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Der neue Plan – Ein Konzil in Konstanz

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Wieder einmal sollte eine große Kirchenversammlung alles richten, der konziliare Gedanke war der Gedanke der Zeit. Binnen dreier Jahre, so verkündete Johannes XXIII., solle ein neues Konzil in Rom veranstaltet werden. Rom – die alte Stadt der Päpste. Allein der Name weckte neue Hoffnungen; Hoffnungen auf eine Überwindung der Spaltungen, auf das Ende des dreiköpfigen Ungeheuers.

Doch der ins Auge gefasste Ort erwies sich als ganz unrealistisch; ein kleiner Versuch scheiterte kläglich (1412). Die Urbs wurde damals von König Ladislaus von Neapel († 1414) bedroht. Im Juni 1413 hatte das Heer Ladislaus’ die Mauern Roms durchbrochen – wie einstmals die Goten oder die Vandalen. Es folgten Räubereien und Plünderungen, Schätze wurden davongeschleppt. Der Hofstaat Gregors XII. floh nach Florenz; zumindest zeitweise war dort Schutz zu finden. Unmöglich, die Konzilsteilnehmer nach Rom zu laden, geschweige denn sie dort sicher unterbringen und ungestört tagen zu können. Offenbar dachte Johannes auch an Bologna, seine alte Legatenresidenz, als er am 3. März 1413 das Konzil ohne weitere Ortsangabe auf den 1. Dezember vertagte. Aber auch ein anderer Ort hielt sich hartnäckig in der Diskussion, Avignon, immerhin jetzt schon seit über einem Jahrhundert Residenz der Päpste. Aber auch dieser Plan wurde verworfen, die Diskussion um den rechten Ort ging weiter.

Dass die Wahl schließlich auf die deutsche Stadt Konstanz am Bodensee fiel, einen Platz, den sicherlich zunächst niemand im Kopf hatte, ja von dem die wenigsten in Italien, Frankreich und England überhaupt gewusst haben, wo er lag, ist nicht auf Johannes zurückzuführen, auch nicht auf einen der beiden anderen Päpste, sondern auf den römisch-deutschen König Sigismund aus dem Hause Luxemburg.

Wie Baldassare war auch Sigismund ein Mann der Epoche. Als zweiter überlebender Sohn aus der vierten Ehe Kaiser Karls IV. geboren, war er Markgraf von Brandenburg (seit 1373) und König von Ungarn (seit 1387), und seither bis zu seiner Wahl zum römisch-deutschen König urkundete er nahezu ausnahmslos in Ofen (Buda). Mit den besonderen Problemen Südosteuropas in der Zeit der unaufhaltsam vorrückenden Türken auf eine ganz besondere Weise sensibilisiert, ist die Erinnerung an ihn untrennbar verbunden mit einer der letzten groß angelegten europäischen Kreuzzugsunternehmungen, die freilich mit einer vernichtenden Niederlage seines Heeres in der Schlacht von Nikopolis (1396) endete. Nach dem überraschenden Tod Ruprechts von der Pfalz (1400–1410) und der umstrittenen Doppelwahl 1410 – mit Sigismund konkurrierte damals sein Vetter Jobst von Mähren, der jedoch bald darauf starb – wurde Sigismund am 20. September 1411 von den Kurfürsten einhellig zum römisch-deutschen König gewählt. Umgeben von Räten, die er als besondere Vertrauenspersonen eng an sich band, hat er angestrengt, oftmals sicherlich auch ein wenig überfordert das Reich bis zu seinem Tod (1437) regiert, immer rast- und ruhelos hin- und herreisend, ständig unterwegs in Deutschland und Ungarn, in Westeuropa wie in Italien. 1433 noch, vier Jahre vor seinem Tod, hat er die Kaiserwürde erlangt, als Vorletzter überhaupt in der mittelalterlichen Herrscherfolge in Rom; im ungarischen Großwardein (heute Oradea/Rumänien) ist er begraben worden. Nach ihm herrschten die Habsburger im römisch-deutschen Reich – für Jahrhunderte. Sigismund hat sie durch seine Heiratspolitik maßgeblich auf den Thron gebracht.

Als römisch-deutscher König und zukünftiger Kaiser war Sigismund nach alter Tradition der Schutzherr der Kirche. Insofern durfte, ja streng genommen musste er sich für sie verantwortlich fühlen, wenn es ihr schlecht ging – und dass es ihr schlecht ging, das konnte man derzeit getrost behaupten. Und würde es nicht einen ungeheuren Vorteil für ihn selbst wie auch für das Kaisertum als Institution bedeuten, wenn jene Versammlung, die die Kirche wieder zu einer Einheit schmiedete, auf Reichsgebiet lag, in Territorien also, in denen er, Sigismund, der Herrscher war? Zweifellos konnte sich eine solche Versammlung hier besser kontrollieren lassen als im fernen, intrigenreichen Italien oder sonst irgendwo im Süden Europas, wo die letzten großen Zusammenkünfte der Kirche stattgefunden hatten.

Ohne Zweifel: Johannes XXIII. hat gewollt, dass ein Konzil stattfinden soll. Und ohne ihn, den Papst, wäre gar nichts gegangen. Ohne Zweifel aber auch: Es war auf Sigismund zurückzuführen, dass sich das Konzil schließlich in Deutschland und in Konstanz formiert hat. Ulrich Richental († 1437), der berühmte Chronist des Konstanzer Konzils, fingierte in seiner Konzilschronik – nach einem von ihm häufig angewandten Muster – einen Dialog:

„Da sprach der könig: ‚Sanctissime pater, placet vobis Constantia?‘ (Heiliger Vater, gefällt Euch Konstanz?) Der baupst sprach: Carissime fili, michi placet Constantia‘ (Geliebtester Sohn, ja mir gefällt Konstanz).“

Konstanz 1414-1418

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