefangenen zu brechen, das hier war ungesetzlich“, sagte sie nun.

„Dr. Reikel, melden Sie es, wenn Sie wollen, doch das hier war zu wichtig. Es geht hier nicht nur um eine kleine Mordserie von ein paar Spinnern in Hamburg, es geht um bedeutend mehr. Wir wissen von mindestens sieben weiteren Morden dieser Art in Europa, allerdings sind wir in einem Fall nicht in der Lage gewesen jemanden zu schnappen, und der andere, ebenfalls ein Thurul, brachte sich selbst in Gefangenschaft um. Ein weiterer, den wir schnappen konnten, hörte nicht auf herumzuprahlen, davon, dass sich die Kinder des Todesengels erheben werden, um die Menschheit zu stürzen. Ich werde nicht zulassen, dass Bürokratie für die Rückkehr Thanatos‘ sorgt“, erwiderte Jana und wollte den Raum verlassen.

„Wieso wurden wir nicht darüber informiert?“, erkundigte sich Rika. „Es hätte uns einiges erspart.“

„Ich habe Ihre Berichte gelesen und hätte Ihnen die Informationen zu gegebener Zeit zur Verfügung gestellt. Ihnen direkt so etwas zu geben, ist eigentlich außerhalb meiner Befugnisse. Was denken Sie, was passiert, wenn wir an die unteren Dienststellen hätten durchsickern lassen, dass es eine Eurasisch-, vielleicht sogar weltweit organisierte Thurul-Gruppierung gibt, die Morde auf Magier verübt? Es gibt sowieso kein allzu gutes Verhältnis zwischen uns und ihnen, so ein Gerücht hätte Ärger gegeben.“ Jana ging nun endgültig aus dem Raum und beendete das Gespräch auf diese Weise.

„Wer ist Thanatos?“, fragte Kerina an Rika gerichtet, die sie hiausbegleitete.

„Er ist angeblich der Stammvater der Thurul, der Todesengel. Es heißt, dass er ein gefallener Engel ist, dessen Taten dafür sorgten, dass man ihn aus der Heiligen Schrift entfernte. Anschließend hat er ein Kind mit einer menschlichen Frau gehabt, aus dieser Verbindung gingen dann die Thurul hervor“, erklärte Rika. „Aber ich hielt das bisher für Geschwätz, ähnlich wie die Schöpfungsgeschichte der Bibel, einfach eine Erklärung für die Existenz einer Spezies.“

„Verstehe“, sagte Kerina und nickte langsam. „Und was ist das für eine Bruderschaft?“

„Habe nicht die geringste Ahnung“, erwiderte Rika. „Komm, ich bringe dich in ein Untersuchungszimmer, dort musst du leider noch etwas warten. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.“

„Wenn es sein muss, warte ich“, erwiderte Kerina und folgte ihr ohne ein weiteres Wort zu den Verhörzimmern.

*

„Also, was wissen Sie alles über unseren Fall?“, fragte Rika aufgebracht, als sie mit Jakob in Janas Büro stürzte.

„Sie wussten, dass es Thurul sind, die die Morde begehen, was haben Sie uns noch vorenthalten?“

„Ich habe Ihnen nichts weiter vorenthalten. Wir wussten von ähnlichen Morden, ja. Wir wussten ebenfalls, dass Thurul beteiligt waren. Aber dass die Bruderschaft wirklich existiert, ist mir ebenso neu wie Ihnen“, erklärte Jana.

„Wieso haben Sie uns nichts gesagt?“ fragte Jakob ruhig.

„Weil wir nicht wollten, dass Sie falsche Schlüsse ziehen, ich habe alle Ihre Schritte überwacht, wären Sie auf eine Spur in Richtung der Thurul gestoßen, etwas, das meine Informationen relevant gemacht hätte, hätte ich Sie informiert. So aber war es nicht nötig, Sie in Geheiminformationen einzuweihen“, erwiderte Jana.

„Was genau ist diese Bruderschaft?“, fragte Rika nach einem Moment, nachdem sie sich offensichtlich beruhigt hatte.

