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Kapitel 7

Über den großen Teich

17. September 2000

Deutsch Spanisch (Spanien) Spanisch (Argentinien)
Torwart portero arquero
Bus autobús colectivo
Plundergebäck bollo factura
Kugelschreiber bolígrafo birome
Flip-Flops chanclas de dedo ojotas
Wohnung piso departamento
Rock falda pollera
rund esférico redonda
T-Shirt camiseta remera
Mantel abrigo sobretodo

… und in Spanien bedeutet das Wort coger so viel wie „ergreifen“ oder „erwischen“, während es in Argentinien eine weitaus vulgärere Bedeutung hat, über die wir an dieser Stelle lieber den Mantel des Schweigens breiten.

Man sagt, dass in Spanien und Argentinien die gleiche Sprache gesprochen wird. In der Tat ist die Sprache beider Länder das castellano, wörtlich „Kastilisch“, also das Hochspanisch. Es gibt jedoch eine Reihe von Unterschieden, die nicht nur die Bedeutung bestimmter Wörter oder Slangausdrücke betrifft (darunter nette und weniger nette). Über die Sprachebene hinaus gibt es Unterschiede in der Lebensweise, gelegentlich sogar in der Auffassung vom Leben. Fast alle argentinischen Familien haben spanische oder italienische Vorfahren. Es ist jedoch viel passiert, seitdem vor über einem Jahrhundert der Urgroßvater die Iberische Halbinsel oder den italienischen Stiefel verlassen hat und ein gallego (lateinamerikanischer Slangausdruck für Spanier) oder ein tano (desgleichen für Italiener) geworden ist. Durch die Geschichte ist eine Kluft entstanden, und es haben sich sehr verschiedene Kulturen herausgebildet. Die Unterschiede sind so groß, dass ein Argentinier, der heute in das Land seiner Vorväter zurückkehrt, eine beachtliche Anpassungsleistung vollbringen muss, und das gilt für einen 13-jährigen Jungen umso mehr. Man muss schon sehr entschlossen sein, um seine Kindheit, seine Heimatstadt, seine Schule, seine Freunde, die geliebte Mannschaft, die Malvinas- und Bella-Vista-Stadien und einen Teil der eigenen Familie zurückzulassen, und das ohne irgendeine Zukunftssicherheit.

Leo Messi und sein Vater brechen am 16. September 2000 von Rosario nach Barcelona auf.

Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und beschäftigen uns mit der Frage, weshalb Vater und Sohn überhaupt den Transkontinentalflug der Aerolíneas Argentinas nahmen, wie es zu der Entscheidung kam, ihr Glück auf katalanischem Boden zu versuchen, und was sie sich von ihrer Reise erhofften.

Mit seinen 13 Jahren ist Leo bereits eine sehr bekannte Figur im Jugendfußball. Zeitungen widmen ihm doppelseitige Artikel, in den unterklassigen Ligen erzählt man sich viel über ihn, und selbst bei River Plate in Buenos Aires hat er mit seinem Können bereits einen positiven Eindruck hinterlassen. Zwei Jahre zuvor hatte bereits Fabián Basualdo, ehemaliger Verteidiger bei Newell’s und River Plate, für einige Monate als Leos Berater fungiert und versucht, dessen Karriere so gut wie möglich vorzubereiten. Allerdings begriff die Familie Messi bald, dass jemand in so jungen Jahren noch keinen Berater braucht. Doch eines schönen Tages im Jahr 2000 stellen sich Martín Montero und Fabián Soldini von der in Rosario beheimateten Firma Marka, deren Geschäft aus dem Kauf und Verkauf von Spielern besteht, bei den Messis in der Estado de Israel 525 vor. Lionels Vater Jorge spricht nicht gerne über diese Leute, denn wie sich schließlich zeigen sollte, unternahmen sie nichts, um seinem Sohn zu helfen – sondern taten vielmehr das genaue Gegenteil, so dass noch heute mehrere Anklagen und Berufungen in verschiedenen Gerichtsprozessen anhängig sind. Doch lassen wir diese juristischen Streitereien für den Augenblick einmal beiseite und widmen uns der weiteren Geschichte.

Montero und Soldini wollen Lionel also vertreten. Sie sind überzeugt, dass der kleine Kerl eine glänzende Zukunft bei einer großen Mannschaft haben wird, sei es in Italien oder Spanien, bei Inter oder AC Mailand, Real Madrid oder dem FC Barcelona. Sie versichern, dass sie gute Kontakte und Freunde in wichtigen Positionen haben. Doch die Messis lassen sich nicht so leicht von womöglich leeren Versprechungen täuschen. Bevor der Junge kein Probetraining in Europa macht, wird keine einzige Rechnung von Marka beglichen.

