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Der Fall Sushi

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Es war der 7. März, und es sollte mein letzter Arbeitstag bei Sky werden. Zweitligaspiel Erzgebirge Aue gegen Hannover. Ein ganz normales Spiel. Auf der rechten Außenbahn von 96 agiert der Japaner Sei Muroya. Er versucht einen Torschuss, scheitert jedoch. Und da sage ich den Satz, der mir zum Verhängnis wurde: „Es wäre das erste Tor für ihn in Deutschland gewesen. Das letzte hat er im Land der Sushis geschossen.“ Der Begriff „Land der Sushis“ als Synonym für Japan.

Alles in Ordnung, sollte man denken. Dass dieser Satz zu meiner Entlassung führen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise bewusst. Auch nach dem Spiel witterte ich noch kein Unheil.

Mein Kollege Frank Buschmann, der im Gegensatz zu mir auf Twitter unterwegs ist, berichtete später, es hätte an diesem Tag seitens der Twitter-Gemeinde einige wenige gegeben, die gemotzt hätten. Aber das war wohl im üblichen Rahmen gewesen, das normale Fett, das Reporter nach ihrer Arbeit abbekommen.

Am späten Abend, kurz vor dem Schlafengehen, schaute ich noch mal auf mein Handy, um bei bild.de die Nachrichten des Tages abzurufen, Merkel, Spahn, Trump … und – huch – MEIN Konterfei! Was war denn nun schon wieder los?

Überschrift: „Wegen Sushi-Spruch – wieder Fanärger für Sky-Reporter Dahlmann“. Es waren Kollegen aus der Hannover-Redaktion (Florian Krebs und Lars Beike), die diesen Artikel verfasst hatten. Es wurden Twitter-User zitiert: „Rassismus ist unerträglich“, „Widerlich“ „Sky, ihr müsst handeln“. Ich bin eigentlich pro Bild. Die Redaktion achtet meiner Beobachtung nach penibel auf Fakten. Aber in diesem Fall war der Bericht eindeutig tendenziös. Und letzten Endes ein Brandbeschleuniger für meinen Rauswurf.

Die Überschrift suggerierte, mit mir gebe es ständig „Ärger“, und die Autoren brachten mich mit Rassismus in Verbindung.

So geht unseriöser Boulevardjournalismus.

Und zum Begriff „Fanärger“: Sind ein paar Twitter-Hater DIE Fans? Ist das seriös, wenn man ein paar Negativlinge für alle Fans in die Überschrift nimmt? Da sich ja – wie sich später herausstellte – die meisten Fußballanhänger auf meine Seite schlugen, hätte es eigentlich „Fansupport für Dahlmann“ heißen müssen.

Hannover 96 unterstellte mir auf Nachfrage von Bild ausdrücklich KEINEN Rassismus (wobei ich mir von Seiten des Vereins noch deutlichere Worte gewünscht hätte; Trainer Kenan Kocak übrigens, mit dem ich sprach, ebenfalls).

Bild nutzte die Twitter-Windböe, das Böchen, um Sophia Thomalla verbal aus dem Gebüsch zu zerren und ein laszives Foto von ihr zu drucken. Nicht ich erzeuge Klicks, nicht Sky, nicht Sushi, nein, Sophia Thomalla ist es, die die Leute reizt, auf den Artikel zu gehen. Die Kombination „Sex“ (im weitesten Sinne) und „Fußball“ zieht allerbestens.

Die Hetzjagd war eröffnet. Ich hatte den Mechanismus schon einmal erwähnt: Bild gibt eine Story vor, die anderen schreiben ab. So war es hier wieder. Die Onlineplattformen schnupperten Klicks, wobei die „harmlosere“ Bild-Version noch einmal verschärft wurde.

tonight.de: „Neuer Shitstorm nach Sushi-Spruch“; Mopo: „Sky-Reporter sorgt mit Sushi-Spruch für Ärger“; rp-online.de: „Jörg Dahlmann erntet für Sushi-Spruch Shitstorm“; t-online.de: „Land der Sushis – Neuer Wirbel um Fußball-Kommentator Jörg Dahlmann“; express.de: „Sky: Jörg Dahlmann wird im Kommentar erneut Rassismus unterstellt“; sportbuzzer.de: „Land der Sushis. Rassismus-Vorwurf gegen Sky-Kommentator Dahlmann“; heute.at: „Sushi-Spruch von Sky-Reporter sorgt erneut für Ärger“; focus.de immerhin: „Jörg Dahlmann: Sky-Reporter wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe“. Am schlimmsten von allen: Der Westen. Autor: ein gewisser Daniel Sobolewski. Überschrift: „Sky: Zuschauer können es nicht fassen! Jetzt laufen sie Sturm – es reicht!“

Im Text legte dieser Autor aus der Funke-Medien-Gruppe noch mal nach. Er schrieb: „Im Netz wurde Jörg Dahlmann Rassismus vorgeworfen und Sky aufgefordert, den langjährigen Kommentator sofort rauszuwerfen.“

Seine Vorstellung von fairem, ausgewogenem Journalismus sah so aus, dass er einige Twitter-Hater zitierte: „Der gehört entlassen. Ich fordere die fristlose Kündigung von Dahlmann. Es ist einfach nur ekelhaft. Ich könnte kotzen. Widerlich rassistisches Gelaber von Dahlmann.“

Weil aus dem Artikel von Sobolewski fast schon Blut tropfte (weswegen man ihn eigentlich nicht als einen solchen bezeichnen dürfte), schrieb ich dem Chefredakteur von Der Westen und seinem Stellvertreter und bat um Überprüfung. Glauben Sie, ich hätte eine Antwort erhalten?

Diese Art von Berichterstattung ist ekelhaft. Das sind Leute, die unseren Beruf zerstören.

Immer geradeheraus

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