„Die Bruderschaft von Naphal ist eine religiöse Sekte innerhalb der Thurul, die weltweit einige hundert Mitglieder hat. Nichts Herausragendes, bisher auch nichts Bedrohliches. Sie glauben, dass ihr Urvater Thanatos, der sie schuf, eines Tages in einem von ihnen wiedergeboren wird. Dann wird er den Körper Thanatos‘ wiederherstellen und in ihn fahren, auf dass ein neues Zeitalter der Thurul beginnen soll. Was so toll für sie an diesem Zeitalter sein soll, darüber schweigen sich ihre Propheten allerdings aus, es heißt nur, dass sie das zurückerhalten, was ihnen gebührt, ich denke, damit ist ein despotisches Unterdrücken anderer Rassen gemeint“, erklärte Jana.

„Also gibt es Thanatos wirklich, ich meine, könnten sie das machen?“, fragte Rika skeptisch.

„Theoretisch ist es möglich, mit Hilfe von reiner Magie ein Lebewesen wiederzubeleben. Angenommen, Thanatos wurde konserviert oder Ähnliches, könnte es vielleicht machbar sein“, sagte Jakob. „Nicht wahr?“, fragte er an Jana gerichtet, die nickte.

„Ja, und zudem wäre es möglich, dass es jemanden gibt, den sie für Thanatos halten könnten“, sagte nun Jana, die auf ihrem PC auf ihrem Schreibtisch scheinbar etwas im Archiv der V.I. sichtete.

„Wie bitte?“, fragte Rika ungläubig.

„Naphal ist eine Stadt, die früher am Euphrat lag, in der Nähe des heutigen Bagdad. Eigentlich keine richtige Stadt. Genauer gesagt ist es eine Kultstätte. Die eigentliche Stadt, an der Bergspitze, ist mit Hilfe von Magie vernichtet worden, als sich der Thurulkönig dieser Gegend gegen die Vampire auflehnte. Damals sollen sie angeblich noch die Sonne vertragen haben.

Als Strafe für ihre Aufmüpfigkeit wurde die Stadt zerstört, und an der Stelle begruben die Thurul ihren toten Anführer. So steht es zumindest im Buch des Pantharis, einem der ältesten schriftlichen Zeugnisse eines Vampirs. Er war, sofern er gelebt hat, Zeitzeuge dieses Ereignisses. Seine Schriften wurden vor einem halben Jahrhundert in einer Höhle in der Nähe des See Genezareth gefunden, in luftdichten Tonkrügen“, erklärte Jana, was sie im Archiv unter Naphal gefunden hatte.

„Also, verwenden wir nun die Information für eine Razzia?“, fragte Jakob nach einem Moment des Schweigens. „Ich weiß, es ist unorthodox“, fügte er in Rikas Richtung hinzu. „Aber das hier könnte hässlich werden, wenn wir nicht einschreiten.“

Jana blickte eine Weile vor sich hin. „Ich komme mit Ihnen.“

*

Hamburg

Hoheneichen

22.1.03 5:43 a.m.

Sie fanden die schäbige Reklamewand sehr schnell, sie war weithin gut zu sehen.

„Wunderbar, dahinter ist also deren Geheimraum?“, fragte Alexander Stein, der zusammen mit Dorothea bei der Festname assistieren sollte. „Ich spüre nichts, es ist entweder nichts dahinter oder der Öffnungsmechanismus ist rein mechanisch.“

„Denke ich auch“, stimmte ihm Jakob zu. „Wie sollen wir vorgehen?“, fragte er an Jana gewandt.

„Jeden Thurul festnehmen, den Sie sehen“, erwiderte diese und richtete ihre Hand auf die Wand. Die Reklamewand, die kreuz und quer mit Postern und Bekanntmachungen überklebt war, explodierte förmlich.

Im Inneren waren einige Thurul zu sehen, von denen zwei einem anderen halfen, eine Rüstung anzuziehen.

„V.I., Sie sind verhaftet, leisten Sie keinen Widerstand“, erklärte Jana. Der Thurul, der die Rüstung angezogen bekam, reagierte blitzschnell. Sie schien ebenfalls dazu gedacht zu sein, magische Energien zu speichern, denn die violetten Kristalle, die in sie eingesetzt worden waren, leuchteten seltsam auf, als er ihnen einen Schnitter entgegenwarf, der allerdings an Janas Schildzauber abprallte. Es erzeugte ein Geräusch von einem Schwert, das auf Metall schlug, doch Jana hielt sich nicht mit der Defensiven auf. Sie schleuderte ihm einen Sanguma-Zauber entgegen, der seinen schwächlichen Schildzauber zerbrechen ließ wie Glas.

„Meine Herren, nehmen Sie sie mit“, befahl Jana und wandte sich um.