Angesichts des Beispiels von Leandro Depetris, jenes argentinischen Jungen, der in die Jugendabteilung des AC Mailand aufgenommen wurde, scheint ein Angebot aus Europa gleichwohl nicht vollkommen unmöglich zu sein. Die Messis können allerdings nur abwarten, ob diese angeblichen Freundschaften und Kontakte nicht lediglich ein Trick sind. Sie sind es nicht: Im August 2000 rufen Montero und Soldini ihren Geschäftspartner Horacio Gaggioli in Barcelona an. Gaggioli ist ein Rosarino und handelt seit den 1970er Jahren in Barcelona mit Immobilien. Er arbeitet mit dem Fußballberater Josep Maria Minguella zusammen, Barça-Mitglied Nummer 2292. Dieser ist Transferberater des damaligen Barça-Präsidenten Joan Gaspart und wird später einmal als Kandidat in jener Präsidentenwahl antreten, die schließlich Joan Laporta gewinnt.

„Ich sah ein Video von dem Kerlchen. Horacio, Martín und Fabián versicherten mir, dass es die Sache wert sei, ihn sich mal anzusehen. Also rief ich meinen guten Freund Charly an“, erinnert sich Minguella.

„Er erzählte mir etwas über einen wirklich guten Jungen … Jemanden wie Maradona. Ich dachte, der redet über einen 18- oder 19-Jährigen. Ich war echt überrascht, als die mir sein wahres Alter sagten“, fügt Carles „Charly“ Rexach hinzu, der damals technischer Direktor beim FC Barcelona war. „Da musste er schon sehr außergewöhnlich sein, um unser Interesse zu wecken. Unserer Vereinspolitik gemäß wollten wir eigentlich keine Jungs verpflichten, die nicht aus Katalonien kamen, und schon gar keinen Spieler, der nicht aus der EU stammte. Aber sie schworen Stein und Bein, dass niemand so gut sei wie er. Ich bin viel in Südamerika herumgereist, aber wir entschieden, ihn nach Barcelona zu holen, damit er ein paar Wochen bei uns trainierte. So konnten die Trainer bei uns im Verein ihn nach Lust und Laune beobachten. Es war die beste Lösung. Für ihn war es besser, nach Spanien zu kommen, wenn es ihm zeitlich passte, und wir mussten keine Reise nach Argentinien planen. Es hätte alles Mögliche passieren können – vielleicht wäre er krank gewesen oder genau in der Woche nicht einsatzfähig … Für uns wäre es also wenig hilfreich gewesen, hinzufliegen.“

Und so landet Lionel am Sonntag, den 17. September 2000, in Begleitung seines Vaters und Fabián Soldinis in der Hauptstadt Kataloniens. Am Flughafen El Prat wartet Horacio Gaggioli bereits auf sie und bringt sie ins Plaza-Hotel an der Plaça d‘Espanya, am Fuße von Barcelonas Hausberg Montjuïc. Einige Jahre später wird Leo dort im Olympiastadion sein Debüt bei den Profis feiern. Aus den Fenstern des Hotels kann man auf die Stadt blicken. Wenn es gut läuft, bekommt er einen Platz bei Barça, und die Stadt wird seine neue Heimat werden. Dann sind ein Haus, ein Job für den Vater und vielleicht sogar eine Mannschaft für seinen großen Bruder Rodrigo möglich.

Es mag verwundern, dass eine ganze Familie vollständig auf einen 13-jährigen Jungen vertraut. Vor ihrer Hochzeit hatten Celia und Jorge bereits darüber nachgedacht, nach Australien auszuwandern. Sie wollten ein neues Leben in einer neuen Welt beginnen. Sie hatten es nicht schlecht, doch sie wussten, dass sie in Argentinien nicht viel mehr erreichen konnten. Sie suchten nach neuen Chancen für ihre Kinder. Leo konnte in Barcelona medizinisch behandelt werden und sich entsprechend seines Talents bei einem großen Verein fußballerisch weiterentwickeln. Aber die Entscheidung fiel nicht leicht. Die Messis stellten sich immer wieder die Frage, ob sie wirklich das Richtige taten. Vor der Abreise versammelten die Eltern die gesamte Familie um den Tisch und fragten jeden Einzelnen nach seiner Meinung. Sie versicherten, dass sie alle in Rosario bleiben würden, wenn auch nur einer von ihnen nicht fortgehen wollte.

