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Vierzigster Brief.
Fanchon Regard an Julie.

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Inhaltsverzeichnis

Mademoiselle!

Verzeihen Sie einem armen Mädchen, das in Verzweiflung ist und nicht mehr weiß, was aus ihm werden soll, wenn es wieder wagt, zu Ihrer Güte Zuflucht zu nehmen; denn Sie werden ja nicht müde, die Betrübten zu trösten; und ich bin so unglücklich, daß Niemand ist, als Sie und der liebe Gott, denen ich mit meinen Klagen lästig fallen kann. Es ist mir sehr leid gewesen, aus der Lehre gehen zu müssen, wohin Sie mich gethan hatten; aber da ich das Unglück hatte, meine Mutter diesen Winter zu verlieren, mußte ich zu meinem armen Vater zurückkommen, der so contract ist, daß er nicht aus dem Bette aufstehen kann.

Ich habe den guten Rath nicht vergessen, den Sie meiner Mutter gegeben hatten; sie sollte doch suchen, mich mit einem ehrlichen Manne zusammenzugeben, der für die Familie sorgen könnte. Claude Anet, den Ihr Herr Vater mit aus dem Dienste gebracht hat, ist ein braver, ordentlicher Mensch, der ein gutes Metier versteht und der mir gut ist. Nach so vielen Wohlthaten, die Sie uns erwiesen hatten, habe ich nicht gewagt, Ihnen wieder beschwerlich zu fallen, und er hat uns den ganzen Winter unterhalten. Wir sollten im Frühjahr Hochzeit machen; er hatte sein Herz daran. Aber sie haben mir so zugesetzt, drei Jahre Miethe zu bezahlen, die Ostern fällig war, und ich wußte doch nicht, woher ich so viel baares Geld nehmen sollte, daß der arme junge Mensch wieder in Dienst gegangen ist, ohne mir ein Wort davon zu sagen, bei der Compagnie des Herrn von Merveilleur, [Vergl. „Bekenntnisse“ Th. 2 S. 113.] und hat mir das Handgeld gebracht. Herr von Merveilleur bleibt nur sieben oder acht Tage in Neufchatel und Claude Anet muß in drei oder vier Tagen mit den Rekruten fort; so haben wir nicht die Zeit, auch kein Geld, uns zu heirathen, und er läßt mich ohne alle Hülfe zurück. Wenn Sie durch Ihren oder des Herrn Barons Einfluß wenigstens einen Aufschub von fünf oder sechs Wochen für uns erhalten könnten, so ließe sich in der Zwischenzeit wenigstens sehen, wie man es anstellte, daß wir Hochzeit machen könnten, oder daß sich der arme Junge auslöste; aber ich kenne ihn schon, er wird das Geld unter keiner Bedingung wiedernehmen wollen, das er mir gegeben hat.

Diesen Morgen ist ein sehr reicher Herr gekommen und hat mir große Vortheile angeboten, aber Gott hat mir die Gnade gethan, daß ich es ihm abgeschlagen habe. Er hat gesagt, er würde morgen früh wiederkommen und mein letztes Wort hören. Ich habe gesagt, er möchte sich nicht die Mühe machen, und ich hätte es ihm schon gesagt. Geh er mit Gott. Ich werd ihm morgen dienen, wie heute. Ich könnte auch wohl aus dem Gemeindesäckel Unterstützung haben; aber man ist dann so in Verachtung, daß es besser ist, geduldig auszuhalten, und dann hat der Claude Anet zu viel Ehre im Leibe, um ein Mädchen zu wollen, das Unterstützung nimmt.

Entschuldigen Sie die Freiheit, die ich mir nehme, meine gute Demoiselle! Ich habe Niemand als Sie, dem ich mir getrau' meinen Kummer zu sagen, und mir ist das Herz so zugeschnürt, daß ich nicht weiter schreiben kann. Ihre ganz ergebene und getreue Dienerin Ihnen zu dienen.

Fanchon Regard.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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