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Vierundfünfzigster Brief.
An Julie.

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Inhaltsverzeichnis

Die Aufregung, in welcher ich hergekommen bin, wächst mit dem Eintritt in diese Stätte, Julie! hier bin ich in deinem Cabinet, hier in dem Heiligthum der Gottheit meines Herzens. Amors Fackel leitete meine Schritte, und ich bin hereingekommen, ohne bemerkt zu werden. Reizender Ort, glückseliger Ort, der ehedem so viel zärtliche Blicke zurückdrängen, so viele heiße Seufzer ersticken sah; Ort, der du meine erste Glut entstehen und wachsen sahest, zum zweiten Male wirst du sie gekrönt sehen; Zeuge meiner ewigen Beständigkeit, sei Zeuge meines Glückes und verhülle auf ewig die Freuden des treuesten und glücklichsten der Menschen.

Wie ist dieser geheimnißvolle Aufenthalt so reizend! Alles liebkost hier und nährt die Glut, die mich verzehrt. O Julie, er ist voll von dir, mir die Flamme meiner Begierde erfaßt Alles, was deine Spur in sich trägt. Ja, alle meine Sinne sind zugleich berauscht. Ein unbeschreiblicher, kaum spürbarer Duft, süßer als von Rosen und leiser als von Iris steigt überall auf; ich glaube darin den schmeichelnden Ton deiner Stimme zu hören. Alle Theile deiner Kleidung, die umherliegen, stellen meiner glühenden Einbildungskraft die Theile deines Selbst vor, denen sie zur Hülle dienen. Dieser leichte Kopfputz, dem die reichen blonden Locken zur Zierde gereichen, die er zu verbergen vorgiebt; dieses glückliche Busentuch, über welches einmal endlich ich nicht zu murren haben werde; dieses Nachtkleid, einfach und geschmackvoll, das so schön den Sinn deren anzeigt, die es trägt; diese niedlichen Pantoffeln, die ein geschmeidiger Fuß mühelos ausfüllt; dieses lose Leibchen, das sich anschmiegt und umfängt .... o welche bezaubernde Taille! …. vorn zwei leichte Contoure …. o wollüstiges Schauspiel! .... das Fischbein hat der Kraft des Druckes nachgegeben .... köstliche Eindrücke, wie küsse ich euch tausendmal! Götter, Götter! wie wird das sein, wann erst …. Ach, ich glaube es schon zu fühlen, wie es unter einer glücklichen Hand pocht, dieses zärtliche Herz! Julie! meine liebste, liebste Julie! ich sehe dich, ich fühle dich überall, ich athme dich mit der Luft, die du geathmet hast; du durchdringst mein ganzes Wesen. Wie ist dein Aufenthalt brennend und schmerzlich für mich! er ist fürchterlich für meine Ungeduld. O, komm, fliege, oder ich bin verloren!

Welches Glück, daß ich Tinte und Papier fand! Ich drücke aus, was ich empfinde, um das Uebermaß des Gefühls zu dämpfen, ich täusche meine Entzückungen, indem ich sie beschreibe.

Ich glaube Geräusch zu hören: wäre es dein barbarischer Vater? Ich glaube nicht feige zu sein .... aber in diesem Augenblick wäre mir der Tod schrecklich! meine Verzweiflung würde dem Feuer gleichen, das mich verzehrt. Himmel, um eine Stunde Leben flehe ich noch und ich gebe den Rest meines Daseins deiner Strenge preis. O Sehnsucht! o Furcht! o grausames Herzpochen! .... die Thüre geht ... es kommt Jemand ... sie ist's, sie ist's! ich lausche, ich habe sie gesehen, ich höre die Thüre schließen. Herz, schwaches Herz, erliege nicht; ach, suche Kraft, die Wonne zu ertragen, die dich zermalmt.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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