Das Probetraining ist für den 18. September angesetzt, einen Montagnachmittag. Leo ist ganz baff angesichts der Trainingseinrichtungen. Schnell lässt er noch hinter einem der Eingangstore des Mini Estadi, des Stadions der Reserve und der A-Jugend des FC Barcelona, ein Foto von sich machen – ganz so wie die vielen Touristen, die täglich dem Camp Nou einen Besuch abstatten. Dann geht er in die Umkleidekabine, bevor er sich zu den Jugendmannschaften auf dem B- und C-Platz gesellt. Im Verlauf der folgenden Woche trainiert er mit Gleichaltrigen und absolviert gemeinsam mit ihnen ein kurzes Spiel. Jorge sieht schweigend von der Tribüne aus zu, wie er das auch in den Stadien von Rosario immer getan hat. Leo will seinen Vater nicht enttäuschen und erzielt in einem einzigen Spiel fünf Tore. Ein weiteres wird wegen Abseits nicht gegeben. Der Papa hatte ihm einen neuen Trainingsanzug versprochen, wenn er sechsmal einnetzen würde. Am Ende muss er sein Versprechen halten.

Alle Trainer, die ihn zu Gesicht bekommen, äußern sich positiv über das Spiel des Jungen. Doch die Entscheidung über seine Zukunft muss Rexach treffen. Charly befindet sich gerade auf der anderen Seite des Globus, wo zur selben Zeit im australischen Sydney die Olympischen Spiele stattfinden. Er beobachtet dort das Fußballturnier, das mit einem Finale zwischen Spanien und Kamerun endet, welches die Afrikaner nach Elfmeterschießen gewinnen. Leos Aufenthalt in Barcelona wird also bis zu Charlys Rückkehr, die für den 2. Oktober terminiert ist, verlängert. Bis dahin bleibt die Sache in der Schwebe. Für den 3. Oktober arrangiert man für fünf Uhr nachmittags ein Spielchen zwischen den 14- und 15-jährigen „Kadetten“ und den „Erstsemestern“ auf dem C-Platz des Mini Estadi. Charly will sehen, wie gut sich Leo gegen die älteren Kerle schlägt.

„Ich kam gerade vom Essen und betrat den Platz fünf Minuten nach Anpfiff. Die beiden Mannschaften spielten schon“, erzählt Rexach. „Ich musste einmal halb um den Platz laufen, um zu den Trainerbänken zu kommen. Ich brauchte sieben oder acht Minuten dorthin. Als ich mich schließlich auf die Bank setzte, war meine Entscheidung schon gefallen. Ich sagte zu Rifé und Migueli [den Jugendtrainern]: ‚Der muss unterschreiben. Sofort.‘ Was hatte ich gesehen? Einen Jungen von äußerst kleiner Statur, der anders war; mit unglaublichem Selbstbewusstsein, wendig, schnell, technisch beschlagen, der sich in vollem Tempo mit dem Ball bewegen und jeden umkurven konnte, der ihm im Weg stand. Es war ziemlich einfach zu erkennen. Sein Talent, das heute jeder kennt, war mit 13 Jahren noch auffälliger. Es gibt Fußballspieler, die erst in einer Mannschaft richtig aufblühen – nicht so er. Wer mir erzählt, dass ich Messi entdeckt haben soll, dem antworte ich immer: Selbst ein Mars-mensch hätte erkannt, dass er etwas ganz Besonderes ist, hätte er ihn spielen gesehen.“

Der Chef ist einverstanden und der Vertrag nur noch Formsache. Zwei Tage später befinden sich Leo und sein Vater auf dem Flug zurück nach Buenos Aires. Sie kommen freudestrahlend nach Hause. Über einen Mittelsmann hat Charly Rexach ihnen versichern lassen, dass sie bald wieder nach Barcelona eingeladen werden, damit die Vertragsdetails niedergelegt werden können. Bis heute kennt Jorge Charly nicht persönlich, auch wenn er der Meinung ist, dass es sein Sohn Rexachs Dickköpfigkeit zu verdanken hat, dass er beim FC Barcelona spielt.

Das Abenteuer auf der anderen Seite des Atlantiks hat also ein Happy End. Doch letztendlich erweisen sich die Dinge als nicht ganz so einfach. Es gibt immer noch eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden. Noch heute erinnert sich Rexach, der seine gesamte Spielerkarriere dem FC Barcelona treu blieb, genau an die damaligen Ereignisse, als man nur einen Steinwurf vom Camp Nou entfernt bei einem Kaffee in der Bar des Hotels Princesa Sofía zusammensaß.

