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Die Kneipe Les Trois Bouteilles in einer winkligen Hafenstraße Marseilles war vielleicht nicht gerade der Ort, wohin ein hochkarätiger Experte von einem professionellen Headhunter zum Interview gebeten wurde. Aber für Matubo Umptaluobo waren solche Schauplätze Routine, ebenso wie getäfelte Büros im Penthouse eines Glaspalastes, in dem die Führungsspitze eines internationalen Großkonzerns residierte. Er hatte sich in seiner Kleidung dem Ambiente des Treffpunktes angepasst und war nicht im Geringsten überrascht, dass sein Gesprächspartner ebenfalls wie ein einfacher Hafenarbeiter aussah. Ein geübter Beobachter hätte höchstens an ihren gepflegten Händen oder an Matubos randloser Brille erkannt, dass sie im normalen Leben in anderen Kreisen verkehrten.

Sein Gesprächspartner wusste offensichtlich genau, wen er vor sich hatte. Die Fragen nach seiner Qualifikation und seinen vorherigen Engagements hatten offenbar nur den Sinn, sich über Matubos Identität zu vergewissern. Schließlich konnte er ihn ja schlecht nach seinem Pass fragen. Aber auch nachdem das klar war, schlichen beide im Gespräch wie Sumo-Ringer umeinander. Jeder war bemüht, den anderen bei einem falschen Schritt zu ertappen.

Gespräche über heikle Aufträge sind schwierig, wenn sich beide Partner nicht kennen. Wenn dann der Auftraggeber auch noch gänzlich im Dunkeln bleibt und einen Mittelsmann einschaltet, um den Posten in geeigneter Form zu besetzen, dann wird die Sache nicht einfacher. So dauerte es einige Zeit, bis ein Vertrauensklima so weit hergestellt war, dass der Headhunter mit seinem Anliegen herausrückte: „Also, wie ich schon andeutete, es ist ein Projektauftrag. Meine Klienten sind an gewissen Dokumenten interessiert, die in internationalen politischen Kreisen eine wichtige Rolle spielen. Wir wissen wo sie sind, kommen aber nicht heran. Wenn die Konditionen beiderseitig akzeptiert werden, dann werden Sie mit dem Auftraggeber direkt in Kontakt treten und den Aufbewahrungsort erfahren. Wichtig ist, dass Sie alles mitbringen, was Sie finden, auch und besonders elektronische Speichermedien oder ähnliches. Dokumente gibt es ja nicht nur in Papierform.”

Matubo Umptaluobo nickte zustimmend: „Das ist für mich nichts Ungewöhnliches, wie Sie ja sicher wissen. Sie kennen ja gewiss auch die Höhe und Modalitäten meiner Honorarregelungen...”

„Ja, natürlich. Meine Klienten sind darüber informiert.”

„Können Sie mir vorab schon sagen, wo sich diese Dokumente befinden? Dann könnte ich bei meinem Angebot bereits sehr konkret werden, insbesondere was die Kosten der Beschaffung anbelangt. Reisespesen und so weiter. Kunden schätzen so etwas, das brauche ich Ihnen ja auch nicht zu sagen.”

Der Headhunter zögerte einen Augenblick. Eigentlich war er nicht autorisiert, diese Information im Vorfeld preiszugeben. Andererseits hatte er genau auf diese Frage gewartet, denn – so hatte er vorab recherchiert – genau dies war die Arbeitsweise von Matubo Umptaluobo. Korrekt wie ein preußischer Buchhalter. Also deutete er so allgemein wie möglich, aber so präzise wie nötig an, wo, wie und bei wem die Dokumente gelagert waren.

Matubo Umptaluobo musste alle seine Routine aufbieten, um sich nicht durch eine Reaktion zu verraten. Mit allem hätte er gerechnet, aber nicht damit. Der Mann, dem er schon lange persönlich gegenübertreten wollte. Er war am Ziel. Wie lange hatte er darauf hingearbeitet! Er versuchte, gleichmäßig zu atmen, während in seinem Kopf die Implikationen dieser glücklichen Fügung kreisten. Jetzt bekäme er die Infrastruktur und alle Unterstützung, über deren Beschaffung er sich bisher vergeblich den Kopf zerbrochen hatte, von seinem Auftraggeber. Und als Sahnehäubchen noch ein sattes Honorar dazu. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf: des Geldes hätte es gar nicht bedurft.

Etwas ungläubig schaute der Headhunter ihn an: „Sie sind also nicht interessiert?”

„Doch, doch...”, murmelte Matubo Umptaluobo so leichthin, wie er konnte. „Ich glaube, schon.”

Für einen Mann, der am Ziel seiner Wünsche angelangt war, sah er ziemlich desinteressiert aus.

Der Schnüffel-Chip

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