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21.

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In der Mordkommission hatte sich eine gewisse Resignation breitgemacht. Üblicherweise gab es unmittelbar nach einer Tat zumindest vorläufige Hinweise auf Täter, Umstände oder Motive. Aber die ersten Vernehmungen von Nachbarn hatten wie die Befragung der Klemke absolut nichts ergeben.

Clot Fillol bedachte Bekovitch mit unfreundlichen Blicken, während er seine Routinearbeit machte. Offensichtlich passte es ihm nicht, dass der ältere Kollege wieder ungerührt Zeitung las, während er sich schon mit Zeiterfassungsformularen und anderem bürokratischen Papierkram herumschlagen musste. Beko, wie ihn alle nannten, war mehr als doppelt so alt wie Clot und wartete – nach dessen Einschätzung – nur noch auf seine Pensionierung. Bekovitch war ein erfahrener Ermittler, der sich aber bisher erfolgreich gegen den Einsatz von Computern in seinem Beruf gewehrt hatte und der für alle Recherchen in Datenbanken und im Internet nur ein verächtliches Grinsen bereithielt. Natürlich verschönte auch seinen Schreibtisch ein eleganter Flachbildschirm, doch der zeigte meist nur das Startbild des Polizei-Informationssystems. Er betrachtete in der Regel das Leben mit einer gelassenen, fast stoischen Distanz – was ihn nicht daran hinderte, ein guter Kriminalbeamter zu sein.

Hätten sie einander gemocht oder sich zumindest gegenseitig akzeptiert, so wären sie ein gutes Team geworden. Aber Clot war schnell, voreilig und spontan und damit das genaue Gegenteil seines bedächtigen und meist überlegt handelnden Kollegen. Clots aggressiver Witz entsprang der Unsicherheit des jungen und unerfahrenen Mitarbeiters und Bekovitchs Ablehnung von Clots Person seinen mangelnden Kenntnissen der modernen Medien wie Computer und Internet. Und wo Clot Fillol oft lebhaft und mit sprudelnder Unbekümmertheit neue Theorien in die Welt setzte, blieb Bekovitch stumm und hörte sich diese Hypothesen mit einem milden Missmut an. Auch äußerlich hätten sie verschiedener nicht sein können. Clot, hochgewachsen, schwarzhaarig und mit feurigen Augen hatte den etwas derben Auftritt eines Bauarbeiters – das war sein Vorteil: niemand hätte einen scharf­sinnigen Kriminalkommissar in ihm erwartet. Man musste ihn schon mögen... was nicht jeder tat.

Bekovitch dagegen hätte das Vorbild für Otto Normalverbraucher abgeben können, nichts an seiner Gestalt oder seinem Aussehen war außergewöhnlich. Er hätte als Werbeträger für eine Krankenkassenbrille getaugt. Dabei war er nicht spießig, nicht vulgär, nicht primitiv – eigentlich nur durch fehlende Eigenschaften zu beschreiben. Sozial eingepasst wie ein Zahnrad in einem Schweizer Uhrwerk. Unaufdringlich. Unauffällig. Jeder Ortsverein hätte ihn als gemeinsamen Nenner zum Vorsitzenden gewählt.

Natürlich kritisierte Clot auch die tägliche Lektüre Bekovitchs, die Zeitung ”von Proleten für Proleten”, wie er nicht müde wurde zu betonen. Klar, Clot Fillol hatte studiert und Bekovitch gehörte zu dem Teil der Bevölkerung, die ihm sein Studium finanziert hatte... und er war der Ansicht, dass des Volkes Meinung oft gar nicht schlechter war als die verschrobenen unverständlichen Aussagen der so genannten Fachleute. Außerdem nützte er seinen täglichen kleinen Spaziergang, bei dem er die Zeitung besorgte, auch dazu, wieder ein Zigarettchen zu rauchen.

Stirnrunzelnd blickte Clot nun auf, als Bekovitch laut zu vorzulesen begann: „Entsetzlich Ausrufezeichen. Sex Bindestrich und Gewaltvideos auf unseren Schulhöfen. Der neueste Horrorclip Doppelpunkt ein schwarzer Mitbürger wird von Messerstechern regelrecht massakriert. Von Zwölfjährigen zwei Ausrufezeichen. Wann hat der Wahnsinn endlich ein Ende Fragezeichen.”

Plötzlich war es still im Raum. Alle Blicke waren auf Beko gerichtet.

Lander sprach als erster: „Wie bitte? Habe ich...”

„Du hast richtig gehört! Das scheint unser Fall zu sein... unser so genanntes Rohheitsdelikt

„Steht irgendetwas von Krawallen da? Jugendliche, die gegen den Tod des Schwarzen demonstrieren? Autos anzünden, Geschäfte plündern?“

„Nein, scheint alles ruhig geblieben zu sein. War wohl zu schwarz, der Bursche. In dieser Gegend leben eigentlich mehr Nordafrikaner, hellere.“

Lander musste die faule Bande offensichtlich mal wieder anschieben: „Dann mal los, worauf wartest du noch? Ist es schon auf YouTube? Ab in die Redaktion: Woher ist das Video? Welche Schule? Vermutlich haben die einen Sozialarbeiter oder Sicherheitsmann auf dem Schulhof, quetsch’ den aus... na, du weißt schon. Bring’ den Urheber des Videos am besten gleich mit...”

Beko protestierte: „Du machst wohl Witze! Einen Zwölfjährigen?! Wie stellst du dir das vor? Eher kann ich den Papst verhaften!”

„Na und? Dir traue ich doch alles zu!“

Das war Motivation und gruppendynamische Auflockerung in einem. Beko würde alles heranschleppen, was zu bekommen war. Damit war der Fall so gut wie gelöst.

Der Schnüffel-Chip

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