„Wieso gleich nochmal sind wir mitgekommen?“, fragte Alex in die darauffolgende Stille hinein.

Nachdem sie die verhafteten Thurul in einen der beiden schwarzen Transporter gesetzt hatten, mit denen sie hier waren, durchsuchten sie noch den Raum.

„Leute, das ist interessant“, rief Alex, der sich den Laptop ansah, den man gefunden hatte. „Hier, diese Mail“, erklärte er, als Jana zu ihm kam. „Sieht so aus, als wären wir zu spät, da steht, dass das Treffen der Mächtigen bereits in zwei Tagen ist. Alle, die genug gesammelt haben, um etwas beitragen zu können, sind schon auf dem Weg nach Naphal, der ‚Lord‘ habe es befohlen.“

„Gut, dann werden wir dort auch hingehen“, erwiderte Jana. „McGrath, Trikowski, Sie kommen mit, Steiner, Sie bringen die Gefangenen zur Zentrale.

*

Einige Minuten später hielten sie auf einem Parkplatz, der nur wenige Meter vom Ufer der Elbe entfernt war, an.

„Wir reisen mit Charon“, erklärte Jana, während sie, gefolgt von den anderen beiden, zum Ufer hinabschritt.

„Charon?“, fragte Jakob.

„Der Fährmann, der dich über den Styx ins Totenreich bringt, wenn du im alten Griechenland gelebt hast“, erklärte Rika. „Aber ich denke nicht, dass wir dahin wollen, oder?“

„Nein, keinesfalls“, sagte Jana und holte eine handtellergroße Goldmünze hervor. Sie hatte eine Prägung, eine Kapuzengestalt auf einer kleinen Fähre. Ein Schimmern überlief die Münze.

„Ich verlange eine Überfahrt“, sagte Jana ruhig.

„Das ist eine Banntafel, oder?“, fragte Rika interessiert. „Ein Dämon, gebunden an einen Gegenstand, verdammt, alles zu tun, was man ihm aufträgt. Ich wusste nicht, dass es noch welche gibt.“

„Man kann sie nicht einfach zerstören. Zudem würde der Dämon dann verschwinden, woher er auch immer kam. So ist es nützlicher“, erklärte Jana.

Langsam kam Nebel auf. „Dieser Dämon, den mein Großvater Charon getauft hat, ist sehr alt und mächtig. Wo auch immer ein Gewässer ist, kann er dich hinbringen, sei es ein Pool, ein Teich, ein See oder eine Meeresbucht. Solange die Fähre reinpasst, bringt er dich hin“, erklärte sie. Der Nebel wurde dichter und eine Gestalt schien aus den Nebelschwaden auf sie zuzufahren. Die Gestalt schälte sich aus dem Nebel heraus. Es war der Kapuzenträger von der Münze, der auf einer vielleicht fünf Schritt langen Fähre fuhr. Er trug seine Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass man nur Schwärze sehen konnte. Obwohl die Wellen leicht schaukelten, war das Boot vollkommen ruhig.

Die Hände, mit denen er die Stake umfasste, waren alt und knochig, wie Pergament wirkte seine Haut.

Eine raue, kratzige Stimme drang unter der Kapuze hervor. „Wer verlangt die Überfahrt?“

„Die Trägerin der Tafel, ich verlange umgehend, an das Ufer des Euphrat gebracht zu werden, nahe der alten Thurul-Stadt, die man Naphal nannte“, erklärte Jana und ihre Stimme vibrierte dabei leicht. Es war kein hörbares Vibrieren, eher die Schwingung, die Magie verursachte. Rika konnte es deutlich spüren, Janas Worte hatten die gleiche Wirkung auf Charon wie ein Zauberspruch.

Charon sagte kein Wort, sondern gebot mit einer Handgeste ihnen allen Platz zu nehmen. Unsicher kletterte Jakob hinter Jana auf das Boot, doch es schien völlig fest im Wasser zu stehen.

„Der Wille des Siegelträgers geschehe“, sagte Charon, während er sie vom Ufer abstieß und sie in den dichten Nebel hineinfuhren. Rika hatte das Gefühl, keinen Meter weit sehen zu können. Nach einer ganzen Weile tauchte plötzlich eine fremde Küstenlinie aus dem Wasser auf. Felsen ragten vor ihnen empor, die eindeutig nichts Norddeutsches hatten.

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