„Zunächst einmal war er Ausländer, und die Gesetze verbieten es, dass ausländische Kinder in irgendeiner nationalen Liga spielen. Das war ein ziemliches Hindernis, er war ja noch minderjährig. Dann blieb die Frage, was seine Eltern tun würden. Wir mussten ihnen Arbeitsplätze verschaffen, wenn sie nach Spanien zogen. Und schließlich hatte der Junge ein Wachstumsproblem und benötigte medizinische Behandlung.“ Rexach erklärt, wie er das Für und Wider gegeneinander abwog. Schließlich war er überzeugt, das Risiko um jeden Preis eingehen zu wollen „und ihn zu verpflichten, weil er so gut ist“. Nichtsdestotrotz sind nicht alle im Verein so angetan, und im Moment der Entscheidung tauchen Fragen auf. Manch einer hält Leo für zu klein, zu dürr und glaubt, dass es hier nur um einen kleinen Schönspieler geht. Auf solche Einwände reagiert Charly schlagfertig: „Dann bringt mir doch all die kleinen Schönspieler her. Die will ich alle in meiner Mannschaft sehen.“ Selbst der Vereinspräsident Joan Gaspart verlangt eine Erklärung in der Angelegenheit und will wissen, ob es die Sache wirklich wert sei, die Verantwortung für die Familie eines 13-jährigen Jungen zu übernehmen. Charly beantwortet dies positiv, es handele sich dabei um ein notwendiges Risiko. In der Zwischenzeit läuft die Zeit weiter. Oktober und November verstreichen, ohne dass es zu der erwarteten Entscheidung kommt. Am 4. Dezember ruft Minguella bei Rexach an. Sie treffen sich im Restaurant des Pompey Real Tennis Club auf dem Montjuïc. Auch Horacio Gaggioli, der seinerzeit die Interessen der Familie Messi vertritt, ist zugegen. Gaggioli erinnert sich, dass er am meisten Druck machte: „Charly, nun sind wir doch so weit gekommen. Entweder du lässt ihn bei dir spielen, oder der Junge geht woanders hin …“, und er fügt hinzu: „Ich habe nicht geblufft. Wir hatten wirklich schon mit Real Madrid gesprochen.“

„Die vertrauten weder mir noch dem FC Barcelona. Die wollten etwas Schriftliches haben oder die Verhandlungen abbrechen“, sagt Rexach. „Ich war felsenfest davon überzeugt, dass wir uns diesen Jungen nicht durch die Lappen gehen lassen konnten. Also schnappte ich mir eine Papierserviette und kritzelte so in etwa darauf, dass der Verein Leo Messi bei Annahme der vereinbarten Bedingungen verpflichten würde. Ich unterschrieb das und gab ihnen den Zettel.“

Auch Minguella und Gaggioli unterschrieben auf der Papierserviette (ein sorgfältig aufbewahrtes Relikt). Es ist eine Ehrenerklärung, die gleichwohl unzureichend ist. Bevor sie mit Kind und Kegel nach Barcelona aufbrechen, wollen die Messis Garantien haben. Das geht mit den Reisekosten los und endet mit einem Arbeitsplatz für Jorge, der seine Stelle bei Acindar kündigen muss, will er seinem Sohn und der übrigen Familie folgen. Charly Rexach arbeitet hart an der Lösung des Problems, aber dies erweist sich als nicht gerade einfach. „Anfangs konnten wir keinen regulären Vertrag machen. Er war ein Junge, der in der Jugend spielen sollte, aber irgendetwas Schriftliches mussten wir fixieren, und das taten wir dann auch.“

Am 8. Januar 2001 wird im Via Veneto, einem anderen Restaurant in Barcelona, die endgültige Übereinkunft erzielt. Der damalige Manager der Profiabteilung, Joan Lacueva, trifft sich mit dem Koordinator der Nachwuchsakademie, Joaquim Rifé, der mit Blick auf die Zukunft den Verein zu den notwendigen Anstrengungen bewegen will, Messi zu holen. Und er bittet um einen Bericht des begeisterten Rexach, der einfach nur schreibt, dass Messi unglaublich sei. Darauf gehen zwei Briefe an Jorge Messi. Einer stammt von Charly und bestätigt die sportliche Vereinbarung mit der Familie seitens des FC Barcelona. Der andere kommt von Lacueva und betrifft die finanziellen Details. In dem Schreiben werden die Einzelheiten des vom Verein anzumietenden Hauses ebenso festgelegt wie das Honorar von sieben Millionen Peseten (42.000 Euro), das der Vater für seine Tätigkeit beim Verein erhalten soll. Diese Lösung ist genauso gut wie ein Honorar für den Spieler selbst, der jedoch nur zu einem Stipendium berechtigt gewesen wäre.

Der Brief reicht, um die Messis davon zu überzeugen, dass sie nun wirklich ihre Koffer packen können. Am 15. Februar 2001, mitten im katalanischen Winter, landet die gesamte Familie auf dem Flughafen von Barcelona.

Messi

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