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Fünfter Brief.
Frau v. Orbe an Juliens Liebsten.

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Inhaltsverzeichnis

(Einschluß in den vorigen.)

Willkommen, tausendmal willkommen, lieber Saint-Preux; denn ich nehme an, daß Ihnen dieser Name [Es ist derjenige, welchen sie ihm vor ihren Leuten bei seiner Abreise gegeben hatte. S. Abth. III. Br. 14.] bleiben soll, wenigstens in unserem Kreise. Ich brauche Ihnen, dünkt mich, weiter nichts zu sagen, als daß man nicht gemeint ist, Sie von diesem auszuschließen, wofern Sie nicht selbst dazu thun. Sie sehen aus dem beifolgenden Briefe, daß ich mehr gethan habe, als Sie verlangten, lernen Sie also ein wenig mehr Vertrauen zu Ihren Freunden haben, und Kummer, den sie theilen, wenn auch ihre Vernunft sie zwingt, ihn Ihnen zubereiten, nicht ihrem Herzen anrechnen. Herr v. Wolmar will Sie sehen; er bietet Ihnen sein Haus, seine Freundschaft, seinen Rath an. Es bedurfte gar nicht so viel, um meine Besorgnisse über Ihr Herkommen zu zerstreuen, und ich würde mir selbst Unrecht thun, wenn ich es einen Augenblick vermöchte, Mißtrauen in Sie zu setzen. Er will noch mehr, er geht damit um, Sie zu heilen; weder Julie, sagt er, noch er, noch Sie, noch ich, könnten sonst vollkommen glücklich sein. Obgleich ich viel von seiner Klugheit und noch mehr von Ihrer Tugend erwarte, bin ich doch über den Erfolg dieses Unternehmens im Ungewissen. Nur so viel weiß ich, bei der Frau, die er hat, ist die Mühe, welche er sich machen will, nichts als eine Großmuth gegen Sie.

Kommen Sie denn, mein liebenswerther Freund, in der Sicherheit eines redlichen Herzens, und stillen Sie die Ungeduld, welche wir alle empfinden, Sie zu umarmen und Sie ruhig und zufrieden zu sehen; kommen Sie, um in Ihrem Vaterlande und unter Ihren Freunden von Ihren Reisen auszuruhen und Alles zu vergessen, was Sie ausgestanden haben. Das letzte Mal, da Sie mich sahen, war ich eine grämliche Matrone, und meine Freundin war ganz herunter; nun aber, da es ihr wohl geht und ich wieder Jungfer geworden bin, werden Sie mich ganz so toll und fast noch eben so hübsch als vor meiner Verheiratung finden. So viel ist wenigstens ganz gewiß, daß ich mich gegen Sie nicht verändert habe, und daß Sie viele Male die Reise um die Welt machen könnten, ehe Sie Jemanden fänden, der Sie so liebt, wie ich.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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