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Zweiundzwanzigster Brief.
Von Julie.

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Inhaltsverzeichnis

Endlich ist der erste Schritt gethan, es ist von Ihnen die Rede gewesen. Trotz der Verachtung, mit welcher Sie meine Gelehrsamkeit ansehen, ist mein Vater davon überrascht gewesen: er hat nicht weniger meine Fortschritte in der Musik und im Zeichnen [Erstaunlich viel Wissen, scheint mir, für einen zwanzigjährigen Weisen. Es ist wahr, Julie wünscht ihm zu dreißig Jahren Glück, daß er nicht mehr so gelehrt ist.] bewundert; und zum großen Erstaunen meiner Mutter, die durch Ihre Verleumdungen eingenommen war [Dies bezieht sich auf einen in etwas zweideutigen Ausdrücken gehaltenen Brief an die Mutter, welcher hier nicht mit aufgenommen worden ist.], ist er, die Heraldik abgerechnet, die ihm vernachlässigt schien, mit meinen Fertigkeiten sehr zufrieden gewesen. Über diese Fertigkeiten erwirbt man nicht ohne Lehrer; ich mußte den meinigen nennen; und ich that es mit einer pomphaften Aufzählung, aller der verschiedenen Wissenschaften, in die er mich einzuweihen unternommen, wobei ich nur eine ausließ. Er erinnerte sich, daß er Sie bei seinem vorigen Besuche mehrmals gesehen hatte, und er schien keinen unvortheilhaften Eindruck von Ihnen behalten zu haben.

Darauf erkundigte er sich nach Ihrem Vermögen: Antwort, es wäre mittelmäßig; nach Ihrer Herkunft: Antwort, sie wäre anständig. Das Wort anständig lautet sehr zweideutig im Ohre eines Edelmanns, und erregte Argwohn, den die nähere Erkundigung bestätigte. Sobald er wußte, daß Sie nicht von Adel wären, fragte er, was Sie monatlich erhielten. Meine Mutter nahm das Wort und sagte, daß an ein derartiges Abkommen nicht im Entferntesten zu denken gewesen wäre, daß Sie im Gegentheil sich standhaft geweigert hätten, auch nur das kleinste Geschenk anzunehmen, selbst in Dingen, die man sonst nicht ausschlagen kann; in dieser stolzen Haltung konnte nur eine Herausforderung für seinen eigenen Stolz liegen. Wie ließe sich der Gedanke ertragen, einem Roturier verpflichtet zu sein? Er ist also entschieden, daß Ihnen eine Bezahlung angeboten werden solle, und daß Sie, im Falle Sie sie ausschlugen, ungeachtet alles Verdienstes, das eingeräumt wird, Ihrer Mühwaltung enthoben werden sollen. Dies, mein Freund, der kurze Inhalt einer Unterredung, welche in Betreff meines sehr geehrten Lehrers gepflogen worden ist, und während welcher seine demüthige Schülerin nicht gerade sehr ruhig war. Ich habe mich nicht genug beeilen zu können geglaubt, Sie davon in Kenntniß zu setzen, um Ihnen Zeit zur Ueberlegung zu lassen. Sobald Sie Ihren Entschluß gefaßt haben werden, setzen Sie mich unverzüglich davon in Kenntniß; denn diese Sache gehört vor Ihr Forum und meine Rechte reichen nicht so weit.

Ich lese mit Unruhe, daß Sie Streifereien ins Gebirge machen; nicht, daß ich mir nicht davon eine angenehme Zerstreuung für Sie und unterhaltende Berichte für mich verspräche: aber ich fürchte, daß Sie sich dabei mehr anstrengen werden, als Ihnen gut ist. Ueberdies ist die Jahreszeit schon sehr vorgerückt; von einem Tage zum andern muß man erwarten, daß sich Alles mit Schnee bedecke, und ich stelle mir vor, daß Sie noch mehr von der Kälte als von der Ermüdung leiden werden. Wenn Sie dort, wo Sie jetzt sind, krank würden, würde ich untröstlich sein. Kommen Sie also, theurer Freund, mehr in unsere Nähe, Es ist noch nicht Zeit, wieder nach Vevay zu kommen, aber Sie sollen einen weniger rauhen Aufenthalt haben und einen, wo es uns leichter wird, Nachrichten von einander zu erhalten. Ich lasse Ihnen ganz die Wahl. Suchen Sie es nur so einzurichten, daß man hier nicht erfahre, wo Sie sind, und sein Sie verschwiegen, ohne den Geheimnißvollen zu spielen. Ich will Ihnen nichts über dieses Kapitel sagen; ich verlasse mich darauf, daß es für Sie selbst wichtig ist, vorsichtig zu sein, und noch mehr darauf, daß Sie wissen, wie wichtig Ihre Vorsicht für mich ist.

Adieu, mein Freund; ich kann mich nicht länger mit Ihnen unterhalten. Sie wissen, wie sehr ich mich mit meinen Briefen in Acht nehmen muß. Dies ist noch nicht Alles. Mein Vater hat einen ehrenwerthen Gast mitgebracht, einen alten Freund von ihm, der ihm im Kriege einmal das Leben gerettet hat. Sie können sich also denken, wie sehr wir uns dazu halten müssen, ihm seinen Aufenthalt hier angenehm zu machen. Er reist morgen wieder ab, und wir lassen es uns angelegen sein, ihm für den Tag, den er noch hier zubringt, jede mögliche Ergötzlichkeit zu bereiten, um einem solchen Wohlthäter der Familie unsern Eifer zu bezeigen. Also nochmals Adieu!

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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