Читать книгу Nachtleben im alten Rom - Karl-Wilhelm Weeber - Страница 22

„Schmierige Sitzkneipen“

Оглавление

Einen Schönheitsfehler hatte die Wirtshaus-Werbepoesie à la Copa: Sie kollidierte in aller Regel heftig mit der deutlich weniger idyllischen Kneipen-Realität. Ganz wenige Lokale dürften die Erwartungen erfüllt haben, die die vollmundigen Werbebotschaften weckten – jedenfalls, was ihr Ambiente, ihre Lage und ihre Einrichtung anging.

Andere Quellen berichten übereinstimmend, dass römische Gaststätten eher den fragwürdigen Charme düsterer Eckkneipen verströmten. Schon bei Tage konnte man sich gut darin verstecken.28 Nachts waren sie sicher noch düsterer als die wegen der blakenden, rußenden Öllampen und Kerzen bescheiden beleuchteten Speiseräume in den Villen der Reichen. In Esslokalen hing fetter Bratengeruch in der Luft – nach der uncta popina, der „schmierigen Kneipe“, sehnt sich Horaz zufolge der aufs Land versetzte Sklave zurück.29 Der Raum war verräuchert30, die Ausdünstungen der in Töpfen dampfenden roten Würste und klappernder Schüsseln brachte Empfindliche dazu, sich die Nase zuzuhalten.31 Ungeziefer kroch in den Polstern der Stühle herum – zumindest im Sommer; denn Plinius spricht von den „Sommertierchen der Kneipen“ (cauponarum aestiva animalia).32 Man fühlt sich an die Wanzen in Hadrians Florus-Epigramm erinnert.33 Besonders hygienisch ging es in den Wirtshäusern auch sonst nicht zu34 und von großzügig geschnittenen Räumlichkeiten konnte auch nicht die Rede sein.35 Von der modernen Vorstellung der Spelunke – in der ursprünglichen Bedeutung eine „dunkle Höhle“, „Grotte“ – war die normale taberna wohl nicht weit entfernt.

Der archäologische Befund bestätigt die literarischen Beschreibungen weitgehend. Die Ausstattung war schlicht. Sie bestand aus einem gemauerten, nicht selten mit Travertinplatten verkleideten ‚Bartresen‘ mit Öffnungen für Wein-, Wasser- und Ölamphoren. Von diesen Tresen aus konnte vielfach auch Laufkundschaft bedient werden, die Getränke und Speisen zum Mitnehmen erwarb. Auf Regalen standen Gläser und Krüge. Lebensmittel wie geräucherte Wurstwaren hingen oft an der Decke. popinae hatten mindestens einen Ofen, auf dem warme Gerichte gekocht werden konnten. Im Wirtsraum standen ein paar Tische und Bänke; ebenso in dem häufig vorhandenen Hinterzimmer, das auch für Amüsements zur Verfügung stand, die erheblich zum schlechten Ruf der Branche beitrugen: Illegales Glücksspiel und Wirtshausprostitution.

Auch eine Leistung …

Die über ihn kürzlich von seinem Patron ausgeschütteten vollen zehn Millionen, Maximus, hat Syriscus in Garküchen, wo man auf Stühlen sitzt, herum bummelnd, im Umkreis von vier Thermen durchgebracht. Wie groß muss ein Schlund sein, um zehn Millionen zu verfressen! Wie viel größer noch, dabei nicht einmal zu Tisch zu liegen!

Martial, Epigramme V 70 (Ü: P. Barié)


5 Taverne mit Tresen auch für den Außenverkauf, Herculaneum

Man sieht: Das war kein Ambiente, in dem Angehörige der Oberschicht sich wohl fühlen konnten. Den Komfort, der zu ihrem Lebensstil gehörte, boten die Kneipen nicht, von Luxus ganz zu schweigen. Allerdings galt auch die umgekehrte Schlussfolgerung: Weil die ‚feine‘ Gesellschaft dieses Ambiente mied, konnte sich keine Gaststätten-Kultur entwickeln, die ihren Ansprüchen (und dem damit verbundenen Investitionsvolumen) entsprach.

Wie armselig und abschreckend sich die Einrichtung vieler Tavernen für Wohlhabende darstellen musste, zeigt allein schon die Tatsache, dass man dort beim Essen und Trinken saß – und nicht lag, wie es sich gehörte. Ein pompejanisches Fresko zeigt eben diese Situation. Rings um einen Tisch sitzen vier Gäste. Ihre Kleidung weist sie als einfache Leute aus. An der Decke hängen Würste und andere Nahrungsmittel. Ein – kleiner gezeichneter – junger Kellner sorgt für Wein-Nachschub. Was auf den heutigen Betrachter ebenso normal und keineswegs unkultiviert wirkt – lange gemauerte Bänke, die sich in Wirtshäusern in Pompeji und Ostia finden –, machte auf den vornehmen Römer einen geradezu degoutanten Eindruck: Eine popina sellariola, „Sitzkneipe“ – das war von seinem Empfinden her so etwas wie heutzutage die „Stehkneipe“ (obwohl die eher weniger Unlustgefühle auslösen dürfte …).


6 Gäste, die in einer schlichten ‚Sitztaverne‘ Wein trinken; Zeichnung nach einem pompejanischen Fresko

Die ‚gehobene‘ Wirtshaus-Kategorie konnte ihren Gästen zumindest Liegeplätze bieten – und zwar nicht nur für den amourösen Teil des Kneipenbesuchs. Pseudo-Vergils Copa lädt ebenso zum „Liegen“ ein, wie das von Juvenal wenig schmeichelhaft beschriebene Lokale tun – immerhin!36 Standard war das aber eher nicht. Ironische Anerkennung daher für den, der ein Millionenvermögen in Kneipen durchbringt – und das im Sitzen!

Nachtleben im alten Rom

Подняться наверх